Hochqualifizierte Ausländer:Putzfrau mit Doktortitel

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Trotz Promotion müssen sich viele Migranten mit Ein-Euro-Jobs über Wasser halten. Ihre Doktortitel werden in Deutschland nicht anerkannt.

Als Valentina Mazur ihrer Heimat Usbekistan den Rücken kehrte und nach Deutschland kam, war sie hochmotiviert. Sie hatte Kunstwissenschaft studiert und in Pädagogik promoviert. Heute, sieben Jahre später, hat sie alle Illusionen verloren. "Mein usbekisches Diplom wurde hier nicht anerkannt", sagt die 45-Jährige, "und mit meinem Doktortitel habe ich es dann gar nicht erst versucht." Mazur ist kein Einzelfall.

Professor Rolf Meinhardt, Migrationsforscher an der Universität Oldenburg, hat für eine Untersuchung 260 studierte Migranten in Niedersachsen befragt. "Etwa 40 Prozent bekamen ihren Universitätsabschluss nicht anerkannt", sagt er. Ein knappes Drittel habe es gar nicht erst versucht. "Sie hatten wahrscheinlich schon gehört, dass es in ihrem Fall keinen Sinn hat nachzufragen."

"Wir brauchen diese Leute dringend"

Meinhardt hält die Nichtanerkennung ausländischer Abschlüsse für "reine Idiotie": "Wir brauchen diese Leute dringend." Ohne anerkannten Abschluss gelten Migranten in der Bundesrepublik als ungelernte Arbeitskräfte. "Sie können dann in jedem Bereich eingesetzt werden und sind in der Regel völlig überqualifiziert für ihre Tätigkeit: Bautechniker werden zu Anstreichern, Lehrerinnen zu Reinigungskräften", sagt der Forscher.

Auch Valentina Mazur musste sich beruflich umorientieren. Drei Jahre arbeitete sie als Altenpflegerin. Anfangs litt sie unter Depressionen. Dann wurde bei ihr Multiple Sklerose diagnostiziert, und man riet ihr, den Job aufzugeben. Heute ist sie in einem Verein als Ein-Euro-Jobberin beschäftigt. "Finanziell geht es mir jetzt besser als in Usbekistan", sagt sie. Ein bisschen gibt sie sich selbst die Schuld daran, dass sie keinen anderen Job findet. "Ich spreche nicht gut deutsch und bin zu schüchtern."

"Die Nichtanerkennung ihrer Abschlüsse ist für viele Migranten eine traumatische Erfahrung der Deklassierung", sagt Rolf Meinhardt. Er fordert, das Verfahren zu lockern. Durch Anerkennung werde Migranten ein Stück ihrer Würde wiedergegeben. "Wir müssen Menschen die Möglichkeit geben, ihre Fähigkeiten einzusetzen." Angesichts des Fachkräftemangels könnten davon alle profitieren, auch die Wirtschaft. Die Deutschen hätten schlicht "wahnsinnige Angst" vor Konkurrenz. Behörden seien im Prozess der Anerkennung oft nur hinderlich. Meinhardt fordert daher, Wissenschaftler vermehrt in das Verfahren mit einzubeziehen.

Zurück ins Medizinstudium

Peter Oberschelp, Leiter der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen in Bonn, widerspricht dem Wissenschaftler: "Wir müssen bestimmte Qualitätsstandards wahren." Bedenken hat Oberschelp vor allem bei medizinischen Abschlüssen: ,,Natürlich sind auch im Ausland ausgebildete Ärzte hochqualifizierte Leute. Trotzdem genügen sie in vielen Fällen nicht den deutschen Anforderungen." So gebe es allein in Osteuropa fünf verschiedene ärztliche Ausbildungen, wovon nur eine deutschen Standards entspreche. "Da nützt auch keine Umschulung - die müssen zurück ins Medizinstudium."

Maryna Zaitseva hatte Glück im Unglück. Sie studierte in der Ukraine Wirtschaftsingenieurwesen und arbeitete dort in einer Bank. Auch ihr Uni-Abschluss wurde in Deutschland nicht anerkannt. "Es hieß: Sie haben die Wirtschaft des Kommunismus studiert", sagt die 42-Jährige. "Das fand ich sehr ungerecht." Das Arbeitsamt riet ihr zu einer Ausbildung als Physiotherapeutin. Trotz anfänglicher Bedenken sagte sie zu. Der praktische Teil der Ausbildung gefiel ihr dann richtig gut. Vor einem Jahr hat sie sich als Physiotherapeutin selbständig gemacht. Inzwischen sagt sie: "Meine Arbeit hier gefällt mir besser als mein Bankjob in der Ukraine.

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