Helden der Arbeit:Sprich mit mir!

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E-Mails sind häufig überflüssig und meistens lästig. Über den seltsamen Zwang, sich dennoch ständig Nachrichten zu schicken.

Nicola Holzapfel

Für viele ist der Blick ins E-Mail-Postfach die erste Tat am Arbeitsplatz. Was gibt's Neues? Wer hat geschrieben?

Dabei wissen sie schon zuvor: Wirklich Neues gibt es häufig wenig. Geschrieben haben dafür umso mehr.

Es ist geradezu zur Sucht geworden, jedes Anliegen zu verschriften und als E-Mail quer über die Büroflure zu verschicken. Der Großteil der Nachrichten ist dabei: überflüssig.

Zu dumm nur, das man ihnen das nicht sofort ansieht. Der Betreff "Überflüssig" oder "Vergiss es" würde es dem Empfänger enorm erleichtern, die relevanten aus all den unnützen Botschaften zu fischen.

Stattdessen raubt ihm allein die Masse der Nachrichten eine wichtige Ressource: Zeit.

Schon zwischen wichtig und unwichtig zu sortieren, dauert. (Von den Spam-Mails ganz zu schweigen.) Und dann erst, alles zu lesen! E-Mail-Freunde, die zu langatmigen Ausführungen neigen, können davon ausgehen, dass ihr Absender reicht, um beim Empfänger Stress-Reaktionen auszulösen: Wann soll er das schon wieder lesen?

Das heißt nun aber nicht, dass die kurzen die besseren Nachrichten wären. Denn sie sind mitunter so knapp, dass sie schlicht unverständlich sind. In so einem Fall ist es die beste Antwort, zum Telefon zu greifen statt eine E-Mail mit Bitte um Aufklärung zurückzuschicken. Ansonsten droht die E-Mail-Endlosschleife.

Das Verhängnisvolle beim Empfangen von E-Mails ist sowieso, dass man damit in die Defensive gerät. Der Absender hat seinen Job gemacht, jetzt ist der Empfänger dran. Er muss reagieren - und wenn er nur den schwarzen Peter wieder zurückgibt.

Anfrage, Rückfrage, Antwort auf Rückfrage, Antwort auf Antwort auf Rückfragen: E-Mail-Korrespondenzen finden zu oft: kein Ende. Der ganze Irrsinn dieses Unternehmens offenbart sich dann in der Betreffzeile: Re: Antwort: Re: Antwort: Re: Antwort: Re ....

E-Mails gaukeln eine ständige Erreichbarkeit vor, die es gar gibt. "XY ist gerade nicht am Platz? Ach, dann schreibe ich ihm doch eine Mail." Die wird XY dann schon erreichen. Und wahrscheinlich wird sie ihn auch: unterbrechen. Manchmal reicht allein das Wissen um das stetige Eintropfen der E-Mails, um abzulenken. Man schaut einfach viel zu oft ins Post-Fach. (Was einen nicht davon abhält, trotzdem mal etwas zu verpassen, was ausschließlich via Rechner kommuniziert wurde.)

Längst haben alle vor der E-Mail-Flut kapituliert. Die Versuche, mit ihr Schritt zu halten, werden in der Regel nur mehr halbherzig ausgeführt. Manche haben es sich angewöhnt, alle neuen Nachrichten nur kurz zu überfliegen, Dringendes zu beantworten und weniger Wichtiges erst einmal stehen zu lassen. Dass sie auf diese Weise den Überblick verlieren und sich ihr E-Mail-Eingang deswegen in einem Zustand permanenten Chaos befindet, nehmen sie resigniert hin.

Schließlich geht es ordnenden Naturen auch nicht viel besser. Sie legen sich zwar allerlei Fächer an, in die sie die Mails nach Thema oder Dringlichkeit ablegen. Aber dafür finden sie nie, was sie gerade suchen. Und war das jetzt schon erledigt - oder noch nicht?

Echtes Aufbegehren löst höchstens noch die ein oder andere Form aus. Mails ohne Grußformel zum Beispiel lesen sich nicht gut. Ein flottes "Hey" kommt aber auch nicht bei jedem an. Ebensowenig wie zu viele Abk., vor allem wenn sie Englisch daher kommen (ru ok? cu b4 xmas).

Warum muss überhaupt für alles und an jeden eine E-Mail versandt werden? Niemand käme auf die Idee, eine Brieftaube oder ein Fax von Zimmer zu Zimmer zu schicken. Viele Anliegen lassen sich im direkten Kontakt viel schneller erledigen. Vielleicht sollte man das einfach mal wieder versuchen. Und das E-Mail-Postfach wird inzwischen: Wegen Überfüllung geschlossen.

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