Helden der Arbeit:Hit the Roadmap!

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Erst sportlich targeten und dann losrollen: über den unstillbaren Zwang moderner Büromenschen, die deutsche Sprache zu manipulieren und sich für Außenstehende völlig unverständlich auszudrücken.

Nicola Holzapfel

Kinder denken sich gerne Geheimsprachen aus. Nnad nehcerps eis muz leipsieB sträwkcür. Daran können sie eine unglaubliche Freude entwickeln. Das ist schön. Leider reden auch Erwachsene gerne in Geheimsprache. Das ist weniger schön.

Es kann sogar wahrhaft schrecklich sein. Denn man kann sie nicht davon abhalten. Sie machen es überall, sobald sie zusammenarbeiten. Berater tun es, Manager tun es, sogar einfache Angestellte tun es. Sie entwickeln einen Kauderwelsch, der für Außenstehende nicht mehr nachvollziehbar ist. Dabei bedienen sie sich der immer selben Methoden:

Worte erhalten eine neue Bedeutung. Egal ob Projektmanager oder Anzeigenverkäufer: Alles spricht davon, dass ein Ziel oder ein Zeitplan " sportlich" ist. Das heißt auf gut deutsch: Die Vorgaben sind nicht zu schaffen. Aber das sagt keiner.

Nicht ganz so häufig, dafür origineller ist die Redewendung Siegfried und Roi, an der sich Beschäftigte mancher Konzerne erfreuen. Sie meinen damit den "Return on investment" (und sprechen niemals von Kapitalerträgen).

Das Halb-Englische trumpft. Das gefährliche Denglisch-Virus hat sich so stark ausgebreitet, dass sich niemand mehr fragt, wer damit eigentlich anfing. Waren es die Unternehmensberater? Die globalisierten Manager?

Allerorten werden Targets gesetzt und Probleme gehandelt. Was man kann, zeigt man mit Best-Practice-Beispielen und was zu tun ist, setzt man auf die Roadmap. Sollte mal etwas nicht klappen, fragt man einfach "Ist das ein Bug oder Feature?" Hat man keine Zeit (oder Lust) redet man sich mit einem Meeting heraus. Und wenn man wirklich eines hat, aber nicht hinwill, muss man den Termin eben canceln.

Aber wofür waren noch einmal die Backup-Folien?

Sprachliche Deckmäntel wirken. Kreative und andere wichtige Menschen müssen manchmal etwas im Geheimen arbeiten, wovon erst einmal niemand erfahren darf. Dafür denken sie sich Code-Namen aus. Diese klingen meistens interessant, häufig fremdländisch und implizieren immer die große Hoffnung, die in die Arbeit gesteckt wird.

Ihre Projekte heißen El Dorado oder Kolumbus, Morgenröte oder auch Bermuda-Dreieck.

Die Wort-Verhunzung. Auch diese zweifelhafte Gewohnheit erfasst Angehörige aller Berufsgruppen. Betroffene sagen etwa "Das war nicht angedacht", wenn sie mit unerwarteten Forderungen konfrontiert werden. Und wenn es um die Urlaubsplanung und den Arbeitseinsatz geht, lautet die Frage " Wer dienstet?".

Beliebt sind auch bewusste Versprecher. Da sind dann alle ganz verspannt darauf, wie es weitergeht.

Die Abk.-Masche. Der Lieblingssprech aller Management-Funktionen ist unverständlich und vor allem: schnell. Zum Standard gehört die Aufforderung: asap! (As soon as possible). Die Antwort kommt dann spätestens eob (end of business).

IT-Experten können da problemlos mithalten: Datenbank-Profis machen zum Beispiel md5. Das heimliche Vorbild aller Büro-Sprechkünstler sind sowieso die Techniker. Sie haben eine unnachahmliche Art, kreativ mit der Sprache umzugehen.

Zum Beispiel pebbeln sie neue targets. Zwischendurch machen sie bam-bam. Und wenn alles fertig ist, rollen sie aus.

Das klingt richtig lustig. Das Traurige daran ist nur, dass da nicht einmal mehr andere Beschäftigte mit derselben Qualifikation mitkommen. Das liegt einfach nur daran, dass diese in einer anderen Firma arbeiten und womöglich gerade damit beschäftigt sind, Balkone zu bauen. Danach müssen sie sie betanken und dann - abfackeln.

Zum Glück müssen sich Redakteure so ausdrücken, dass man sie versteht. Es könnte ja sein, dass sonst, wenn auch die Medienvertreter im Kauderwelsch und dann vielleicht eine Hirnwendung sich verknotet und sich nicht mehr... und dann Thema fahren, ganz sportlich, Schnipselchen bestücken, proaktiv, und Böppeln nicht vergessen, Hauptsache nicht verschossen,... Hilfe! Wo? Ende.

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