Hamburger Kunsthochschule:Gemeinsam gehen wir unter

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Weil ihre Studenten Gebühren verweigern, droht der Hamburger Kunsthochschule die Auflösung. Wer nicht zahlt, wird exmatrikuliert - und geht nach Berlin oder Frankfurt.

Till Briegleb

Es ist eine Rebellion ohne Aussicht, aber wenigstens weckt sie eine politisch eingedöste Studentengeneration aus ihren Einzelkämpfer-Träumereien. So beschreibt ein Professor der Hamburger Kunsthochschule (HfBK) die Situation für die letzte Bastion des Studiengebührenboykotts. An zahlreichen anderen deutschen Universitäten und auch an diversen Hamburger Fachbereichen ist der Versuch gescheitert, eine Mehrheit der Studenten zur Verweigerung der Zahlung zu bewegen, um so Druck auf die Regierungen auszuüben, das Gesetz zurückzunehmen. Doch an der Kunsthochschule Lerchenfeld haben knapp 70 Prozent der gebührenpflichtigen Studierenden ihren gesetzlich fixierten Anteil an den Studienkosten (500 Euro plus 250 Euro weitere Gebühren pro Semester) nicht bezahlt oder auf ein Treuhandkonto überwiesen.

Protestspitze in Deutschland: Die Hochschule für Bildende Künste Hamburg. (Foto: Foto: Boykottseite der HfbK-Hamburg)

Damit ist die Hochschule einsame Protestspitze in Deutschland, aber auch akut von Auflösung bedroht. Denn Hamburgs Wissenschaftssenator Jörg Dräger ließ mit päpstlicher Strenge ausrichten, dass die Dissidenten exmatrikuliert werden, falls sie auch die verlängerte Frist bis zum 9. Juli verstreichen lassen. "Gesetz ist Gesetz, daran können wir als Behörde nichts ändern", erklärt Drägers Sprecherin Sabine Neumann.

Doch die deutsche Boykott-Avantgarde lässt sich von rechtsstaatlicher Prinzipientreue nicht beirren. "Alle, die das Geld nicht eingezahlt haben, lassen sich im Ernstfall auch exmatrikulieren", beschwört Malerei-Student Willem Müller die Einheit der Kunstfront, die auch von den meisten Professoren der HfBK öffentlich unterstützt wird. Ihre Argumente: Kunststudenten hätten bereits jetzt einen sehr hohen Eigenanteil für Materialkosten zu tragen, "rund 200 Euro pro Monat", sagt Willem.

Die vom Hamburger Senat angebotene Möglichkeit eines Darlehens lehnen die Studenten ab, "weil das Risiko, im Anschluss an das Kunststudium keine ausreichenden Einnahmen zu haben, um die Kredite zurückzahlen zu können, zu hoch ist", wie es in einem offenen Brief heißt. Falsch, widerspricht die Behörde. Erst wer ein Nettoeinkommen von 12.720 Euro im Jahr erreicht, muss das Darlehen, das sich auf rund 6000 Euro summieren kann, in verträglichen Raten begleichen. Wem das nach einigen Jahren nicht gelingt, dessen Schulden übernimmt ein Ausfallfonds aus den Mitteln der Hochschule.

Dennoch sind die Fronten in dem Streit verhärtet. Der Schaden ist offensichtlich: Fünfzig Prozent weniger Bewerbungen registriert die Hochschule seit Ankündigung der Studiengebühren. Die Talentiertesten unter den Studenten planen laut Martin Köttering, Präsident der HfBK, bereits ihren Umzug nach Berlin, Frankfurt oder Düsseldorf, wo an den Kunstakademien keine Gebühren akquiriert werden, "und sie höchstwahrscheinlich auch angenommen werden". Die Wettbewerbsfähigkeit der HfBK sei im Falle einer schlagartigen Entvölkerung um zwei Drittel ruiniert, befürchtet der Präsident.

Im Sinne der Studenten

Dabei lässt das Hamburger Gesetz zur Erhebung von Studiengebühren einen Königsweg offen, auf dem sich der Konflikt schlichten ließe. Die HfBK kann nämlich selbst darüber entscheiden, was sie mit den neu gewonnenen Mitteln anstellt. Gegen die Einrichtung eines "Materialfonds'' und Sponsoring von Ausstellungen außerhalb der Hochschule, wodurch die Studenten ihre Gebühren in Form von Sachmitteln zurück erhielten, gibt es keine politischen Widerstände.

Diesen Weg versucht Köttering nun seinen Studenten noch einmal nachdrücklich aufzuzeigen, um das Ausbluten der HfBK zu verhindern. Sein persönliches Dilemma, dass er seit Beginn der Diskussion vor zwei Jahren gegen die Einführung von Studiengebühren an der Kunsthochschule eingetreten ist, nun aber die Konsequenzen der Beschlüsse exekutieren muss, macht seine Verhandlungsposition gegenüber der Streikfront zwar nicht einfacher. Er werde aber trotzdem noch einmal anbieten, "dass man über die Verwendung der Mittel gemeinsam nachdenkt'', und alle Möglichkeiten ausloten, "wie das Geld im Sinne der Studenten zu verwenden ist''. Gelingt ihm das nicht, dann reduziert sich eine der bedeutendsten Kunsthochschulen Deutschlands in Zukunft auf einen Nebenfachschauplatz für Kunstpädagogen.

Doch selbst, wenn sich dieser Konflikt noch entschärfen lässt, steht der Hochschule eine weitere Zerreißprobe bevor. Die Umwandlung des Hochschulstudiums in ein Master- und Bachelor-System mit seinen stark schulischen und leistungsorientierten Strukturen wird speziell das Studium der freien Kunst in seinen Grundfesten erschüttern.

Der Aufruhr, den es in Berlin letztes Jahr darum gab, ist in Hamburg scheinbar nicht präsent, denn die Boykotteure ignorieren die neue Realität - anders als ihr Lehrkörper. "Jeder Lehrer einer Kunsthochschule weiß, dass Studenten oft Jahre brauchen, bis sie ihre originäre Idee gefunden haben", sagt Egbert Hanecke, der an der HfBK Visuelle Kommunikation unterrichtet. "Für diese Förderung ist das neue System total ungeeignet."

Mit den Studiengebühren ließe sich die Reform vermutlich sogar besser bekämpfen. Denn die Teilhabe an der Studienfinanzierung ist ein politisches Druckmittel, das in den Behörden sehr wohl gefürchtet wird. Doch für derart strategisches Operieren steht dem Künstler wohl sein Künstlersein im Weg.

© SZ vom 3.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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