Führungsspitzen:Warum Deutsch, wenn es auch Englisch geht?

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Wer heute auf der Chefetage nicht anständig fremdspricht, hat schon verloren - oder nicht? Gerade die besserwisserischen Deutschen belächeln die Englisch-Patzer ihrer Politiker und würden im Ausland natürlich nie die deutsche Speisekarte verlangen. Aber nützt ihnen das was?

Alexandra Borchardt

Mal angenommen, Anshu Jains Postadresse wäre in Deutschland bekannt, man könnte sich den Inhalt seines Londoner Briefkastens derzeit gut vorstellen. Wäre es doch erstaunlich, hätten die Langenscheidts, die Berlitze und andere Vermittler fremden Sprachguts die Chance noch nicht ergriffen, dem künftigen Halbvorstandschef der Deutschen Bank endlich das beizubringen, was nach populärer Lesart aus der geplanten Doppel- eine Singlespitze machen könnte: Deutsch.

Manch einer geht lieber zum Business Lunch als zum Geschäftsessen. (Foto: CATH)

Dabei wäre der gebürtige Inder mit Amerika-Ausbildung auf dem Sprung nach Frankfurt gut beraten, statt des neuen Idioms lieber deutsche Politik, Grundlagen der Mitbestimmung oder wenigstens den Genuss von Äppelwoi zu trainieren. Denn fremdsprachlich, das ist klar, kann man mit allem diesseits der Perfektion in Deutschland nur danebenliegen.

Seit der Erfindung des Gymnasiums im 19. Jahrhundert, als der Sprachunterricht für höhere Söhne zur Pflicht wurde, hat sich das perfekte mehrsprachige Deklinieren und Parlieren zu einem Statussymbol der gehobenen Klassen entwickelt. Während in anderen Ländern Radebrechen akzeptabel ist und sich das Europäische Parlament sogar 23 Amtssprachen genehmigt, erwarten die Deutschen von ihren wichtigen Vertretern mindestens Englisch, ohne Akzent.

Stolpert Bundespräsident Christian Wulff kürzlich bei der Olympia-Krönungsmesse in Durban etwas unbeholfen durch den Schluss seiner auf deutsch gehaltenen Rede ("Let dreams come true"), kichert der deutsche Besserwisser.

Schwäbelt sich EU-Kommissar Günther Oettinger durch einen englischen Vortrag, ist das Stoff für die Filmchenkonserve Youtube, ebenso wie Guido Westerwelles Präferenz für die deutsche Antwort bei der (deutschen) Pressekonferenz. Ein Wulff-Lästerer formulierte das kürzlich im Internet so: "Ich gebe ja zu, ich kann auch nicht so gut Englisch, aber von unseren Spitzenvertretern erwarte ich das einfach."

Einfach? Klar, für Söhnchen und Töchterlein aus dem Zweisprachen-Kindergarten, der Internationalen Schule und dem Auslandsuni-Zirkus ist das akzentarme Fremdsprechen bei mäßiger Begabung kein Problem. Aber was ist mit all denen, deren Aufstieg keine Klassensache, sondern herkunftstechnisch unvorhersehbar und deshalb eine klasse Sache war? Nach der Theorie der Maulzerreißer hätte Wulff schon als Schüler ahnen müssen, dass er mal Bundespräsident wird. Oder eben verzichten. Schließlich unterscheidet der deutsche Bildungsbürger auch den guten vom bösen Touristen dadurch, dass er "due Cappuccini" bestellt und nicht "zwo Cappuccinos", kombiniert mit dem Wedeln zweier Finger.

Niemals würde sich der gute Reisende die deutsche Speisekarte geben lassen und niemals der deutsche Austauschstudent im Ausland nach deutschen Freunden suchen, mögen die anderen noch so sehr mit ihresgleichen zusammenglucken. Umgekehrt sollte sich der Migrationshintergründige hier nur mit seinem Deutsch aus der Deckung wagen, wenn er die Phrasen aus dem Sprachkurs perfekt imitieren kann. Was er sagt, ist dabei fast egal.

Nein, Jain sollte beim Englisch bleiben. Schließlich kann man dieselbe Sprache beherrschen und sich dabei trotzdem gründlich missverstehen. Bei der Deutschen Bank haben das Vorstandschef Josef Ackermann und Aufsichtsratschef Clemens Börsig gerade vorgemacht.

© SZ vom 18.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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