Führungsspitzen:Das Kreuz mit den Gipfeln

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Kaum haben wir den Opel- oder den Konjunkturgipfel hinter uns gebracht, kommt der Kaufhaus-Gipfel: Für jedes Problem veranstaltet man ein Spitzentreffen - und danach geht es bergab.

A. Borchardt

Als Deutschlands Lieblings-Feind Ferdinand Piëch kürzlich den Kartoffelbauern und Porsche-Chef Wendelin Wiedeking böse abgemeiert hat ("Wiedeking hat mein Vertrauen, noch. Streichen Sie das 'noch'."), mag es in Stuttgart den einen oder anderen Aufschrei gegeben haben. "Das ist ja wohl der Gipfel!", könnte jemand gesagt haben. Wohl wissend, dass es in der Piëch-Porsche-Saga immer noch einen Gipfel gibt und dann noch einen, so dass es die Familienchronik der Auto-Männer in diesem Sinne bereits auf ein ganzes Bergmassiv bringt. Wobei das generell das Problem mit den Gipfeln ist: Es gibt immer noch einen, und dann schon wieder einen.

Das Kreuz mit dem Gipfel: Kaum haben wir den Opel-Gipfel oder den Konjunkturgipfel hinter uns gebracht, kommt der Kaufhaus-Gipfel. (Foto: Foto: dpa)

Alpinisten kennen dieses Phänomen, aber auch der Nachrichtenkonsument ist zunehmend damit konfrontiert: Kaum hat er den Opel-Gipfel oder den Konjunkturgipfel hinter sich gebracht, kommt der Kaufhaus-Gipfel - und dann wieder der Opel-Gipfel. Mal abgesehen von all den Klima-Gipfeln zwischendurch, die mit den anderen Spitzentreffen insofern verbunden sind, als dass es auf Gipfeln immer vor allem um das Klima geht. Das ist üblicherweise schlecht zwischen den teilnehmenden Parteien, weshalb ein kluger Kopf irgendwann vorschlägt: "Lasst uns doch einen Gipfel einberufen."

Bilder vom Tatort

Nachrichtenmacher lieben solche klugen Köpfe. Denn sofort können sie Eilmeldungen verschicken ("Kaufhaus-Gipfel geplant!") und später Kamerateams aussenden. Die dürfen, wenn sie keine hastenden oder händeschüttelnden Teilnehmer ausfindig machen, zumindest Bilder vom Tatort bringen. So wie kürzlich, als der Fernsehzuschauer zum Bericht vom Porsche-VW-Gipfel Stadtansichten von Salzburg präsentiert bekam.

Man kann annehmen, dass Gipfel vor allem beruhigend wirken sollen. Gerade für den Deutschen an sich, der Hierarchien und Ordnung mag (oder hat anderswo schon mal jemand etwas von einer "geordneten Insolvenz" gehört?), ist der Gedanke bestechend, dass es in einer Problemlage nicht nur vorwärts, sondern auch aufwärts geht - sonst käme man ja gar nicht an auf dem Gipfel. Umso mehr verwirrt es, wenn einem dort oben plötzlich Menschen mit Krawatte begegnen. So geschehen neulich, als sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundespräsident Horst Köhler auf der Zugspitze trafen. Das alarmiert den Zuschauer: Sind die Gipfelanten womöglich mit Seilbahn oder gar Hubschrauber angereist? Haben sie sich gar nicht bergan gequält? Ist dieser Gipfel nicht das Ziel des Weges, sondern erst sein Anfang? Geht es danach nur noch bergab?

Die Mühen der Ebenen

An Gipfeln politischer und ökonomischer Art beunruhigt zuweilen gerade die Tatsache, dass sie notwendig sind. Denn sie signalisieren: Hier wollen wichtige Leute miteinander reden, die sonst offenbar nicht miteinander reden, obwohl jeder davon ausgegangen ist, dass sie ständig miteinander reden.

Deshalb kann mancher Mensch ohne die Eilmeldungs-Einladung zum Gipfel ruhiger schlafen. Weil er davon ausgeht, dass Merkel, Ackermann und Co. sofort miteinander telefonieren, wenn die nächsten Lehmans pleite gehen und nicht erst einen Gipfel planen. Weil er hofft, dass die Terrorfahnder ständig unterwegs sind und nicht auf den Anti-Terror-Gipfel warten, der nach dem nächsten Bombenfund einberufen wird. Weil er es mit Bertolt Brecht hält und nicht an Gipfel glaubt, sondern an die Mühen der Ebenen.

© SZ vom 25.5.2009/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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