Erfolgsgeschichten:Höher, schneller, weiter

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Claudia Langer hält sich für hyperaktiv. Ohne extreme Herausforderungen im Job langweilt sie sich.

(SZ vom 27.04.2002) Mein Traumjob wäre Papst gewesen. Oder Bundeskanzler. Die gehören zu den wenigen Menschen, die die Welt verändern können, wenn sie wollen. Und das hätte mir mit 14, 15 Jahren sehr gut gefallen. Vielleicht bin ich auch deswegen in die Kommunikation gegangen: Es fasziniert mich, welchen Einfluss man über die Massenmedien nehmen kann.

Claudia Langer (Foto: N/A)

Meine Eltern hatten einen völlig anderen Lebensentwurf für mich im Kopf. Mein Vater ist Pfarrer, meine Mutter Dozentin und Therapeutin im kirchlichen Umfeld, und beide hätten es natürlich gern gesehen, wenn ich auch in den sozialen Bereich gegangen wäre.

Uns Kindern haben sie beigebracht, dass man genügsam sein soll. Aber ich wollte das nicht einsehen. Ich glaube, ich bin mit dem Höher-Schneller-Weiter-Gen auf die Welt gekommen. Ich will genießen und zwar alles, was das Leben zu bieten hat. Alles an Erfahrungen machen, was möglich ist. Das liegt vermutlich an meiner extremen Neugier. Schon als Kind habe ich viel ausprobiert - ob Kochen oder Handwerken oder Fußballspielen.

Ich bin ein hyperaktiver Mensch und langweile mich unglaublich schnell. Das war auch in der Schule so. Ich war gut, fühlte mich aber unterfordert. Also habe ich mit 13, 14 angefangen, viel nebenher zu machen: Partys veranstaltet, eine Jugendgruppe geleitet, Konzerte organisiert - meine ersten Schritte in Richtung Unternehmerin.

Es war dieser Robin-Hood-Gedanke, die Kleinen gegen das Establishment, der einen Freund und mich auf die Idee brachte, eine Alternativmesse für junge, unbekannte Modedesigner zu veranstalten. Ich war 19, er 21 Jahre, wir saßen im Biergarten, rechneten das durch, und nachdem wir sahen, es geht auf, war die Messe "Avantgarde" beschlossene Sache. Wir hatten natürlich einige wichtige Kosten vergessen: Gema-Gebühren zum Beispiel, Versicherungen, Büromiete. Uns hätte es beinahe sofort danach zerrissen.

Ein halbes Jahr vorm Abitur gründeten wir die Firma. Von acht bis eins war ich in der Schule, von eins bis eins habe ich gearbeitet. Jeden Tag. Es war eine extrem harte Zeit, aber ein unbeschreiblicher Adrenalinstoß. Die Messe war ein voller Erfolg, gleichzeitig standen wir finanziell am Abgrund. Mit 21 hat mich das überfordert und viel Nerven gekostet. Heute ist das eine Stärke von mir: Gerade wenn es eng wird, entwickele ich ungeahnte Kräfte. Ich bin heute einerseits unerschrockener, andererseits viel vorsichtiger.

In der Presse wurde ich damals total hochgejazzt: In so einem Erfolgreiche-Junge-Frauen-Ranking stand ich plötzlich zwischen Steffi Graf und Anne-Sophie Mutter. Das hat mich ziemlich aus dem Gleichgewicht gebracht. Der faktische Erfolg hielt sich zumindest finanziell in Grenzen, und ich hatte das Gefühl: Ich kann nichts, ich habe kein Fundament.

Deswegen habe ich angefangen, nebenbei BWL zu studieren. Aber nachdem in einer Vorlesung hinter mir zwei darüber diskutierten, ob es für eine Managerkarriere förderlich sei, sich von jemandem mit Adelstitel adoptieren zu lassen, habe ich gewusst, das ist nicht meine Welt. Trotzdem: Ich wollte eine Ausbildung, also habe ich an der Akademie für Werbung ein Abendstudium gemacht.

Als wir die "Avantgarde" gründeten, haben alle gesagt, das geht nicht - und ich habe gebrannt, der Welt zu beweisen, dass es sehr wohl geht, wenn man nur fest an etwas glaubt und hart genug dafür arbeitet. Als ich die Agentur "Start" zusammen mit meinem Partner aufbaute, habe ich das dann noch ein zweites Mal bewiesen. Dass die Agentur so gesund ist, hat auch damit zu tun, dass ich durch meine Erfahrungen fürchterlich ängstlich geworden bin. Deshalb haben wir uns nie übernommen, waren immer bescheiden und sind langsam gewachsen - da kommt auch die protestantisch-asketische Erziehung meiner Eltern durch.

Scheitern ist Teil des Lebens, und ich bin schon häufig gescheitert: Ich habe Mitarbeiter verloren, die mir wichtig waren, Kunden, Präsentationen, an denen mein Herz hing. Ich habe mich dann gemartert, hatte Magenschmerzen - vor allem, wenn ich mir selbst etwas vorwerfen konnte. Aber das hält nur ein paar Stunden. Dann siegt mein Sportsgeist. Ich denke, ich brauche dieses Auf und Nieder.

Mein größter Erfolg? Meine Beziehung. Ich bin jetzt seit dreizehn Jahren mit meinem Mann zusammen und fast jeden Tag davon sehr gerne. Und natürlich unsere beiden Kinder - die Siege wie Niederlagen doch sehr relativieren.

(Aufgezeichnet von Gunthild Kupitz)

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