Elite-Hochschulen:Leuchten im Dunkeln

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Spitze und Wahn: Warum die Eliteuniversitäten ein Irrtum sind.

Von Thomas Steinfeld

Manche Türme entstehen, indem man um sie herum den Wasserspiegel senkt, und manche Türme fangen an zu leuchten, wenn man um sie herum das Licht löscht. Die Debatte um die Einrichtung von Eliteuniversitäten, die von Edelgard Bulmahn, der Bildungsministerin, jetzt im Handstreich entschieden worden sein soll, hat etwas so Verblendetes, ja Wahnhaftes, dass man meinen könnte, die Gier nach höherer Bildung, die seit einigen Jahren die Republik ergriffen hat, sei selbst schon das Zeichen einer zunehmenden Verblödung.

Über Jahrzehnte hinweg sind die deutschen Universitäten immer größer geworden, während gleichzeitig, umgerechnet auf jeden Studenten, immer weniger Geld für sie ausgegeben wurde. Daran ändert sich nichts, wenn das Bildungsministerium nun maximal zehn Universitäten mit insgesamt knapp zwei Milliarden Euro fördert. Im Gegenteil, die miserabel funktionierenden, schlecht ausgestatteten, intellektuell verwahrlosten akademischen Institutionen bleiben bestenfalls dort, wo sie heute sind, während sich über ihnen die "Leuchttürme" erheben dürfen. Was ist der Plan von den Eliteuniversitäten anderes als die Billigung und abschließende Befestigung des akademischen Elends für die überwiegende Mehrheit der Hochschulen in Deutschland?

Das ahnen auch die Rektoren der Universitäten, und deshalb haben die meisten von ihnen sich gewehrt, als die Bundesregierung sie mit der Idee von einer akademischen Elite überfiel. Sie wissen, dass es Jahrzehnte braucht, bis sich eine solide wissenschaftliche Spitze bildet, und dass sie weder per Dekret noch durch Überweisung von ein paar Millionen Euro entsteht, sondern langsam heranwächst - nicht aus dem Mittelmäßigen, sondern aus einem breit fundierten mittleren Maß. Dieses Maß aber ist seit mehreren Jahren unterschritten.

Die Malaise der Normalen

Wenn daher, wie es nun auch schon seit Jahren der Fall ist, der intellektuelle Abstand zwischen Max-Planck-Instituten, Wissenschaftskollegs und Akademien auf der einen, dem gewöhnlichen akademischen Ausbildungsbetrieb auf der anderen Seite immer größer wird, dann geht das nicht darauf zurück, dass die deutsche Spitzenforschung so gut geworden sind, sondern darauf, dass das Niveau für alle anderen gesenkt worden ist.

Edelgard Bulmahns Idee der Verordnung von Eliteuniversitäten ist allenfalls dazu geeignet, die Malaise des Normalen für eine Weile zu überdecken. Auf Dauer erfolgreich sein wird sie nicht - ganz abgesehen davon, dass 1,9 Milliarden Euro für zehn Universitäten für sechs Jahre ein schlechter Scherz sind, wenn man sich mit Institutionen wie Harvard messen will. Allein das Stiftungsvermögen dieser Universität beträgt das Zehnfache dessen, was nun für ganz Deutschland zur Verfügung stehen soll.

Aber auf diese Art und Weise erfährt die überwiegende Mehrheit der Studenten und Professoren in Deutschland, was das Bildungsministerium von ihnen hält. Im Unterschied zur Bildungsreform der sechziger und siebziger Jahre, als es darum ging, die intellektuellen Ressourcen breiter Bevölkerungsschichten zu erschließen, setzt die neueste Reform der Hochschulen voraus, dass Bildung im Übermaß vorhanden ist. Könnte man es sich sonst leisten, die akademische Bildung der studentischen Mehrheit durch kontinuierliche Erosion ihrer Infrastruktur dem Mittelmaß zu überantworten und stillschweigend die eventuelle Nutzlosigkeit ihrer Ausbildung in Kauf zu nehmen?

Geheimer Zynismus

Die längst chronisch gewordene, massenhafte Verschwendung möglichst billig produzierter Bildung wird durch die Verschärfung der innerakademischen Konkurrenz - vom Erstsemester bis zum Professor - im Zeichen der "Elite-Förderung" nicht ausgeglichen, sondern in umso grelleres Licht gesetzt. Erkennen die Kultusminister, erkennt Edelgard Bulmahn diese Konsequenzen nicht, ahnen sie nicht den geheimen Zynismus ihres Projekts? Nein, denn ihre Vorstellung von "Elite" besteht weder aus Bildung noch aus Wissen, sondern aus politischer Ökonomie. In der gesamten, sich nun seit mehreren Monaten hinziehenden Debatte um die Eliteuniversitäten ist von ihren Befürwortern nicht einmal gesagt worden, was einer deutschen Universität an welcher Stelle fehlt, um zum Weltmaßstab aufzurücken - es fiel nicht ein konkretes Wort über Gentechnik oder Informatik, über das Ingenieurwesen oder die Geschichtswissenschaften, über Labore, Arbeitsmöglichkeiten und Forschungsförderung.

Was nutzt uns aber diese "Elite", wenn es schon im Elementaren fehlt? Wenn die "Pisa"-Studien und ihre niederschmetternden Ergebnisse eines nahe legen, dann kein Überheben im Akademischen, sondern einen Neuanfang im Elementaren. Bescheidenheit braucht es hier, keinen Versuch, die deutsche Misere mit den Mitteln einer "Elite" zu überwinden. Ganz abgesehen davon, dass aus Bildung allein, anders als Edelgard Bulmahn und ihre Kollegen in der Regierung zu meinen scheinen, noch lange keine florierende Volkswirtschaft entsteht. Bildung und Wissenschaft sind nur sehr bedingt nationale Ressourcen. Was einer lernt, teilt sich schnell dem anderen mit, und das Patent ist nur ein mangelhafter, löchriger, befristeter Schutz für das Eigentum an Wissen.

Außerdem hat Wissenschaft nur in einem eingeschränkten Sinn etwas mit nationalem Erfolg zu tun: Wenn einer anfängt zu forschen, weiß er nicht, was er dabei herausbekommen wird - geschweige denn, ob seine Ergebnisse je wirtschaftlichen Nutzen abwerfen werden. Die Freiheit der Wissenschaft von den Ansprüchen der Rentabilität gehörte daher zu den großen Errungenschaften des bürgerlichen Bildungswesens: Sie schützte die Forschung davor, etwas tun zu müssen, was sie gar nicht tun kann. Auch das soll sich offenbar ändern.

Sie können einem leid tun, die deutschen Universitäten.

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