Einstiegsgehälter:"Wir bezahlen Sie mit unserem guten Namen"

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Wenn Uni-Absolventen bei Top-Arbeitgebern anheuern, ist das ein gelungener Start für die Karriere. Doch die Bezahlung hält oft nicht das, was der Name verspricht.

Julia Bönisch

Natürlich wollte Tanja Kleinert (Name von der Redaktion geändert) nach ihrem Uni-Abschluss bei einem renommierten Unternehmen mit gutem Image arbeiten. Als die 28-Jährige die Zusage für eine Stelle im Marketing einer großen Unternehmensberatung erhielt, war es für sie völlig klar, dass sie diesen Job auf jeden Fall antreten würde.

Konzernzentralen in Frankfurt: Große Firma, guter Name, beeindruckender Auftritt - trotzdem werden Einsteiger schlecht bezahlt. (Foto: Foto: ap)

Nach den anstrengenden Bewerbungsrunden hatte sie mit einer zähen Gehaltsverhandlung gerechnet. Doch stattdessen erhielt sie nach der erfolgreichen Bewerbung einen Anruf von ihrem zukünftigen Chef. Der teilte ihr lapidar eine Summe mit, die erkennbar unter dem Branchendurchschnitt lag. "Das war keine Verhandlungsbasis. Mir wurde klar gesagt, dass über die Höhe des Gehalts nicht diskutiert wird", erzählt Tanja Kleinert.

Natürlich hatte sie sich nach einem hervorragenden Diplom, einem harten Auswahlverfahren und dem Start in einer prestigeträchtigen Branche ein bisschen mehr erwartet. "Die Firma hat von vorneherein erklärt, dass nur besonders gute Leute eingestellt würden. Da hatte ich auch mit einer besonders guten Bezahlung gerechnet."

Firmenname als Schlüsselwort

Nach der Probezeit baten sie und andere Kollegen um eine Gehaltserhöhung, um wenigstens den Branchendurchschnitt zu erreichen. Doch das lehnten ihre Vorgesetzten ab. "Es hieß: Wir entschädigen Sie doch mit unserem Namen", sagt Tanja. Schließlich hätten die Berufsanfänger mit ihrem ersten Arbeitgeber einen unbezahlbaren Vorteil im Lebenslauf. Und draußen stünden genug Leute Schlange, die bereit wären, für wenig Geld zu schuften.

Personalberatungen, Wirtschaftsprüfer, Werbeagenturen und Medienunternehmen sind bei Karriere-Beratern bekannt dafür, schlechte Einstiegsgehälter zu zahlen - und von Berufseinsteigern trotzdem Gewaltiges zu verlangen: Überstunden, Arbeit auch am Wochenende kombiniert mit hohem Erfolgsdruck und dem Zwang zur dauernden Kreativität.

Im Tausch für einen tollen Firmennamen als Schlüsselwort im Lebenslauf sind viele Absolventen bereit, sich aufzuopfern. Der richtige Arbeitgeber erhöht das Sozialprestige und die Chancen auf eine Bilderbuchkarriere. Das Image ist alles, der Gehaltszettel nichts.

Auf der nächsten Seite: Zahlt sich der gute Name im Lebenslauf tatsächlich aus?

Mehr Akademiker - härterer Wettbewerb

Die Unternehmen wissen um die Bereitschaft zur Selbstausbeutung und nutzen sie oft gnadenlos aus, bestätigt der Karriere-Berater Thomas Rübel vom Büro für Berufsstrategie Hesse/Schrader. Doch bleibe Bewerbern nicht viel anderes übrig, als sich auf solche unfairen Verträge einzulassen. "Die großen Unternehmen haben mit ihrer Argumentation recht: Ihr Name im Lebenslauf zahlt sich später tatsächlich aus", sagt Rübel. "Andere Firmen gieren nach Leuten, die von dort kommen."

Personaler schrieben solchen Mitarbeitern höhere Kompetenz und Professionalität zu. "Selbst wenn jemand bei einem unbekannten Unternehmen mehr Verantwortung und bessere Projekte hat, wirkt das im Vergleich weniger gut", glaubt Rübel. Zudem werde Top-Arbeitgebern ein extrem hartes Auswahlverfahren unterstellt. Wer es unter solchen Bedingungen trotzdem ins Team schafft, zählt zur Elite.

Der Absolventenforscher Dieter Grühn führt die Entwicklung auch auf überzogene Erwartungen der Berufsanfänger zurück. Der Arbeitsmarkt für High Potentials sei momentan hervorragend. Nahezu jeder finde einen Job - aber eben nicht immer beim Traumarbeitgeber. "Heute ist ein Hochschulabschluss keine Garantie mehr, bei der Wunschfirma zu landen. Der Wettbewerb um die richtig guten Jobs wird immer härter, einfach weil es mehr Akademiker gibt." Von unrealistischen Hoffnungen müssten sich da manche eben verabschieden.

Aber gerade weil der Andrang bei den Top-Arbeitgebern so groß ist, können die den Preis der Absolventen drücken. Die holen entweder nach zwei bis drei Jahren eine ordentliche Gehaltserhöhung inklusive Karrieresprung heraus, oder ziehen weiter zur nächsten Firma. "Sobald Mitarbeiter merken, dass seitens des Unternehmens kein Entgegenkommen herrscht, müssen sie die Notbremse ziehen", rät auch Karriere-Berater Rübel. "Doch so ein Verhalten wäre von den Unternehmen nicht klug." Denn die Mitarbeiter dauerhaft auszubeuten, zerstört jegliche Loyalität. "Dann sollten auch Absolventen das Unternehmen nur noch dazu benutzen, persönlich weiterzukommen und sich woanders Aufstiegschancen und ein besseres Gehalt suchen."

So hat es auch Tanja Kleinert gemacht: Bei unzähligen Überstunden mit so wenig Geld abgespeist zu werden, erschien ihr sehr schnell unbefriedigend. Noch hat sich das gute Unternehmen in ihrer Vita allerdings noch nicht ausbezahlt: Kleinert hat nach der frustrierenden Erfahrung erst mal alles hingeworfen. Sie hat sich entschieden, in die USA zu gehen und dort ihren MBA zu machen. Diese Erfahrung wird sich bei der nächsten Bewerbung hoffentlich noch mehr rentieren als der Top-Arbeitgeber im Lebenslauf.

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