Doktortitel:Die kleine Titel-Psychologie

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Was der Doktor-Titel wert ist und was er für Karriere und Geldbeutel bringt.

Deutschland atmet auf: Der Doktor als Namensbestandteil in Ausweis und Reisepass darf bleiben. Das neue Passgesetz sollte den Lesegeräten die Arbeit erleichtern. Jetzt kann der Titel weiter Eindruck machen. Oder vielleicht sogar ein höheres Gehalt bewirken? Für Dirk Lippold, einen der Deutschland-Geschäftsführer der Beratungsfirma Capgemini, ist sein Doktortitel nur eine private Liebhaberei.

(Foto: Foto: iStockphoto.com)

SZ: Muss ich Sie mit Herr Doktor ansprechen?

Lippold: Nein, das brauchen Sie nicht, obwohl ich den Titel zugegebenermaßen gerne höre, weil ich erst mit 45 Jahren promoviert wurde.

SZ: Gratuliere. Hat Ihnen das einen Vorteil gebracht?

Lippold: Nein, ich war vorher schon Geschäftsführer und bin es jetzt auch noch. Aber meine Frau ist Professorin, da wollte ich nicht nachstehen.

SZ: Welche Bedeutung hat der Doktor in der heutigen Zeit?

Lippold: Ich würde den Doktortitel gleich gewichten mit einem Auslandsaufenthalt. Wenn jemand längere Zeit in Spanien oder England gearbeitet hat, dann spricht er die Sprache fließend und beweist, dass er flexibel, international und mobil ist. Er ist Teil eines individuellen Lebenslaufs.

SZ: Gibt es Branchen, in denen der Titel besonders wichtig ist?

Lippold: Ja, in bestimmten, eher konservativen Branchen wie Banken, Versicherungen, Wirtschaftsprüfern, aber auch im öffentlichen- und hier besonders im Hochschulbereich. Aber für uns, die Berater, ist er bestenfalls ein gutes Zubrot, nice to have, aber nicht wirklich erforderlich.

SZ: Ist der Doktortitel karriererelevant?

Lippold: Nein, im Großen und Ganzen nicht. Er könnte allerdings das Zünglein an der Waage sein, bei gleicher Qualifikation mehrerer Bewerber.

SZ: Was sagen Titel über den Träger?

Lippold: Er ist zielorientiert, kann wissenschaftlich arbeiten, sich in eine Sache vertiefen, er - oder sie - verfügt über Selbstmotivation.

SZ: Sind Doktoren als Berufsanfänger im Nachteil, weil sie etwas älter sind?

Lippold: Nein, das ist schon klar, dass ein Bewerber mit Doktortitel ein, zwei Jahre älter ist.

SZ: Wenn es nicht der Doktor ist, was überzeugt Sie dann an einer Bewerbung?

Lippo ld: Das Zeugnis sagt sehr viel aus, wichtig sind auch die Überzeugungskraft und die soziale Kompetenz einer Person. Im Berufsalltag zeigt es sich sehr schnell, ob jemand etwas kann, besonders, wenn es mal schwierig wird.

SZ: Bringt der Doktor mehr Geld?

Lippold: In unserer Branche jedenfalls hat man nichts davon, weder finanziell noch, was das Image betrifft. Weder das Türschild, noch der Briefkopf in unserem internen internationalen Schriftverkehr tragen bei uns den Namenszusatz - in einigen Ländern kennt man den Doktortitel gar nicht. Das liegt allerdings auch an unserer Firmenkultur, wir haben ja sogar eine Duz-Kultur.

SZ: Ist Ihnen schon mal ein Bewerber mit gekauftem Titel untergekommen?

Lippold: Das habe ich noch nicht erlebt. Allerdings habe ich im Internet schon entsprechende Angebote von Hochschulen gesehen. Für uns wäre das ein k.o-Kriterium.

Interview: Ingrid Brunner

© SZ vom 10.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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