Diskriminierung:Wenn der Kunde Rassist ist

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Ein Belgischer Unternehmer sagt, seine Auftraggeber wollen nicht von Ausländern bedient werden. Deshalb stellt er keine Marokkaner ein. Heute verhandelt der Europäische Gerichtshof, ob dies den Tatbestand der Diskriminierung erfüllt.

Daniela Kuhr

"Personal gesucht", stand auf der Plakatwand am Rand der Autobahn. Der belgische Unternehmer Pascal Feryn hatte sie im Frühjahr 2005 aufstellen lassen. Doch die Werbung war in seinen Augen wenig erfolgreich. "Außer diesen Marokkanern hat in vierzehn Tagen niemand auf unseren Aufruf reagiert", sagte Feryn kurz darauf in einer belgischen Zeitung. "Marokkaner suchen wir aber nicht. Unsere Kunden wollen sie nicht." Feryns Firma verkauft Schwingtüren und baut sie in Privathäuser und Wohnungen ein.

Ausländerin: Darf ein Arbeitnehmer von vorne herein sagen, dass er sie nicht einstellen möchte? (Foto: Foto: dpa)

Der Fall, der an diesem Donnerstag den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg beschäftigen wird, könnte einem Lehrbuch zum Thema Diskriminierung entstammen. Viele Unternehmen in Europa sperren sich dagegen, dass die EU den Schutz vor Diskriminierung immer weiter ausdehnt. Sie wehren sich gegen den Vorwurf, Ungleichbehandlungen geschähen allein aus bösem Willen. Viele Arbeitgeber nehmen für sich in Anspruch, dass sie durchaus rationale Gründe haben, wenn sie bestimmte Bewerber von vornherein ausschließen. Ob das als Begründung ausreicht, wird der EuGH nun klären müssen.

Keine Beschwerden von Marokkanern

Der Fall wirft noch eine weitere grundsätzliche Frage auf: Kann schon die bloße Äußerung eines Arbeitgebers eine Diskriminierung sein? Keiner der betroffenen Marokkaner hatte sich beschwert. Feryn hat sie offenbar nicht offen abgelehnt, aber signalisiert, dass Bewerbungen von bestimmten Personen nicht willkommen sind. Erfüllt das den Tatbestand?

Der Unternehmer selbst sieht sich in einem Dilemma. Er sei kein Rassist, sagte er. Er wisse, dass genauso viele Belgier wie Ausländer in Wohnungen einbrechen. Doch viele seiner Kunden hätten Angst und wollten keine Ausländer in ihr Haus lassen. "Ich muss mich nach den Forderungen meiner Kunden richten", sagte Feryn, sonst würden diese den Auftrag anderweitig vergeben. "Dann kann ich mein Geschäft schließen." Er habe dieses Problem "in Belgien nicht verursacht". Er wolle nur, "dass die Firma läuft und dass wir am Jahresende unseren Umsatz erreichen, und wie schaffe ich das? Indem ich es so mache, wie der Kunde es will!"

Abneigung gegen gewisse Bewerber

Damit war aus Feryns Sicht die Sache erledigt. Die zuständige Antidiskriminierungsstelle in Belgien sah das jedoch anders. Sie ging gegen den Unternehmer juristisch vor, weil sie in dessen Äußerungen eine unzulässige Diskriminierung wegen der Rasse und der ethnischen Herkunft sieht. Ob der EuGH diese Auffassung teilt, ist offen. Zumindest aber der Generalanwalt in Luxemburg, Poiares Maduro, folgte im März in seinen Schlussanträgen den Argumenten der Antidiskriminierungsstelle: Schon in der bloßen Äußerung Feryns sei eine Diskriminierung zu erkennen, weil Interessenten sich danach mangels Erfolgschance gar nicht erst bewerben würden, sagte Maduro. Würde man das nicht als Diskriminierung werten, könnten Arbeitgeber einfach ihre Abneigung gegen gewisse Bewerber im Voraus "so offen wie möglich publik machen".

Auch den Einwand, dass die Kunden keine Ausländer wünschten, bügelte Maduro ab. Er sei "völlig ohne Bedeutung". Selbst wenn er zutreffe, würde das nur beweisen, dass der Markt kein Heilmittel gegen Diskriminierung sei. Im Gegenteil. Es veranschauliche, dass ein Eingreifen des Gesetzgebers notwendig sei. Der EuGH ist an die Schlussanträge seiner Generalanwälte nicht gebunden, folgt ihnen aber meistens.

© SZ vom 10.7.2008/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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