Bewerber-Auswahl:Was die Handschrift verrät

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Die Handschrift eines Menschen ist einzigartig - das machen sich Personaler zu Nutze. Schriftproben der Bewerber sollen ihnen verraten, welcher Kandidat für einen Job am besten geeignet ist.

Julia Bönisch

"Füllen Sie doch bitte noch diesen Fragebogen aus", oder "Wir benötigen jetzt noch eine Arbeitsprobe von Ihnen" - solche Aufforderungen sind inzwischen Standard in vielen Bewerbungsgesprächen. Manchmal geht es dabei jedoch gar nicht um die statistischen Angaben oder die neue Idee, die der Bewerber präsentiert. Die Personaler wollen vielmehr seine Handschrift sehen.

Einige Firmen gehen inzwischen dazu über, die Qualifikation der Job-Kandidaten nicht mehr nur anhand von Lebenslauf, Zeugnissen und Einstellungsgespräch zu überprüfen. Auch die Graphologie leistet ihnen Hilfe bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern. Eine Schriftprobe soll Rückschlüsse auf Zuverlässigkeit, Arbeitsethos und Kollegialität liefern. "Handschriften sind einzigartig", erklärt die Graphologin Claudia Caspers. "So wie ein Fingerabdruck oder die DNA. Sie verraten uns unglaublich viel über die Persönlichkeit."

Verräterischer Zeilenabstand

Graphologin Caspers setzt ihr Können in der Personalauswahl und in der Laufbahnberatung ein. Unternehmen wenden sich an sie, wenn sie Hilfe bei der Besetzung offener Stellen benötigen. "Ich werde meist ab der mittleren Management-Ebene eingeschaltet. Sonst lohnt sich der Aufwand nicht", sagt Caspers.

Die Unternehmen erstellen ein genaues Anforderungsprofil, charakterisieren das Team, mit dem der Kandidat zusammenarbeiten muss und nennen die sozialen Kompetenzen, die er mitbringen sollte. Auf diese Merkmale hin untersucht die Graphologin die Handschrift. Zeilenabstand, Neigungswinkel und Größe der Bögen verraten ihr, welche Eigenschaften der Schreiber mitbringt. Genauso berücksichtigt sie, in welche Richtung die Strichbewegung geht und wie die Buchstaben miteinander verbunden sind.

Bei der Interpretation der Schriften orientiert sich Caspers an verschiedenen Typologien. "Die C.G.-Jung-Typologie etwa unterscheidet zwischen Denker, Fühler, Realist und dem Intuitiven, aber da gibt es natürlich auch immer Mischformen." Sie erstellt für ihren Auftraggeber ein umfangreiches Gutachten, das den Ausschlag darüber geben kann, ob ein Bewerber eine Stelle erhält oder nicht. Für solch eine Analyse verlangt Caspers zwischen 200 und 400 Euro.

Die Kunden der Graphologin sitzen hauptsächlich in der Schweiz. Dort gehört die Graphologie schon fast zum Standard-Handwerkszeug der Personaler. Die Bank of Switzerland etwa beschäftigt einen eigenen Hausgraphologen. In Deutschland dagegen setzt sich die Schriftanalyse als Instrument zur Personalentwicklung erst langsam durch. "In Deutschland ist der Ruf der Graphologie leider ziemlich schlecht", sagt Caspers. "Viele denken, das funktioniert so ähnlich wie Astrologie, doch Graphologie wird an Universitäten gelehrt." An der Ludwig-Maximilians-Universität in München etwa können Psychologen über mehrere Semester Graphologie studieren.

Gerade weil man aus der Schrift Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ziehen kann, sind so viele Menschen unzufrieden mit ihrer Klaue. Mittlerweile gibt es Coachings, in denen Trainer sich der Handschrift eines Menschen annehmen. Das Europäische Institut für Philographie in Düsseldorf etwa bietet eigens Kurse dafür an.

Die Schrift ist wie die Stimme

"Wir wollen die Handschrift unserer Kunden nur verbessern, nicht verändern. Das würde auch gar nicht funktionieren, denn die Schrift ist wie die Stimme: Sie kann nicht verwandelt, sondern nur geschult werden", erklärt die Gründerin des Instituts, Susanne Dorendorff.

Vor allem Geschäftsleute und Manager wenden sich an die Düsseldorfer Schule für Handschriften. "Bei vielen geht es darum zu lernen, wie man an einem Flip-Chart ordentlich schreibt", so Dorendorff. "Oft hören wir auch, dass Kunden Geschäftsbriefe per Hand schreiben und sich dafür verbessern wollen." Eine handschriftliche Nachricht wirke schließlich viel persönlicher als ein Serienbrief aus dem Computer.

Auch Dorendorff wehrt sich gegen den Vorwurf, die Verbesserung der Schrift oder ihre Analyse habe etwas mit Esoterik zu tun. "Sogar Menschen, die mit Schriften eigentlich gar nichts zu tun haben, ziehen doch sofort Rückschlüsse auf den Charakter, wenn sie eine Handschrift sehen", sagt sie. "Malt jemand verspielte Kringel als i-Punkt, entsteht beim Gegenüber doch sofort das Bild einer ganz bestimmten Persönlichkeit im Kopf."

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