Beruf Stewardess:"Saftschubse über den Wolken"

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"Trolley-Dolly" und "Luftkellner": Das Image der Stewardessen hat stark gelitten. Mit dem Streik bei der Lufthansa kämpfen sie nicht nur um Geld, sondern um ihre Ehre.

Julia Bönisch

"Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen", sang Reinhard Mey im Jahr 1974. So wie der Liedermacher träumten sich im vergangenen Jahrhundert viele Deutsche in die Lüfte: Flugreisen waren nur für ein exklusives Klientel bezahlbar. Wer sich einen Trip nach London oder gar in die USA leisten konnte, zählte zu den oberen Zehntausend.

Stewardessen der Lufthansa: Statt Freiheit und Grenzenlosigkeit erleben die Flugbegleiter Enge, Schlafmangel und die Häme der Passagiere. (Foto: Foto: dpa)

Dementsprechend war auch das Image der Stewardess: Die Flugbegleiterin war eine adrette, schlanke, junge Frau, stets höflich und zuvorkommend, gebildet - aber nicht zu sehr. Zwei Fremdsprachen sollten es schon sein für den begehrten Job, bei dem man seine Zeit mit Managern, Millionären und den feschen Herren im Cockpit verbringen durfte.

Kegelklubs auf die Kanaren

Zu Zeiten Reinhard Meys brauchten Bewerberinnen noch Abitur und mussten mindestens 1,70 Meter messen. Wer es als Crewmitglied in die Kabine eines Fliegers geschafft hatte, konnte sich auf dem Heiratsmarkt für höhere Töchter beste Chancen ausrechnen. Heute dagegen ist die Mindestgröße auf 1,60 Meter gefallen, den meisten Airlines reicht ein Realschulabschluss und mageres Schulenglisch, um Kegelklubs auf die Kanaren zu verfrachten. Gutbetuchte Herren lernt man auf solchen Flügen nicht mehr kennen.

Kaum ein Beruf hat in den vergangenen Jahrzehnten einen solchen Wandel durchgemacht wie der der Stewardess. Als im Jahr 2004 der Begriff "Saftschubse" sogar Aufnahme in den Duden fand, waren die Flugbegleiterinnen endgültig ganz unten angekommen. Andere, wenig schmeichelhafte Synonyme sind "Trolley-Dolly", "Notrutsche" oder "Kellner der Lüfte."

Graue Tabletts mit Plastikschälchen

"Unser Image ist alles andere als prickelnd", bestätigt Christian Mölke (Name von der Redaktion geändert), der seit insgesamt drei Jahren als Flugbegleiter bei der Lufthansa arbeitet. "Seitdem sich jeder einen Billigflieger leisten kann, werden wir darauf reduziert, graue Tabletts mit Plastikschälchen durch enge Gänge zu schleppen." Dabei sei der Beruf des Flugbegleiters alles andere als anspruchslos: "Wir sind in erster Linie für die Sicherheit der Passagiere zuständig."

Mit dem seit Montag dauernden Streik bei der Lufthansa wollen sich die Flugbegleiter nicht nur Geld, sondern auch einen Teil ihres Ansehens zurückerobern: Was nichts kostet, ist auch nichts, heißt es. Demnach können nach Unternehmenslesart die Stewardessen mit ihren 1415 Euro brutto, von denen nur 900 netto übrig bleiben, nicht allzu viel wert sein. Das wollen die Flugbegleiter ändern und endlich das bekommen, was sie verdienen.

Auf der nächsten Seite: Wie permanente Jetlags, ein Biorhythmus, der sich nicht zwischen München und Manila entscheiden kann und der ständige Lärm an die Substanz gehen.

Billige Arbeitskräfte aus Osteuropa

"Schließlich ist unser Beruf auch körperlich anstrengend", sagt Flugbegleiter Mölke. Permanente Jetlags, ein Biorhythmus, der sich nicht zwischen München und Manila entscheiden kann, ständiger Lärm, unregelmäßige Mahlzeiten und immer unbequeme Betten gehen auf die Dauer an die Substanz. "Trotzdem gönnen sie uns nur ein Minimum an Ruhezeit. Oft bekomme ich statt toller Städte nur ein kleines Hotelzimmer zu sehen."

Wenn die Lufthansa weiterhin so schlecht zahlt, so fürchtet Mölke, werde sie irgendwann ernste Nachwuchssorgen bekommen. Solche Strapazen nähmen bald nur noch billige Arbeitskräfte aus Osteuropa auf sich. "Die Lufthansa sucht ständig neues Frischfleisch, dass sie durch die Welt jagen kann. Wenn die Leute nach drei Jahren kaputt sind, stehen schon wieder Neue in den Startlöchern."

Keine Erholung in der Bordküche

Diese Wahrnehmung bestätigt auch Lufthansa-Flugbegleiter Simon Reimann, stellvertretender Vorsitzender der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO). "Es ist nur schwer möglich, in diesem Beruf alt zu werden. Dafür sind die Arbeitsbedingungen einfach zu schlecht." Deshalb geht für ihn die Forderung von Verdi nach 9,8 Prozent mehr Lohn noch lange nicht weit genug: Die UFO fordert 15 Prozent - und längere Ruhephasen, und einen eigenen Pausenbereich, den es in zahlreichen Fliegern gar nicht gibt. "In der Bordküche oder der letzten Reihe der Economy-Klasse zu sitzen, ist nicht besonders erholsam."

Statt Freiheit und Grenzenlosigkeit erleben die Flugbegleiter Enge, Schlafmangel und die Häme der Passagiere. Doch treffen die Prognosen der Wirtschaftsforscher zu und steigen die Energiepreise weiter, wird sich das Fliegen ohnehin so verteuern, dass sich nur noch ein kleiner, exklusiver Kreis ein Ticket leisten kann. Damit würden dann zwar weniger Stewardessen gebraucht, doch sie könnten den alten Status zurückgewinnen: von der Saftschubse zurück zur Prinzessin der Lüfte.

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