Beruf:Das Geschäft mit der Sicherheit

Lesezeit: 4 min

Selbstständige Versicherungsvermittler werden gesucht, doch viele Bewerber schreckt das Vertreter-Image ab.

Von Ingo Butters

Daniel Knauer ist ehrgeizig. Richtig ehrgeizig. Morgens paukt er an der Universität Düsseldorf für sein Diplom in Betriebswirtschaftslehre. Nachmittags arbeitet er für den Baufinanzierer BHW. Der 26-Jährige berät Kunden zu Themen wie Baufinanzierung, Altersvorsorge, Anlagemöglichkeiten. Im besten Fall vermittelt er Fonds, Lebensversicherungen oder Bausparverträge. Früher hätte man ihn wohl Versicherungsvertreter genannt. Doch dieses Wort benutzt in der Branche heute keiner mehr. Man spricht von Versicherungsvermittlern, Vorsorgeberatern oder Finanzmanagern.

"Die Zeit des Klinkenputzens ist vorbei", sagt Daniel Knauer. Telefonbücher hat er noch nie abtelefoniert, und von Tür zu Tür zu laufen ist ohnehin nicht sein Ding. Die Kunden kommen in sein Büro. "Das ist mir wichtig. Ich möchte gegen den schlechten Ruf anarbeiten." Bei der Suche nach potenziellen Kunden helfen ihm Empfehlungen, selbst organisierte Gewinnspiele oder After-Work-Partys. Da fragt er dezent nach, wie es denn mit der finanziellen Absicherung aussieht. Bei Bedarf bietet er ein Beratungsgespräch an. "Man muss für diesen Job auf Menschen zugehen können. Scheu sein geht nicht."

Enormer Druck

Außerdem sollte man belastbar sein. Ein Zehn-Stunden-Tag - neben dem Studium - und Samstagsarbeit sind die Regel. Schließlich arbeitet Daniel Knauer auf selbstständiger Basis. So wie die meisten der mehr als 400.000 Versicherungsvermittler in Deutschland. "Der Druck ist enorm. Wenn ich abends ins Bett gehe, plane ich den nächsten und übernächsten Tag. Abschalten wäre eine Katastrophe." Für viele Bewerber ist das ein Problem. Und damit auch für die Versicherungsbranche. Die sucht vor allem für den ständig wachsenden Bereich der privaten Vorsorge Nachwuchskräfte im Außendienst. Und zwar qualifizierte.

Um im Dickicht zwischen Riester- und Rürup-Rente, Rentenbesteuerung und Renditeerwartungen den Durchblick zu behalten, wird neben den klassischen Vertreter-Qualitäten Hartnäckigkeit, Eigenmotivation und Kommunikationsfähigkeit eines ganz besonders wichtig: Fachwissen. Eine EU-Richtlinie, die im kommenden Jahr in nationales Recht umgesetzt werden muss, sieht das sogar zwingend vor: Versicherungsvermittler, die nach dem September 2000 in den Beruf einsteigen, müssen ihr Know-how künftig nachweisen können.

Hartes Pflaster Außendienst

Die Rekrutierung qualifizierter Mitarbeiter wird da zur Herausforderung. "Gerade Bewerber, die aus einem scheinbar sicheren Angestelltenverhältnis kommen, haben oft Angst vor der Selbstständigkeit", sagt Lorenz Semper, Leiter der BHW-Vertriebsakademie. Hier absolvieren jährlich bis zu 500 neue Außendienstmitarbeiter mehrwöchige Einsteiger-Kurse. "Die Zusammenarbeit mit neuen Vermittlern soll nicht an der finanziellen Sicherheit scheitern", sagt Semper. Eine Lösung: Mindestauszahlungen in der Startphase. Unabhängig davon, ob sie auch tatsächlich Abschlüsse und damit verbundene Provisionsansprüche erzielen, erhalten sie einen monatlichen Fixbetrag. "Das Ziel ist natürlich, ein Gleichgewicht zu erreichen. Ergibt sich ein Minus, kann das über die nächsten Monate abgebaut werden."

Der Außendienst einer Versicherung oder eines Finanzdienstleisters ist ein hartes Pflaster - und wird es auf absehbare Zeit auch bleiben. Zwar konnte die Branche im vergangenen Jahr ihre Einnahmen um fast vier Prozent auf 147 Milliarden Euro steigern, bei leicht sinkenden Ausgaben und Aufwendungen für Schadensfälle. Doch trotz stetig wachsenden Volumens im Bereich der Personenversicherungen, etwa der privaten Kranken- und Rentenversicherungen, steigt der Kostendruck. Schuld ist vor allem der schwächelnde Kapitalmarkt.

Weil Aktien und Wertpapiere zurzeit nur wenig Gewinne abwerfen, rücken die Versicherungen ihr eigentliches Kerngeschäft - das Verkaufen und Vermitteln von Policen und Verträgen - wieder stärker in den Fokus ihrer Aktivitäten. Das hat zum einen Auswirkungen auf die Provisionen der Vermittler: Sie sind in der letzten Zeit leicht gesunken. Außerdem versuchen die Unternehmen, sich ein Stück des vielversprechenden Sektors der Personenversicherungen zu sichern. Je mehr sich der Staat aus der Für- und Vorsorge seiner Bürger zurückzieht, desto stärker müssen diese sich um private Absicherung kümmern.

Das Problem: So richtig wollen die Deutschen noch nicht. Der Bereich wächst stetig - aber er boomt noch nicht. "Kunden kommen in der Regel nicht auf uns zu und sagen: Ich brauche eine Lebensversicherung", sagt Stefan Alfred Gronbach, Vertriebsvorstand des fränkischen Versicherungskonzerns HUK-Coburg. Das Unternehmen ist bisher vor allem im Bereich der Sachversicherungen, beispielsweise Haftpflicht- oder Autoversicherungen bekannt. Nun möchte man bei den Personenversicherungen noch stärker Fuß fassen. "Wir müssen Bedarfsweckung betreiben. Für uns ist das ein großer Schritt." Dafür hat die HUK-Coburg in den vergangenen drei Jahren rund 130 Vorsorgeberater und -beraterinnen engagiert, die das Geschäftsfeld besser erschließen sollen. Auf Angestelltenbasis. "Es ist prinzipiell schwierig, qualifizierte Mitarbeiter für den Vertrieb zu finden. Viele Bewerber werden durch das tradierte Drückerkolonnen-Image abgeschreckt. Dem wollten wir damit begegnen", sagt Gronbach. "Die Entscheidung für ein Angestelltenverhältnis haben wir sehr bewusst getroffen."

Ein Angebot für Vorsichtige

Für die 27-jährige Silke Rau, seit Januar eine der Vorsorgeberaterinnen, war dies das entscheidende Kriterium. "Auf freiberuflicher Basis hätte ich das nicht gemacht. Finanzielle Sicherheit ist mir wichtig." Silke Rau bringt sechs Jahre Erfahrung im Außendienst einer Krankenversicherung mit. Außerdem ein Kind und einen Mann. "Ich wollte nach der Babypause wieder in den Job einsteigen und das mit meiner Familie verbinden." Nun arbeitet sie 16 bis 25 Stunden pro Woche und berät Mitbürger in Sachen privater Vorsorge. Die Termine dafür werden vorher durch die HUK-Coburg vereinbart. "Ich wollte keine Kaltakquise machen", sagt Silke Rau.

Nach einem siebenwöchigen Lehrgang hat sie die Einarbeitungsphase nun überstanden. "Seit etwa einem Monat beginne ich richtig Geld zu verdienen." Ihr Monatsgehalt ist eine Art finanzieller Grundstock. Wenn ihre Provisionsansprüche diese Basis übersteigen, bekommt sie eine Nachzahlung. Umgekehrt gilt dieser Automatismus nicht.

Doch Silke Rau ist klar: Einspielen muss sie ihr Gehalt auf Dauer schon. "Man braucht dafür natürlich ein gewisses Selbstbewusstsein. Aber ich weiß dann auch, dass ich mir meine Erfolge selber erarbeitet habe."

© SZ vom 24.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: