Berlin:Mit der Kunst am Ende

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Alles blickt auf die drei großen Universitäten - doch auch den Berliner Kunsthochschulen droht Dramatisches.

Daniel Staffen

(SZ vom 20.5.2003) Hochschulen, die nicht einen neuen Studenten mehr aufnehmen wollen; Präsidenten, die zu Protesten vor Parteitagen aufrufen; Professoren und Studenten, die im Dauerregen öffentliche Vorlesungen abhalten; ein Regierender Bürgermeister, der gegen alle Beschlusslagen Studiengebühren vom ersten Tag an fordert; ein Finanzsenator schließlich oder vielmehr zuerst, der immer neue Daumenschrauben ansetzt: Die Berliner Hochschullandschaft gleicht in diesen Wochen einem Tollhaus.

Die Blicke richten sich dabei fast immer auf die drei großen Universitäten. Doch auch die anderen Hochschulen der Hauptstadt stehen vor drastischen Einschnitten - in ihrer Größenordnung zwar geringer, in ihren Auswirkungen aber ebenso verheerend wie an der Humboldt-, der Freien und der Technischen Universität.

40 Millionen Euro weniger

Auch die drei kleinen Ost-Berliner Kunsthochschulen - die Kunsthochschule Berlin-Weißensee für Gestaltung (KHB), die Hochschule für Musik "Hanns Eisler" und die Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" - sowie die Universität der Künste (UdK) sollen kräftig sparen.

Wenn im Jahre 2006 die neuen Hochschulverträge zwischen dem Senat und den akademischen Einrichtungen in Kraft treten, sollen ihnen 40 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen. So zumindest will es Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD).

Bislang können die vier Hochschulen zusammen jährlich 78 Millionen Euro ausgeben. Fiele davon praktisch die Hälfte weg, wären die Folgen dramatisch: Jeder zweite Studienplatz müsse gestrichen werden, heißt es. Eben dies hat der Finanzsenator Anfang April seinem Wissenschaftskollegen Thomas Flierl von der PDS auch schon schriftlich vorgeschlagen. Die Stadt habe überdurchschnittlich viele Kunststudienplätze, schon deshalb sei ein deutlicher Abbau gerechtfertigt. "Berlin kann die Ausbildung in diesem kostenintensiven Bereich nicht länger für andere Bundesländer mitfinanzieren", befand Sarrazin.

Der Wissenschaftssenator sieht die Sache anders. Zwar müssten auch Berlins Hochschulen ihren Beitrag zur Konsolidierung der Finanzen des Landes erbringen, bekundet Flierl tapfer. Die geplanten Einsparungen würde jedoch "faktisch die Schließung der drei kleinen Berliner Kunsthochschulen" und die Aufgabe vieler Studienplätze an der Universität der Künste bedeuten.

Diktat statt Vertrag

Namentlich den drei kleinen Kunsthochschulen im Ostteil der Stadt droht freilich schon vor den neuen - und noch gar nicht ausgehandelten - Hochschulverträgen finanzielles Ungemach. Bereits in den beiden kommenden Jahren sollen sie finanzielle Einbußen hinnehmen, geregelt in einem eigenen Hochschulvertrag, der den Kunsthochschulen an sich vor allem mehr Planungssicherheit geben soll, wie die Kanzlerin der KHB, Silvia Durin, erklärt. Bislang sind die kleinen Kunsthochschulen wie normale Schulen an den Senat angegliedert.

Zwar will die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur offiziell nicht bestätigen, dass es einen solchen Sondervertrag mit den drei Kunsthochschulen geben soll. Ein erster Vertragsentwurf wurde KHB-Kanzlerin Silvia Durin jedoch bereits in der letzten Woche vorgelegt. Und auch eine Einsparsumme wurde ihr zumindest mündlich genannt. "Im nächsten Jahr sollen die drei kleinen Kunsthochschulen zusammen mehr als 331.000 Euro einsparen, 2005 nochmals 145.000", sagt Durin.

Auch diese Zahlen will die Verwaltung nicht bestätigen. Für Rainer W. Ernst, Rektor der KHB, steht indes schon fest: "Das wäre kein Vertrag, sondern ein Diktat. Unter solchen Umständen kann unsere Schule nicht weiter bestehen." Von den 50 Planstellen für Lehrende könnten so nur noch 39,5 finanziert werden, was umso gravierende Folgen hätte, als die 550 Studienplätze zunächst komplett erhalten bleiben sollen. "So etwas ist nicht mehr nur bedrohlich, das ist vernichtend", findet auch Kanzlerin Durin.

Würde es wirklich so weit kommen, wären damit nach Ansicht der Hochschulen auch die Empfehlungen einer hochrangigen Expertenkommission torpediert, die Wissenschaftssenator Flierl selbst eingesetzt hatte. Das Gremium unter der Leitung von Erich Thies, dem früheren Berliner Wissenschaftsstaatssekretär und jetzigen Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, hatte zwar Umschichtungen und auch die Schließung einzelner Studiengänge wie etwa der Architektur in Weißensee angeregt - insgesamt aber gefordert, dass die drei kleinen Kunsthochschulen grundsätzlich erhalten bleiben sollten.

Auf die Expertenkommission beruft sich nun auch Klaus Völker, der Rektor der Hochschule für Schauspielkunst: "In dem Gutachten der Experten steht ausdrücklich, dass die Kunsthochschulen bereits bis an die Grenze der Vertretbarkeit gespart haben. Nimmt man uns jetzt noch mehr weg, zerstört man etwas."

Einer der vier Studiengänge müsse bei den geplanten Einsparungen in jedem Fall gestrichen werden, warnt Völker. Und gibt dem Finanzsenator einen ebenso unprofessoralen wie unmissverständlichen Rat: "Er müsste dazu verdonnert werden, die Klappe zu halten. Das geht ihn gar nichts an und schadet nur unseren Hochschulen unglaublich."

Schaden für die Republik

Mit Empörung oder dem peniblen Vorrechnen von gefährdeten Studienplätzen und Planstellen wollen es die Kunsthochschulen freilich nicht bewenden lassen. Gerade in diesen Tagen sind sie vielmehr bemüht, ihren größten Trumpf in die Waagschale zu werfen - ihren fachlichen Ruf. Der ist tatsächlich ausgezeichnet.

Erst kürzlich etwa zählte ein amerikanisches Fachmagazin die Kunsthochschule für Gestaltung in Weißensee zu den sechs besten Design-Hochschulen weltweit. Und das Lehrangebot der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" liest sich seit je her wie ein Who is Who weltberühmter Musiker und Sänger.

"Mit den drei Kunsthochschulen würden wichtige kulturelle Attraktionen untergehen", lenkt denn auch KHB-Rektor Ernst den Blick auf das große Ganze: "Und dies wäre ein enormer Schaden, nicht nur für Berlin, sondern für die ganze Republik."

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