Ausscheiden aus dem Beruf:Wider den Rentnertod

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Manche Arbeitnehmer buckeln jahrelang, gehen spät in Rente oder werden arbeitslos - und sterben wenig später. Schuld ist das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden.

Früher sprach man vom "Rentnertod": Die Leute buckelten jahrzehntelang, gingen dann endlich mit 65 Jahren in Rente - und fielen wenige Monate später tot um. "In früheren Zeiten war das ein viel größeres Problem", sagt Uwe Kleinemas, Geschäftsführer des Zentrums für Alternskulturen in Bonn.

Rentner: Ein unfreiwilliger Übergang in den Ruhestand ist nicht gut für die Gesundheit. (Foto: Foto: ap)

Dank der veränderten Arbeitsbedingungen seien die Menschen heute in der Regel am Ende ihres Berufslebens körperlich noch nicht so verbraucht. "Viele haben ein ganz anderes Problem: Sie wollen noch arbeiten, dürfen aber nicht." Und das kann ebenfalls krank machen. Wer sich richtig auf den Ruhestand vorbereitet, steht deutlich besser da.

Unfreiwilliger Übergang

Grundsätzlich ist der Übergang in den Ruhestand kein Risikofaktor für die Gesundheit. Die Menschen werden in dieser Lebensphase nicht häufiger krank und haben kein größeres Sterbersiko, ergab eine Expertise des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA) in Berlin, für die verschiedene Studien ausgewertet wurden. Das gilt allerdings nur, wenn der Übergang in den Ruhestand während eines gesellschaftlich akzeptierten Altersbereichs vollzogen wird - also im als üblich angesehenen Alter zwischen 60 und 65 Jahren.

Anders sieht es aus, wenn jemand mit 50 Jahren in den Ruhestand geht oder am Ende des Berufslebens arbeitslos wird. Die Studien zeigten, "dass ein früher und unfreiwilliger Übergang in den Ruhestand mit Einbußen der körperlichen und psychischen Gesundheit einhergeht", so die Experten.

Verlust von Kontakten, Strukturen und Aufgaben

Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen. "In der Gesellschaft existieren Vorstellungen davon, was man mit welchem Alter tun sollte", sagt Clemens Tesch-Römer, Leiter des DZA. Dazu gehöre die Vorstellung, dass man mit 65 und eben nicht mit 50 in den Ruhestand geht. Die Wahrnehmung, jetzt zum alten Eisen zu gehören und nicht mehr gebraucht zu werden, "hat wahrscheinlich gesundheitliche Auswirkungen".

Es gibt zwei Blickweisen auf das Rentnerdasein, erklärt Tesch-Römer. Nach der einen ist der Ruhestand die große Freiheit, in der die Rentner endlich den Strapazen des Arbeitslebens entkommen sind. Nach der anderen bedeutet die Verrentung den Verlust von Kontakten, Strukturen und Aufgaben. Empfinden Menschen den Austritt aus dem Berufsleben als Verlust und überwiegt bei ihnen die negative Sicht auf die Rente, steigt ihr Risiko, gesundheitliche Probleme zu bekommen, erklärt der Alternsforscher. Häufig Folgen seien Niedergeschlagenheit und Depressive Verstimmungen, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

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Gefühl von Leere und Nutzlosigkeit

Der Rentnerschock könne aber auch Menschen treffen, die zwar wie vorgesehen mit 65 Jahren ausscheiden, die sich über die Rente aber nie Gedanken gemacht haben, sagt Arthur Günthner, Chefarzt der Fachklinik Eußerthal (Rheinland-Pfalz): "Die haben sich nicht adäquat vorbereitet und fallen in ein Loch." Mit der neuen Situation klar zu kommen, sei für diese Menschen eine große Belastung. Es könne zu Stressreaktionen und in der Folge zu Stresskrankheiten kommen.

Daneben seien noch andere Erklärungen denkbar, etwa, dass Krankheitssignale wegen großer Belastungen im Job nicht wahr- oder ernstgenommen wurden. "Im Ruhestand haben die Leute dann mehr Zeit, auf so etwas zu achten, es kommt zu einer Aufmerksamkeitsverschiebung", erklärt Günthner, der zum Thema Stressbewältigung geforscht hat.

Kommt das Gefühl von Leere und Nutzlosigkeit dann mit körperlichen Beschwerden zusammen, kann ein Teufelskreis entstehen, warnt Uwe Kleinemas. "Die Leute konzentrieren sich auf ihre Krankheiten und sitzen ständig beim Arzt, weil sie sonst nichts anderes haben."

Schließlich spielt auch eine Rolle, ob sich Rentner gesundheitsbewusst verhalten. In der Regel gebe es diesbezüglich keine Verbesserung, so das DZA. Zwar steige der Anteil derjenigen, die als Rentner anfangen, Sport zu treiben. Dafür fielen körperliche Arbeiten im Job weg. Und viele Rentner gingen in die Breite, weil sie mehr essen.

Immer Dazulernen

Was können Menschen nun tun, damit sie bei bester Gesundheit alt werden? Laut Clemens Tesch-Römer zählen vor allem drei Faktoren: sich rechtzeitig auf die Rente vorbereiten, sich dann gesundheitsbewusst verhalten und noch etwas dazulernen. "Geistige Anregungen etwa durch Fort- und Weiterbildungen sind im Ruhestand ganz wichtig. Da kann man einiges tun."

Uwe Kleinemas rät, sich schon während des Berufsleben soziale Kontakte außerhalb des Jobs zu suchen. "Wer viele Kontakte hat, kommt besser mit dem Übergang zurecht." Außerdem sollten sich Beschäftigte frühzeitig darüber Gedanken machen, wie sie ihren Ruhestand gestalten wollen, sagt Kleinemas.

Inzwischen gebe es zum Beispiel mehr und mehr Freiwilligenangebote, bei denen große Kompetenz gefragt ist. "Das Leben im Dauerurlaub bekommt jedenfalls keinem gut."

© dpa/Carina Frey - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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