Aufruhr im Studenten-Netz:Aus der Spaß

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Entsetzen in der größten Studentengemeinde im deutschen Web: Der Firmengründer hat "Mist" gebaut, manche Mitglieder fühlen sich hintergangen.

Jürgen Schmieder und Nicola Holzapfel

"Fragen zu studiVZ? Klarheit im Blog" lockt ein Link auf der Webseite "Das Studiverzeichnis", einem virtuellen Studentennetzwerk. Zurzeit ist das Interesse an diesem Angebot enorm. Denn studiVZ musste in den vergangenen Tagen derart heftige Kritik einstecken, dass selbst seine sonst so sorglosen Nutzer hellhörig werden.

(Foto: Foto: screenshot studiVZ/sueddeutsche.de)

Dabei könnte alles so schön sein. Aus der Idee dreier Jungspunde, in Deutschland eine Kontakt-Plattform für Studierende nach dem Vorbild von facebook.com zu gründen, schien eine Erfolgsstory zu werden. Das Millionste Mitglied hat studiVZ kürzlich angeblich begrüßt. Im deutschen Web ist es momentan das größte Netzwerk für Studenten.

Doch statt Feierlaune herrscht Krisenstimmung: Ehssan Dariani, einer der Firmengründer, wird von Bloggern, vor allem der Community-Größe DonAlphonso, heftig gebasht. Denn er hat, seinen eigenen Worten zufolge, "Mist" gebaut. Und negative Meldungen verbreiten sich im Internet rasanter als Grippeviren in der Sauna.

Aufgefallen ist Dariani unter anderem mit einer gewagten Party-Idee. Bereits vor Monaten sicherte er sich die Domain www.voelkischerbeobachter.de. Auf dieser Seite fand sich eine Einladung zu einer Party im Stile der Nazizeitung:

"Kampfblatt der Vernetzungsbewegung Europas" hieß es im Untertitel, man solle "feiern bis zum letzten Mann". Eine Parodie, wurde schnell versichert. Dariani stilisierte sich jedoch in seinem Blog zum Helden und erklärte, dass er im Dritten Reich für diese Satire im KZ gelandet wäre.

Viele Internet-User sahen das freilich anders. "Geschmacklos" war noch eine milde Kritik. Vielmehr vermuten die Nutzer, Dariani könnte tatsächlich mit Nazi-Gut infiltriert sein. Denn anstatt sich einfach für die Parodie zu entschuldigen, schrieb Dariani in seinem Weblog einen Kommentar zur deutschen Identität und Geschichte.

Angesichts der Kritikflut sah sich das Unternehmen nun offenbar zu einem gewagten Schritt nach vorne gezwungen. Im studiVZ-Blog schrieb Dariani einen offenen Brief. Titel: "Fehler und Verantwortung". Hier entschuldigt sich der Netzwerker für all das, was öffentlich schlecht angekommen ist - von der Party-Einladung bis hin zur verfehlten Informationspolitik.

Die Aufregung ist groß. Mitglieder, die auf studiVZ bislang klag- und fraglos sämtliche persönlichen Daten von sich preisgaben - von den amourösen bis zu den politischen Vorlieben, fragen sich plötzlich, wem sie sich da anvertraut haben. "Was wird aus unseren Daten, wenn Ihr verkauft?", kommentiert ein Nutzer das Bekenntnis. Ein anderer schreibt: "Ich habe mich abgemeldet". Manche zweifeln an der Aufrichtigkeit des Unternehmens: "Das glaubt dir kein Mensch", "Das hast du doch nicht selbst geschrieben."

Fans loben Dariani dagegegen: "Hut ab, vor so viel Mut" oder auch: "Jetzt hast Du eine Menge gelernt für die Zukunft - schmerzhaft zwar, aber so ist's wohl im Leben."

Das Unternehmen will offenbar beweisen, dass es die Entschuldigung ernst meint. Inzwischen wurden auch die Namen der Investoren veröffentlicht. Darunter ist die Holtzbrinck-Gruppe und die Webgoldgräber Samwer, die schon mit Online-Auktionen und dem Klingelton-Anbieter Jamba gezeigt haben, wie sich im Internet Geld verdienen lässt.

Die neue Offenheit kommt nicht bei allen Mitgliedern an. "Ich war schockiert als ich erfahren habe, dass die Samwer-Brüder involviert sind", heißt es dann oder: "Wie kann man hier denn wieder kündigen?".

Doch wie immer man Darianis Verhalten und seine späte Reue einschätzen mag, eines muss man ihm lassen. Unfreiwillig hat Ehssan Dariani mit dem Skandal seiner Community eine neue Perspektive eröffnet: Ganz plötzlich ist in den fröhlich freien Studentenspaß eine Spur Nachdenklichkeit eingezogen.

Dass das so bleibt, dafür sorgen die Verkaufsgerüchte von studiVZ. Angeblich steht Facebook Schlange. Die Investoren aber freuen sich sicherlich nicht über den Skandal. Ihre Lust am Studien-Objekt dürfte schwinden. Denn: Der Kaufpreis für diese Unternehmung dürfte sich nach diesem Lapsus im Sinkflug befinden. Was wiederum den mutmaßlichen Interessenten Facebook erfreuen dürfte.

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