Aufbaustudium:Hinterm Horizont geht's weiter

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Innovationsmanager sollen als kreative Schaltstelle in der Firma fungieren und ständig neue Ideen entwickeln.

Chris Löwer

(SZ vom 10.5.2003) Michael Herrlich weiß genau, wie dem siechen Standort Deutschland zu helfen wäre. "Wir müssen wieder zu einer Erfinder-Nation werden, nur so können neue Arbeitsplätze entstehen", sagt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Erfinder-Akademie.

Das Leipziger Institut bildet so genannte Innovationsmanager aus und führt diese in die Geheimnisse "des niveauvollen Erfindens" im Allgemeinen und "die Gesetzmäßigkeiten der internationalen Bedürfnis- und Technikentwicklung" im Besonderen ein. "In unseren Seminaren lernt man, wie man neue Lösungen findet und sie gewinnbringend umsetzt", sagt der Diplom-Ingenieur.

Chancen für Nichtsnutze

Damit liegt Herrlich im Trend. In den USA hat die neue Innovationskultur zumindest zu einer Fülle neuer Berufsbezeichnungen geführt, etwa: Agent for Complexity, Innovation Agent, Chief Evolution Organizer, Chief Envisioner, Enlightenment Specialist - oder gar Irritation Manager.

Die Fachkraft für Irritationen ist eine Idee des Management-Professors Robert Sutton. Er propagiert, absichtlich "nichtsnutzige Leute" wie Sturköpfe, Sonderlinge und Störer einzustellen, damit diese an der Kreativität des möglicherweise arg selbstzufriedenen Personals kitzeln. Sutton, der an der kalifornischen Stanford-Universität lehrt, berät unter anderem IBM und Hewlett-Packard in Sachen Innovationsmanagement und schwört auf die Kraft des Unkonventionellen.

Professionelle Ideenfinder

Auch in Deutschland soll Innovationsmanagement den Firmen einen Weg aus der Wirtschaftsmisere weisen, nachdem alle Einsparungen nicht den gewünschten Effekt gebracht haben. Unternehmen wie BMW, DaimlerChrysler, Hailo, Lufthansa und Siemens setzen schon seit längerem auf die kreativen Köpfe, die in rascher Folge neue Produkt- und Service-Ideen ersinnen und durchsetzen sollen.

Dazu braucht es nicht nur kollektive Brainstormings am laufenden Band, sondern ausgedehnte Recherchen im Internet und in der Patentliteratur, Kontaktpflege zu Forschungseinrichtungen und Besuche auf Erfindermessen.

Außerdem koordiniert der professionelle Ideenfinder das betriebliche Vorschlagswesen und veranstaltet, wie etwa bei BMW, hauseigene Innovationsmessen. Manchmal muss der Innovationsmanager auch als Stratege neue Geschäftsfelder sondieren und erschließen. Das ist ein Job für Leute mit Expertenwissen, gepaart mit gutem Spürsinn. Bei BMW werden darüber hinaus Kreativ-Agenturen angezapft, und Trendscouts aus den USA und Japan liefern Denkanstöße.

Mittler zwischen den Welten

Zunehmend greifen Unternehmen auch auf externe Hilfe zurück. Etwa auf Jan Göpfert und Carl Pawlowsky, Geschäftsführer der Münchner Firma iD consult, die zum Beispiel bei der Neugestaltung des Cockpits für die C-Klasse bei DaimlerChrysler zwischen Vertrieb, Entwicklern, Kaufleuten und der Fertigung vermittelt haben. "Es geht nicht immer darum, mehr Innovationen zu schaffen, sondern vor allem darum, sie durchzusetzen. Die Lehre aus der New Economy ist doch, dass die optimale Innovationsgeschwindigkeit nicht die maximale ist", erklärt Pawlowsky.

Eine Idee zu früh auf den Markt zu bringen, könne manchmal schädlicher sein als zu spät. Daher gelte: "Unsere Aufgabe ist es, aus vielen Ideen die richtige auszuwählen und diese dann durchzusetzen", sagt Göpfert, "mit einem genialen Kopf allein ist es noch nicht getan."

Es gäbe allerdings auch Unternehmen, bei denen die Innovationsmanager zunächst nur auf Stillstand träfen. Dann sei es ihre Aufgabe, Kreativitätstechniken einzuführen, um den Gedankenfluss erst einmal in Gang zu setzen.

Innovationsmanagement studieren

Die beiden Münchner verstehen sich als Mittler zwischen den Welten, zwischen Markt und Technik. So ist Göpfert promovierter Wirtschaftsingenieur, sein ebenfalls promovierter Kompagnon ist Kaufmann und Physiker. Damit entsprechen sie dem gängigen Anforderungsprofil: Ingenieure, Naturwissenschaftler und Wirtschaftsinformatiker werden bevorzugt eingestellt.

Umso besser, wenn man einen Aufbaustudiengang zum Innovationsmanager absolviert hat, wie ihn die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, die Universität Kiel oder die Fachhochschule Brandenburg anbieten.

In Brandenburg lernen die angehenden Innovationsmanager zunächst, zwischen Technikern und Kaufleuten zu vermitteln, die allzu oft nicht miteinander klarkommen. "Diese Schnittstellen-Defizite sollen durch das Studium abgebaut werden, denn da liegt der Einsatzschwerpunkt für den Technologie- und Innovationsmanager", sagt die Wirtschaftsprofessorin Bettina Burger-Menzel. Außerdem werden strategisches Technologie-, Innovations- und Projekt-Management sowie industrielles Marketing gelehrt.

"Dadurch eröffnen sich vielfältige berufliche Perspektiven. Etwa der Einstieg ins mittlere Management von Konzernen, in verantwortliche Positionen bei mittelständischen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, eine Tätigkeit bei Beratungsunternehmen oder Einrichtungen der Wirtschaftsförderung", sagt Bettina Burger-Menzel. Die Kreativen fänden sich aber auch im technischen Marketing, im Produktmanagement und technischen Controlling wieder.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich die Mühe des Aufbaustudiums lohnt. "Wir wissen aufgrund des Zulaufs und der anschließenden guten Beschäftigungsaussichten, dass ein hoher Bedarf an diesen Kräften besteht", sagt die Volkswirtschaftlerin. Der ideale Bewerber für den Studiengang hat bereits ein Diplom als Ingenieur, Naturwissenschaftler oder Informatiker in der Tasche. Wünschenswert seien erste Berufserfahrung und gute Fremdsprachenkenntnisse. Abgeschlossen wird die Ausbildung mit dem hübschen Titel "Master of Science in Innovation Management".

Pflicht für das angehende Innovationspersonal sind analytisches und konzeptionelles Denken, Teamfähigkeit, BWL- und Branchenkenntnisse, verhandlungssicheres Englisch - und natürlich Kreativität. "Wichtig sind außerdem sehr gute Moderationsfähigkeiten und eine hohe Frustrationstoleranz, da man sich in viele Themen einarbeitet, um dann festzustellen, dass die Idee in eine Sackgasse führt", sagt Consultant Jan Göpfert. Was heute noch etwas exotisch klingt, wird womöglich bald so selbstverständlich sein wie der Posten eines Produktmanagers.

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