Arbeitszeit:Kampf dem Urlaub

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24 Tage Ferien, das muss reichen: Wo es keinen Tarifvertrag gibt, können Firmen mit ihren Arbeitnehmern den Urlaubsanspruch aushandeln - und ihn senken.

Die Diskussion unter Politikern und Wirtschaftsbossen über mehr Arbeit und weniger Urlaub läuft heiß. Millionen Arbeitnehmer können darüber nur müde lächeln: Ein schleichender Abbau von Urlaubstagen ist längst im Gange. Statt fetter Ansprüche auf 30 bezahlte Erholungstage und mehr liegen Verzicht und Rückbau im Trend, bis runter zum gesetzlich festgeschriebenen Mindesturlaub von 24 Werktagen - vor allem in Ostdeutschland sowie in kleineren Firmen abseits aller Tarifverträge.

Von fünf, sechs Wochen bezahlter Freizeit können Beschäftigte in strukturschwachen Gebieten, in Branchen und Firmen mit frei aushandelbaren Urlaubsregelungen im Arbeitsvertrag vielerorts nur träumen. Schreibt kein Tarifvertrag die Zahl der Erholungstage fest, setzen Arbeitgeber in den Einzelverträgen immer öfter den Rotstift an - und drücken damit ihre eigenen Kosten.

"Nur als Beispiel: In kleinen Copy-Shops, in jungen Computer-Firmen oder auch Kanzleien im Osten gibt es häufig nur noch den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen", betont Andrea Erdmann-Leichsenring, Arbeitsrechts-Spezialistin einer Anwaltskanzlei in Berlin.

Laut Bundesurlaubsgesetz stehen jedem Arbeitnehmer wenigstens 24 Werktage (oder 20 Arbeitstage) zu. Das muss reichen - so laute inzwischen die Devise vieler Arbeitgeber, wenn sie neues Personal einstellten, weiß die Juristin aus der täglichen Praxis.

"Je schwieriger die Arbeitsmarktlage, desto eher sind die Menschen bereit, sich vom Arbeitgeber beim Urlaub herunterhandeln zu lassen", umreißt der Hamburger Arbeitsrechtler Harald Schwamborn die Lage. Dass ein Neuzugang in kleinen Firmen ohne Tarifvertrag spürbar weniger Urlaub kriege als Kollegen, die schon länger dabei sind, sei keine Seltenheit. "Wer einen Job braucht, fängt nicht das Feilschen um ein paar Urlaubstage mehr oder weniger an", so auch die Erfahrung der Berliner Anwältin.

"Durch Mini-Jobs wird der Urlaubsanspruch ja auch schon unterlaufen", berichtet Gert Wagner, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Das gleiche Los teilten viele andere geringfügig oder kurzfristig Beschäftigte.

Anspruch verfallen

Im Trend liegt offensichtlich auch der Verzicht auf bereits zugesagte Erholung, häufig aus Furcht den Arbeitsplatz zu verlieren. Die Deutschen lassen regelmäßig einen Teil ihres Urlaubsanspruchs komplett verfallen, wie Wirtschaftsforscher Wagner herausfand. Fast jeder Dritte nehme weniger Erholung als ihm vertraglich zustehe. Von 28 Tagen ließen Arbeitnehmer durchschnittlich zwei ganze Tage sausen, so die DIW-Studie, die sich auf das Jahr 1999 bezog - nach vorläufigen Zahlen aus 2003 aber umso aktueller ist, wie Wagner erklärt. Allein in Mecklenburg-Vorpommern würden 2004 schon mehr als eine Million Urlaubstage nicht genommen, schätzt DBG-Nord-Chef Peter Deutschland. Die Beschäftigten stünden unter Druck.

Je größer der Betrieb, desto kleiner die Neigung, auf bezahlte Freizeit zu verzichten, so die Studie weiter. In großen Firmen und in vielen Branchen sind nach wie vor üppige Urlaubsregelungen von durchschnittlich 30 Tagen üblich, festgezurrt in Tarifverträgen.

Doch auch hier stehen die Ansprüche immer öfter auf dem Prüfstand. In Tarifgesprächen wird immer vehementer um den Erhalt gerungen. Sind die Urlaubstage per Tarifvertrag einmal besiegelt, kann kein Arbeitgeber ohne weiteres daran herumstreichen, wie Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), erklärt.

Bei Einzelverträgen sieht es etwas anders aus: Da kann der Chef versuchen, den individuellen Anspruch mit einer Änderungskündigung nachträglich herunterzufahren. Weniger Urlaub oder wackeliger Job? Selbst wenn der Betroffene gute Karten vor Gericht habe, werde er angesichts der miesen Arbeitsmarktlage in den meisten Fällen zähneknirschend unterschreiben, weiß Schwamborn. Und Perrengs Erfahrung ist, dass mit solchen "Drohungen" inzwischen immer öfter gearbeitet wird.

© AP, von Berrit Gräber - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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