Arbeitsrecht:Auch kleine Sünden kosten den Job

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Kugelschreiber, Druckpapier: Selbst wer Kleinigkeiten mitgehen lässt, riskiert die Kündigung.

Wolfgang Büser

Wenn es um Diebstahl im Betrieb geht, beschäftigen sich die deutschen Arbeitsgerichte oft auch mit kleinen Dingen: Mal tragen Arbeitnehmer Kugelschreiber oder Druckerpapier, mal Schnaps oder Cremeproben in ihren Taschen aus der Firma. Fällt der Dieb auf, kann auch die geringwertigste Ware zur fristlosen Kündigung führen. Allerdings urteilen die Arbeitsrichter sehr unterschiedlich - wie die folgende Übersicht von Gerichtsentscheidungen zeigt.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Die Angestellte eines Warenhauses hatte eine Tasche mit 62 Minifläschchen Alkoholika mitgenommen. Der Arbeitgeber kündigte ihr fristlos. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt bestätigte den Rauswurf, obwohl die Ware nicht mehr verkauft werden sollte. Das Verfallsdatum war bereits überschritten und mehrere Verpackungen beschädigt. Die Erfurter Richter urteilten: Auch in diesem Fall gehörten die Fläschchen noch dem Geschäftsinhaber (Aktenzeichen: 2 AZR 36/03).

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hielt eine fristlose Entlassung schon bei einem Diebstahlsverdacht für berechtigt. Der Unternehmer verdächtigte einen Mitarbeiter, ein schnurloses Telefon im Wert von 25 Euro gestohlen zu haben. Vor allem große Firmen, hier waren 30.000 Mitarbeiter beschäftigt, seien "in besonderem Maße auf die betriebliche Disziplin ihrer Arbeitnehmer angewiesen" (Az.: 9 Sa 633/04).

Dass es auch anders geht, zeigt ein Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt. Der Arbeitnehmer bei einem Flugzeugausstatter, einer Tochtergesellschaft der Lufthansa, hatte drei Flaschen Champagner mitgehen lassen. Das Gericht entschied, dass der Erhalt des Arbeitsplatzes "ausnahmsweise" wichtiger sei als der Schutz des Arbeitgebers vor weiteren Diebstählen. Eine Abmahnung mit Kündigungsandrohung hätte es auch getan (Az.: 12 Ca 12744/02).

Ein Hagener Arbeitsrichter war dagegen weniger großzügig, nachdem eine Verkäuferin Creme-Warenproben entwendet hatte. Der Arbeitgeber sah in dem Diebstahl das Vertrauensverhältnis trotz des geringen Wertes von zehn Euro als zerstört an. Der Richter löste das Arbeitsverhältnis bei Zahlung einer Abfindung auf (Az.: 2 Ca 1529/02).

Aus einer fristlosen Kündigung wurde vor dem Arbeitsgericht München immerhin eine fristgerechte. Es ging um eine schwangere Mitarbeiterin, die nachweislich Bargeld aus der Gaststätten-Kasse gestohlen hatte. Weiterbeschäftigen müsse der Arbeitgeber sie aber nicht. Das sei ihm nicht zuzumuten, da sie "ständig kontrolliert" werden müsse, entschied das Gericht (Az.: 35 Ca 1822/04).

Wiederum fristlos dagegen wurde ein anderes Arbeitsverhältnis beendet. Der Arbeitnehmer hatte unerlaubt Aluminiumreste aus seiner Firma mitgenommen und an ein Recycling-Unternehmen verkauft. Sein Argument, die Reste hätten im Betrieb ohnehin nicht mehr verwertet werden können, deshalb habe gar kein Diebstahl vorgelegen, ließ das Landesarbeitsgericht in Mainz nicht gelten. Weil Aluminium beliebig oft ohne Qualitätsverlust wiederverwertet werden könne, sei es nicht wie gewöhnlicher Abfall zu behandeln und dürfe deswegen nicht eigenmächtig vom Betriebsgelände mitgenommen werden (Az.: 5 Sa 341/05).

In einem anderen Fall hatte der Fahrer einer Großbäckerei geglaubt, in seiner täglichen Kaffeepause, Kuchen aus dem Bestand konsumieren zu dürfen - und dies schon jahrelang. Dem widersprach das Landesarbeitsgericht in Rheinland-Pfalz und bestätigte den Rauswurf wegen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses (Az.: 4 Sa 328/04).

In dem folgenden Fall machte sich eine zwanzigjährige Betriebszugehörigkeit zumindest ein wenig bezahlt: Ein Arbeitnehmer ist dabei beobachtet worden, wie er einen - von einem Kollegen auf dem Tisch stehen gelassenen - verschlossenen Rucksack öffnete und durchsuchte. Für den Arbeitgeber war damit "jegliche Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zerstört". Er kündigte fristlos. Mit Blick auf die zwei Jahrzehnte währende Betriebszugehörigkeit wandelte das Hessische Landesarbeitsgericht die Entlassung mit Fristsetzung um. Dass der Mann Alkoholprobleme als Argument für sein Tun anführte, beeindruckte die Richter aber nicht (Az.: 11 Sa 680/04).

© SZ vom 30.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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