Arbeitsmarkt für Ingenieure:Job sucht Bewerber

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Die Job-Angebote für Ingenieure haben um 30 Prozent zugelegt. Doch der Nachwuchs fehlt. Jedes zweite Unternehmen rekrutiert ältere Bewerber.

Meite Thiede

Dass es der deutschen Wirtschaft an Ingenieuren mangelt, ist schon seit Jahren Dauerthema bei der Hannover Messe. Doch mittlerweile fürchten die Unternehmen angesichts der Fachkräfteknappheit um ihre Zukunftschancen. "Der Mangel wirkt wie eine eingebaute Wachstumsbremse", warnte Hans-Peter Klös, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Aktuell hat die deutsche Wirtschaft nach den Zahlen des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) 23.000 Ingenieursjobs zu vergeben, das sind etwa 30 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Zahl der arbeitslosen Ingenieure ist sogar um 40 Prozent auf weniger als 40.000 gesunken. Da die Statistik auch die Vorruheständler erfasst, ist dies nach Angaben von VDI-Direktor Willi Fuchs "quasi Vollbeschäftigung".

Zu wenige Berufseinsteiger interessieren sich für Technik, beklagen Unternehmen - und wollen die Schulen stärker in die Pflicht nehmen. (Foto: Foto: iStockphoto)

Am schlimmsten vom Ingenieursmangel betroffen sind ausgerechnet jene Branchen, die mit jeweils 8,3 Prozent die höchste Forschungs- und Innovationsintensität aufweisen: Die Elektroindustrie, die Forschungs- und Entwicklungs-Dienstleister und der Fahrzeugbau. Das IW hat 3364 Unternehmen befragt und festgestellt, dass diese im vergangenen Jahr 48.000 geplante neue Ingenieurstellen nicht besetzen konnten. "Den Firmen fehlte mehr als ein kompletter Studienjahrgang", sagte Klös vom IW. 2005 hätten 39.407 Studenten ein Ingenieursstudium absolviert. Die Konsequenz der unbesetzten Stellen sei, dass die Unternehmen wegen brachliegender Entwicklung und Produktion Verluste realisieren und Ingenieurbüros Aufträge absagen müssten. Unter dem Strich sei der deutschen Volkswirtschaft 2006 Wertschöpfung in Höhe von mindestens 3,48 Milliarden Euro entgangen.

Auch die Automatisierungsindustrie meldet zu dem personellen Engpass eine alarmierende Zahl: Wegen des Ingenieursmangels hätten die Unternehmen ein bis drei Prozent Wachstum nicht realisieren können, sagte Helmut Gierse, Vorstandsvorsitzender des Fachverbandes Automation im Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). "Ohne Ingenieure, Techniker und Facharbeiter können wir nicht erfolgreich arbeiten", warnte ZVEI-Vorstand Michael Ziesemer und nannte den Mangel in einem Atemzug mit knappen Rohstoffen wie Kupfer und Stahl.

Früher starten

Den Hauptübeltäter für den chronischen Mangel hat der VDI bereits ausgemacht: Die Schulen würden die Kinder nicht ausreichend an technische Themen heranführen. Das Interesse der Schüler an naturwissenschaftlichen Fächern in der Oberstufe sei gering, und auch technisch orientierte berufliche Schulen meldeten schrumpfende Schülerzahlen. Der VDI fordert mehr Maßnahmen der Bildungspolitik und eine "technikfreundliche" Begleitung junger Menschen. Es reiche nicht, dass immer mehr Unternehmen in den Schulen technische Projekte anböten; "wir brauchen als Begleitung technisch ausgebildete Lehrer".

Bei der Hannover Messe versuchen die Verbände beispielsweise mit interaktiven Spielen und Viva-Moderatorinnen, mehr junge Leute für technische Berufe zu begeistern. Und mit der Informationskampagne "superstudium.de" will der ZVEI das Image des Berufes, das nach seiner Meinung bei Jugendlichen ein Defizit habe, verbessern. Die Unternehmen lassen sich inzwischen auch einiges Einfallen, um Arbeitsplätze attraktiv zu machen beziehungsweise die Mitarbeiter auch zu halten. So investieren nach der Umfrage des IW fast 70 Prozent der Firmen in Weiterbildungsmaßnahmen, 64 Prozent versuchten mehr für das Image ihres Unternehmens zu tun. Jedes zweite Unternehmen rekrutiert ältere Ingenieure, und nur 15 Prozent stellen die benötigten Ingenieure aus dem Ausland ein.

Doch selbst wenn die Entscheidung für ein Ingenieursstudium gefallen ist: Nicht alle Studenten halten bis zum Examen durch. Mit 30 bis 40 Prozent ist die Abbrecherquote bei den Studenten des Ingenieurswesens besonders hoch; der Durchschnitt aller Fächer liegt bei etwa 20 Prozent. So richtig scheint das Werben der Branche nicht zu fruchten: Zwar wurde 2002 der Tiefpunkt bei den Absolventenzahlen erreicht; seither steigen die Zahlen wieder. Derzeit wächst die Zahl der Studienanfänger aber nicht mehr und zeigt gar Tendenz zum Fallen.

© SZ vom 17.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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