Arbeiten im Ausland:Auf der Insel der Experten

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In Japan haben nur Ausländer mit sehr speziellem Wissen eine Chance.

Christine Demmer

(SZ vom 5.7.2003) Überall Menschen, lächelnde Menschen. Abgewrackte Holzbuden neben himmelstürmenden Palästen. Kichernde Teenies in Schuluniform mit Handy am Ohr. Minimalistisch gestaltete Schaufenster mit beidseitig elegant gekleideten Damen, ein paar Meter weiter eine Hostess-Bar, aus der am Nachmittag berauschte Männerstimmen dröhnen.

Für Igor Zlatkovic ist die Welt ein großes Dorf. (Foto: N/A)

Wenn Deutsche zum ersten Mal nach Tokio, Osaka oder Kyoto kommen, fühlen sie sich fremd. Dabei wissen wir in Deutschland viel mehr über das Land der aufgehenden Sonne als der Durchschnittsjapaner von uns. Seit den siebziger Jahren sind wir mit japanischen Autos, Unterhaltungselektronik und Managementkonzepten bestens vertraut. Jeder Konzern und große Mittelständler hat inzwischen eine Niederlassung in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Besonderes erwartet

Auch deutsche Banken sind längst vor Ort. Bei einer von ihnen hat Igor Zlatkovic, geboren im bosnischen Sarajevo, ein sechsmonatiges Praktikum absolviert. Die Wahl der Station war schon etwas ungewöhnlich für die Frankfurter Fachhochschule, an der er Ingenieur-Informatik studiert. Die meisten Studenten suchen sich einen Praktikumsplatz nahe der Heimat. Aber für Zlatkovic - über das Internet mit den Eltern in den USA, der Frau in England und den Verwandten im früheren Jugoslawien vernetzt - ist die Welt sowieso nur ein großes Dorf.

Der gelernte Elektroniktechniker ist ein Tekkie, wie er im readme.txt steht. Seine beruflichen Interessen kreisen seit 1995 um Software, Systemkonfigurationen, Debugger und Codes. Solch einen Praktikanten kann man tatsächlich einsetzen. "Wegen meiner großen Erfahrung in der Softwareentwicklung habe ich in Japan an aktuellen Projekten mitgearbeitet", sagt der 29-Jährige.

Ausländer in japanischen Firmen bringen fast immer besondere Fähigkeiten mit, denn den normalen Personalbedarf deckt der japanische Markt mit eigenen Kräften.

Japan steckt seit Beginn der neunziger Jahre in einer tiefen Krise. Es ist alles andere als leicht, einen Job auf Zeit zu bekommen (www.jobsinjapan.com). Neben Spezialwissen braucht man gute Beziehungen zum japanischen Unternehmen, denn nur das kann Ausländer anfordern und eine Arbeitserlaubnis beantragen. Anschließend meldet man sich persönlich bei der Behörde, legt seinen Pass und zwei 4,5 mal 3,5 Zentimeter große Fotos vor und erhält einen befristeten Ausweis.

Teures Pflaster

"Sobald man registriert ist, bekommt man sein Gehalt in Yen und zahlt davon Steuern, allerdings deutlich niedrigere als in Deutschland", sagt Zlatkovic. Für die Dauer seines Praktikums hat er seine deutsche Krankenversicherung behalten. Das sollte auch tun, wer länger in Japan arbeiten will. Die Kosten für einheimische Versicherungen bewegen sich in einer Höhe, die in Deutschland wohl erst in ein paar Jahren zu erwarten ist.

Überhaupt ist Japan ein teures Pflaster. In dem Inselstaat, der etwa so groß ist wie Kalifornien, leben halb so viele Menschen wie in den USA. Zum Glück sind die meisten ziemlich klein, weshalb die japanischen Schlafmatten (Tatami oder Jo) mit 90 mal 180 Zentimetern knapp bemessen sind. Ein typischer Raum in Tokio ist sechs Jo, rund zehn Quadratmeter groß. Ein 1K-Appartment hat einen Sechs-Jo-Raum, ein 1DK zusätzlich eine Küche, ein 1LDK daneben noch ein Wohnzimmer.

Eine vierköpfige Familie aus Deutschland, die ohne Komfortverlust in einer japanischen Großstadt leben will, braucht 4DK, und bezahlt dann 5000 Euro Miete im Monat - ohne Nebenkosten. Eine Studentenbude ist mit 1000 Euro geradezu billig. Das mag ein Grund sein, warum nur wenige Deutsche ein Japan-Semester einlegen.

Verständnis-Probleme

Kompliziert für Ausländer ist auch die Sprache. Zweitausend Schriftzeichen Kanji sollte man ungefähr beherrschen, um den Inhalt einer Tageszeitung zu verstehen. In den Millionenstädten kommt man zwar vielfach mit Englisch klar, zumal im internationalen Geschäftsalltag, aber man darf nicht davon ausgehen, dass jeder Japaner Englisch versteht. Umwerfend höflich, wie Japaner sind, tun sie aber so. Und das kann zu gravierenden Verständnisproblemen führen. Fragt man an einer Straßenecke in Tokio einen gut gekleideten Menschen nach einer Adresse, die dieser aber nicht kennt, bekommt man ein freundliches "Kore wa chotto muzukasli desu" zur Antwort. Heißt übersetzt: "Das ist etwas schwierig" und entbindet den Japaner von der Urangst, nicht dienlich sein zu können.

Igor Zlatkovic war davon nicht befremdet. "Ich ging ja gerade deshalb nach Japan, weil ich das Land vorher nicht kannte", sagt er. "Die ersten Tage waren sehr interessant, die übrigen einfach super." Er verschaffte sich "einen Überblick über die Sprache", wie er sagt, doch in seinem Job wäre das gar nicht nötig gewesen. Informatiker aller Länder vereint die kryptische Zeichenwelt der Computertechnik - neben der englischen Sprache. Und darin ist er ebenso sicher wie im Deutschen.

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