Abfindungen:Und raus bist du

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In Krisenzeiten versuchen Firmen, unliebsame Mitarbeiter mittels Abfindungen loszuwerden. Wer eine Kündigung erhält, darf sich nicht über den Tisch ziehen lassen - und sollte seinen Preis kennen.

Julia Bönisch

Geschäftsführer kennen viele schöne Worte, mit denen sie Kündigungen gleich viel harmloser erscheinen lassen. Sie reden beschönigend von "Anpassung", benutzen in ihren Pressemitteilungen den Begriff "Downsizing", "verschlanken" das Unternehmen und "setzen Personal frei".

Abfindung: Wer die Entlassungsurkunde auf seinem Schreibtisch findet, muss aus der Situation finanziell das beste herausholen. (Foto: Foto: iStock)

Frei setzen - das hört sich toll an: nach Freiheit, nach viel Zeit für Hobbys und für die Familie. Doch wer tatsächlich der aktuellen Kündigungswelle zum Opfer fällt, in dessen Ohren klingen die Vokabeln wie Hohn. Findet man die Entlassungsurkunde auf seinem Schreibtisch, bleibt nur, aus der Situation finanziell das beste herauszuholen.

Mitarbeiter unter Druck

Job weg, Geld her: So lautet in dieser Situation die Formel, an die sich die meisten Arbeitnehmer klammern. So ging es auch Janine G., als ihr Arbeitgeber, eine Presseagentur, einen großen Kunden verlor und sie überraschend kündigte. "Ich wurde plötzlich ins Büro des Chefs gerufen, ohne Vorwarnung", erzählt die 33-Jährige. "Dort saßen mir drei Leute aus der Personalabteilung gegenüber, die mich mit der Kündigung völlig überrumpelten - und dann auch gleich die Abfindung festzurren wollten. Die haben mich richtig in die Zange genommen." Doch das Angebot habe keinesfalls ausgereicht, um einige Monate das Leben im teuren München finanzieren zu können.

Ein Vorgehen, dass Jens Peter Hjort, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Autor des Ratgebers "Aufhebungsvertrag und Abfindung", nicht unbekannt ist. "Das ist eine gängige Praxis: Um die Abfindungsverhandlungen schnell und günstig abzuschließen, setzen Unternehmen ihre Mitarbeiter unter Druck", bestätigt Hjort. Dann heiße es von Seiten der Geschäftsführung, das beste Angebot liege schon auf dem Tisch. Unterschreibe der Mitarbeiter nicht sofort, bekomme er eben gar nichts.

So erzwingt das Unternehmen eine schnelle Entscheidung - ohne dass der Angestellte in Ruhe überlegen kann, was in der sehr belastenden Situation einer Entlassung am besten zu tun wäre. Dabei ist es wichtig, gerade dann wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen, denn beim Thema Abfindungen kursieren in der Bevölkerung zahlreiche Missverständnisse.

Zwei Ausnahmen von der Regel

Zwei Drittel der Deutschen nehmen laut einer Untersuchung der Bertelsmann Stiftung an, es gebe ein sogenanntes Abfindungsgesetz, in dem alles geregelt sei. Doch das existiert gar nicht - ebenso wenig wie das Recht auf Abfindung. "Dieser Irrtum ist leider sehr verbreitet", erklärt Hjort. "Doch grundsätzlich steht eine Abfindung niemandem zu."

Diese Regel kennt nur zwei Ausnahmen: Entweder ist im Tarifvertrag oder Sozialplan eines Unternehmens eine Abfindung vorgesehen. Oder ein Arbeitnehmer glaubt, seine Kündigung war nicht rechtens und zieht deshalb vor Gericht. Wenn dann der Richter entscheidet, dass die Entlassung tatsächlich unwirksam war und es beiden Seiten unter keinen Umständen zuzumuten ist, weiterhin zusammenzuarbeiten, kann dem Mitarbeiter vom Richter eine Abfindung zugesprochen werden.

Auf der nächsten Seite: Wieso Mitarbeiter dank einer Abfindung Ansprüche auf Arbeitslosengeld verlieren können - und wie sie sich in einer Verhandlung am geschicktesten Verhalten.

Zum Kampf verpflichtet

Jens Peter Hjort, Fachanwalt für Arbeitsrecht: "Eine Abfindung ist der Preis dafür, dass man den Kündigungsschutz aufgibt." (Foto: Foto: oH)

Ansonsten beruht die Zahlung einzig auf dem Entgegenkommen des Unternehmens, die ihren Mitarbeitern die unangenehme Mitteilung auf diesem Wege noch ein wenig versüßen. Oder der Angestellte beruft sich gerichtlich oder außergerichtlich auf den gesetzlichen Kündigungsschutz. Doch das ist keineswegs frei von Risiken: Denn akzeptiert er einen sogenannten Abfindungsvergleich, verlässt er das Unternehmen quasi freiwillig - und kann damit auch Ansprüche auf Arbeitslosengeld verlieren. So riskiert er eine bis zu zwölfwöchige Sperre.

Hat der Mitarbeiter allerdings einen "wichtigen Grund" für die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses, könnte der Arbeitgeber zum gleichen Zeitpunkt wirksam kündigen und wird auch die Kündigungsfrist eingehalten, darf eine Sperre nicht verhängt werden. Das gleiche gilt, wenn die Abfindung ein halbes Gehalt pro Jahr der Beschäftigung nicht überschreitet.

Halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr

Abgesehen vom oberen Management kann und will es sich wohl kaum ein Gekündigter leisten, so lange auf das Arbeitslosengeld zu verzichten. Denn nur Banken und Versicherungen zeigten sich in den vergangenen Jahren großzügig. Dort waren zwei bis drei Bruttomonatsgehälter pro Jahr der Unternehmenszugehörigkeit üblich. In den meisten anderen Branchen gilt ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr als Faustformel. Da eine Abfindung voll versteuert werden muss, bleibt davon am Ende oft nicht mehr allzu viel übrig.

Experte Hjort rät deshalb, sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Zunächst müsse sich ein Mitarbeiter grundsätzlich darüber klar werden, ob er nicht mit allen Mitteln um seinen Arbeitsplatz kämpfen wolle. Dann nämlich solle er die Hände von Abfindungsgesprächen lassen.

Kategorisch ablehnen

"Wenn eine Abfindung jedoch eine realistische Option ist, sollte er sich das Angebot in Ruhe anhören. Doch auch dann kann es sinnvoll sein, erst einmal alles kategorisch abzulehnen. Das kann den Preis nach oben treiben." In jedem Fall sei es gut, sich nicht nur mit einem Arbeitsrechtler zu besprechen, sondern auch mit Freunden und der Familie. "Schließlich ist eine Kündigung eine Extremsituation."

Auch Janine G. hat sich im ersten Trennungsgespräch mit ihrem Arbeitgeber nicht unter Druck setzen lassen und erst einmal mit einem Anwalt und ihrem Freund gesprochen. "Mitten in der Finanzkrise stehen meine Chancen auf einen anderen Job schlecht", sagt sie. "Deshalb werde ich um meinen Job kämpfen." Janine G. hat eine Kündigungsschutzklage eingereicht, der Ausgang des Verfahrens ist noch völlig offen. Entweder kann sie einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung durchsetzen. Oder sie bringt ihren Arbeitgeber mit ihrer Klage dazu, ihr ein weit höheres Angebot zu machen. Eines, das dann auch ausreicht, das Leben in München bis zum nächsten Job zu finanzieren.

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