Der Marathon-Manager:Laufen als legales Doping

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Ob Siemens-, VW- oder Metro-Chef, von den den zahllosen Alpha-Managern in zweiter und dritter Reihe ganz zu schweigen: Joggen ist bei den schlanken Vorständen populär.

Dagmar Deckstein

Dass es Puma-Chef Joachim Zeitz tut, ist irgendwie naheliegend. Dass es auch sein Adidas-Erzrivale Herbert Hainer tut, versteht sich fast von selbst. Immerhin repräsentieren die beiden Spitzenmanager deutsche Sportartikelkonzerne, die Millionen Menschen mit Utensilien für den Leib ausstatten, um die nicht zuletzt der Schuhkrieg in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft tobte. Aber diesen Nebenkriegsschauplatz des Kicker-Aufstands verlassen wir gleich wieder, um die Arena für eine andere Spezies hochbezahlter Hochleister freizugeben.

Für viele der perfekte Start in den Tag: Joggen im Sonnenaufgang an der Hamburger Außenalster. (Foto: Foto: dpa)

Dass Dauerlaufen gegen den inneren Schweinehund bei Adidas-Hainer und Puma-Zeitz in der Natur der Business-Sache liegt, drängt sich bei den Topmanagern anderer Dax-Schwergewichte nicht unmittelbar auf.

Aber auch sie tun es: Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, Metro-Lenker Hans-Joachim Körber, VW-Markenvorstand Wolfgang Bernhard ebenso wie Henkel-Nummer-eins Ulrich Lehner. Von den zahllosen Alpha-Managern in zweiter und dritter Reihe auf dem Sprung noch weiter nach oben gar nicht zu reden. Auf leisen Sohlen scheint sich etwas im Auf und Ab der Managementmoden eine sehr bodenständige Bahn zu brechen, das ausnahmsweise kein Spin-Off universitärer Vordenkerschulen ist.

Dafür haben sich Vor-Läufer wie etwa der mehrfache deutsche Mittelstreckenmeister Thomas Wessinghage oder Marathon-Gewinner Herbert Steffny an die Spitze der Bewegung gesetzt, aber auch der früher beleibte und später zum Langstreckenläufer bekehrte Ex-Manager Andreas Butz. "Sie werden immer mehr Manager finden, die laufen", sagt Butz und fügt eine Frage an, bei der die Antwort auch nach längerem Grübeln auf ein "Nein" hinausläuft: "Oder fällt Ihnen ein Erfolgstyp in den Vorstandsetagen ein, der Kleidergröße 54 oder größer trägt?"

So schlank wie die kernkompetenzgestärkten und prozessoptimierten Unternehmen, die sie leiten, präsentieren sich auch die Herrschaften auf deren höchsten Entscheidungsebenen. Und wohl nicht von ungefähr sind mit dem 20. Jahrhundert auch die Zerrbilder und Karikaturen in den Schützengräben des Klassenkampfs begraben worden, die den Unternehmensführer als übergewichtigen und zigarreschmauchenden Kapitalisten bewusst in ungünstiges Licht rückten.

Nicht, dass die Entscheidungen der sichtlich strafferen Führungsriegen nicht ebenso unerbittlich, knallhart und mit weitreichenden Folgen für die betroffenen Menschen ausfielen, sie sind nur optisch optimiert. Kein Wunder, dass auch die New York Times im USA-Vergleich feststellte, dass Marathon-Manager gegenüber sessel- und couchfixierten Mitbewerbern im Vorteil sind.

Es muss ja nicht gleich Marathon sein, den Dauerlauf-Coach Butz als "Mount Everest des Managers" bezeichnet. Täglich eine halbe Stunde Joggen reiche für die betriebswirtschaftliche Bewegungsgemeinde aus, um den Karrieremotor auf Touren zu bringen: Größere Sauerstoffaufnahme, höhere Konzentration, mehr Dynamik, Gelassenheit, Vitalität. "Laufen ist legales Doping für Unternehmer und Führungskräfte", schwärmt Butz.

Nur einer tanzt mal wieder aus der Läufer-Reihe. Der Quartalszahlenveröffentlichungsverweigerer und Porsche-Chef Wendelin Wiedeking lässt sich die Luft reglos auf dem Hochsitz um die Nase wehen - er hat vor kurzem den Jagdschein erworben.

© SZ vom 28.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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