13,5 Millionen für Witten-Herdecke:Ein Rettungspaket für die Privatuni

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Die von Schließung bedrohte Hochschule Witten-Herdecke gewinnt doch noch Investoren. Neue Studiengänge sollen sie attraktiver machen.

T. Schultz und J. Nitschmann

Die private Universität Witten/Herdecke ist vorerst gerettet. Investoren, Vertreter der Hochschule und der nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) verständigten sich in der Nacht zu Freitag auf ein "Zukunftskonzept", Kapitaleinlagen von 16 Millionen Euro und eine Bürgschaft in Höhe von zehn Millionen Euro. Pinkwart sagte, Witten-Herdecke soll im Jahre 2013 "eine schwarze Null schreiben".

Privatuniversität Witten-Herdecke: Die angeschlagene Bildungseinrichtung soll mit einem Restrukturierungsprogramm gerettet werden. (Foto: Foto: dpa)

Die Universität plant neue Studiengänge wie "Gesundheitsökonomie" oder "Management, Philosophie und Kultur". Sie sollen die bestehenden Schwerpunkte in Medizin, den Wirtschafts- und Kulturwissenschaften ergänzen. Die Zahl der Studenten soll von derzeit 1200 auf mehr als 1500 steigen, der Anteil der Studiengebühren am Etat von sieben auf mindestens 20 Prozent wachsen.

Die Hochschule habe "die Chance zu einem Neuanfang genutzt", sagte Minister Pinkwart. Es sei "ein Rettungsakt in letzter Sekunde" gewesen. Pinkwart kündigte an, das Land werde für die Universität 2009 und 2010 jeweils 6,75 Millionen Euro zahlen, je 2,25 Millionen Euro davon würden als Sonderzuschuss gewährt. Kurz vor Weihnachten hatte Pinkwart die Subventionen gestoppt und der Universität vorgeworfen, keinen soliden Finanzplan zu haben. Die Uni-Leitung trat daraufhin zurück.

Für das neue Präsidium präsentierten Geschäftsführer Michael Anders und der Mediziner Martin Butzlaff in der fast achtstündigen Nachtsitzung den Sanierungsplan. Sie wollen die Verwaltung der Uni umbauen, die Personalkosten sollen um sieben Millionen Euro sinken. Derzeit hat die Hochschule etwa 400 Vollzeitstellen.

Die Lehre und vor allem die Forschung in der Medizin sollen jedoch ausgebaut werden. Dies ist nötig, um entsprechenden Forderungen des Wissenschaftsrats zu genügen. Im kommenden Jahr muss sich die Universität erneut einem Prüfverfahren des Wissenschaftsrats stellen, der die privaten Hochschulen evaluiert.

Der Rat hatte bemängelt, Witten/Herdecke sei in der medizinischen Forschung zu schwach. Wegen ihrer patientennahen Ausbildung, guter Examina und wegen ihres Brückenschlags zwischen Medizin und Pflegewissenschaft genießt die Uni aber bei vielen Ärzten einen sehr guten Ruf. Bekannt ist Witten/Herdecke außerdem für das Studium fundamentale: An einem Tag in der Woche gibt es für alle Studenten ein disziplinübergreifendes Programm.

Als neue Gesellschafter und Geldgeber wurden das Gemeinschaftskrankenhaus in Herdecke, die Software AG Stiftung, ein Alumni-Verein und die Familie Droege, Gründerin der gleichnamigen Unternehmensberatung, gewonnen. Die Familie Droege war bereits vor zwei Jahren als Retter vorgestellt worden, hatte sich dann aber mit der damaligen Universitätsleitung überworfen. Sie soll nun eine Bürgschaft in Höhe von zehn Millionen Euro zugesichert haben.

An der Finanzierung will sich nach Angaben der Universität außerdem ein Verbund katholischer Krankenhäuser und Spender beteiligen, für die der Rechtsanwalt Artur Maccari als Verhandlungsführer auftrat. In den nächsten drei Jahren wolle dieser Verbund jeweils drei Millionen Euro als Kapitaleinlage zahlen.

Die Spitze der Universität trat Befürchtungen entgegen, das Profil der Hochschule könnte unter der Sanierung leiden. "Wenn es uns nicht gelingt, das Besondere dieser Universität zu erhalten, brauchen wir sie nicht mehr", sagte Geschäftsführer Michael Anders der Süddeutschen Zeitung. Anders war zuvor Kanzler an der privaten, anthroposophisch ausgerichteten Alanus Kunsthochschule in Alfter. Martin Butzlaff sagte, Witten besinne sich auf seine Stärken und setze weiterhin auf die Mitsprache der Studenten. Der "umgekehrte Generationenvertrag" bleibe erhalten.

Dabei geht es um ein von Studenten verwaltetes Gebühren-Modell: Studenten brauchen erst zu zahlen, wenn sie im Beruf genügend Geld verdienen. Als die Uni 1983 gegründet wurde, gab es noch keine Gebühren, mittlerweile müssen Mediziner etwa 32000 Euro für ihr Studium zahlen, künftig könnte der Betrag auf mehr als 40000 Euro steigen.

Der SRH Konzern, der mehrere Kliniken und private Fachhochschulen betreibt und das Wittener Gebührenmodell als zu riskant ablehnt, zog sich aus dem Kreis der möglichen Geldgeber zurück. Ein SRH-Sprecher sagte, der Zeitraum bis 2013 für eine Sanierung sei zu lang: "Was nach drei Jahren nicht saniert ist, bekommt man nie saniert." Man wünsche der Uni dennoch viel Glück, da deren Insolvenz für alle privaten Hochschulen ein herber Rückschlag wäre.

Minister Pinkwart kündigte an, nach derzeitigem Stand könnte das Land die Universität auch über das Jahr 2010 hinaus fördern. Für ihren Lehrbetrieb erhielten private Hochschulen kein Geld, bei Witten sei ein Zuschuss für die medizinische Forschung aber geboten.

Kurz nach seinem Amtsantritt im Sommer 2005 hatte Pinkwart im Landtag noch gesagt, Witten/Herdecke sei ein wichtiges Experiment, aber man müsse sehen, ob man es dauerhaft weiterfördern wolle oder es ganz in den privaten Wettbewerb entlasse. "Letzteres ist mein Ziel", sagte Pinkwart damals. Die Universität Witten/Herdecke kann sich jedoch darauf berufen, dass ihre Studienplätze in Medizin für den Staat günstiger sind als die Plätze an den staatlichen Hochschulen.

© SZ vom 24.01.09 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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