Viagras Patentschutz läuft aus:Lust an der Pille

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37 Millionen Männer weltweit nehmen das Potenzmittel Viagra. (Foto: dpa)

15 Jahre lang hat Viagra die Öffentlichkeit elektrisiert. Nun bekommt das Potenzmitel Konkurrenz durch billige Nachahmerpräparate. Ein Rückblick auf die Ära der Lustpille - in 15 Schlagzeilen.

Von Berit Uhlmann

Am Samstag läuft der Patentschutz für Viagra aus. Nun dürfen auch andere Hersteller Tabletten mit dem Wirkstoff Sildenafil auf den Markt bringen. Sie werden deutlich billiger sein, aber in den Rang eines blauen Wunders wird es vermutlich keines von ihnen bringen. Viagra beherrschte die Schlagzeilen wie kaum ein anderes Medikament. Hier eine Auswahl:

1998: "Das Bedürfnis wird groß sein" ( Süddeutsche Zeitung)

... orakelten bayerische Apotheker anlässlich der Markeinführung im Oktober 1998. Sie sollten Recht behalten.

1999: "Viagra und Edith Piaf prägen das Jahrhundert" ( Süddeutsche Zeitung)

Viagra wirkt schnell: Als Zeugnis des scheidenden Jahrhunderts packt die New York Times ein Handy, CDs und das gerade mal seit einem Jahr erhältliche Potenzmittel in eine Zeitkapsel, die im Jahr 3000 Auskunft über das Leben vor der Schwelle zum zweiten Jahrtausend geben soll.

2000: "Mehr als zehn Millionen Männer schlucken Viagra" ( Berliner Zeitung).

In Deutschland greifen zwei Jahre nach Markteinführung bereits 700.000 Männer zu der blauen Pille. Hersteller Pfizer prognostiziert erstmals einen Umsatz von einer Milliarde Dollar für das laufende Jahr.

2001: "Gericht: AOK muss jetzt für Viagra zahlen" (dpa)

Ein 72-jähriger Rentner ist fit genug, mit seinen Erektionsproblemen vor Gericht zu ziehen und eine Erstattung des Potenzmittels herauszuschlagen. Eine ganze Reihe von Prozessen dreht sich in jenen Jahren um die Frage, ob eine Erektion lediglich der Erhöhung der Lebensqualität dient oder ein unverzichtbarer Bestandteil der Gesundheit ist. Seit 2004, nach einer Gesetzesreform im Gesundheitswesen, ist klar: Viagra gibt es nicht auf Kassenkosten.

2002: "Verhütung mit Viagra" (Werben und Verkaufen)

Von Viagra wird offenbar dermaßen wirr gesprochen, dass etwa die Hälfte aller deutschen 12- bis 16-Jährigen das Präparat für ein Verhütungsmittel hält. So jedenfalls will es das Münchner Institut für Jugendforschung herausgefunden haben. Vielleicht folgten die jungen Leute in der Befragung auch nur einem weit verbreiteten Impuls: Viagra ist immer für einen Kalauer gut.

2003: "Gymnastik hilft besser als Viagra" (Münchner Abendzeitung)

Fünf Jahre nach Verkaufsstart - mittlerweile nehmen 20 Millionen Männer weltweit Viagra - schwindet der Glanz der blauen Tablette. Ein Urologe sieht die Zeit gekommen, Männern statt des teuren Mittels Beckenbodentraining ans Herz zu legen und ein Psychiater klagt in der Neuen Züricher Zeitung am Sonntag: "Trotz Viagra unerfüllte Potenz-Wünsche".

2004: "Viagra-Kalle geht leer aus" (Die Welt).

Sozialhilfeempfänger Karlheinz F. aus Bad Soden beherrschte wochenlang die Schlagzeilen, als er einfordert, was die Medien gerne "Sex-Stütze" nannten. Er blieb erfolglos. Auch heute bekommt niemand Potenzmittel vom Staat bezahlt.

2005: "Viagra kann blind machen" (dpa)

In den USA müssen die Packungen - ähnlich wie in manchen Ländern Zigarettenschachteln - vor einer möglichen Erblindung warnen. Auch in Deutschland wurde auf die seltene Nebenwirkung aufmerksam gemacht. Als weitere unerwünschte Effekte wurden unter anderem Kopfschmerzen, Schwindel, verstopfte Nasen und gelegentliche Dauererektionen dokumentiert.

2006: "Kein Viagra mehr für Chinas Tote" (Frankfurter Rundschau)

Peking verbietet geschmacklose Opfergaben für Tote, zu denen viele allzuweltliche Gegenstände gehören. Dies ist eine von unzähligen aberwitzigen Meldungen, die dem Rezept folgen: Viagra gehört in den Titel.

2007: "Viagra hilft Hamstern bei einem Jetlag" (Welt).

Für dieses Forschungsergebnis gab es den IgNobel-Preis, der für besonders unsinnige Wissenschaftsleistungen verliehen wird. Dennoch wurde und wird geforscht, ob der Wirkstoff auch bei anderen Störungen helfen kann. Er wird bereits zur Behandlung einer bestimmten Form von Bluthochdruck eingesetzt - was die Bild am Sonntag zu folgender Geschichte verarbeitete: "Oliver (2) - Er muss täglich 4x Viagra schlucken".

2008: "Eine Pille in jeder Sekunde" (Berliner Zeitung)

Zehn Jahre nach der Markteinführung nehmen 35 Millionen Männer weltweit die Tablette. Angeblich schluckt jede Sekunde irgendwo auf der Welt ein Mann das Präparat.

2009: "Gesungenes Viagra - In Basel zeigt die Barockoper ihre erotische Modernität" (FAZ)

Viagra ist im Feuilleton angekommen, so wie es mittlerweile als Synonym steht für ... irgendwas mit mächtigem Sex? Die inflationäre Verwendung des Markennamens deutet daraufhin, dass der Hype um das Mittel seinen Höhepunkt überschritten hat. Pfizers Umsätze schrumpfen und die SZ vermeldet unter Berufung auf eine Spam-Hitliste: "Tamiflu vor Viagra - Führend in E-Mail-Werbung".

2010: "Frauen-Viagra macht müde" (Süddeutsche Zeitung)

Mit dieser Erkenntnis enden jahrelange Versuche, eine Lustpille auch an die Frau zu bringen. Pfizer hatte schon 2004 Forschungen mit dem Viagra-Wirkstoff Sildenafil bei Frauen aufgegeben. Nun musste der Konkurrent Boehringer Ingelheim eingestehen, dass sein Wirkstoff Flibanserin, auch gerne "Pink Viagra" genannt, als herausstechende Wirkungen Müdigkeit und Benommenheit zeigte.

2011: "Gefälschtes Viagra ist das neue Heroin" (taz)

Viagra wurde von Anfang an gefälscht. 2010 wurden fünf Millionen blaue Pillen weltweit sichergestellt. "Es ist lukrativer, Viagra zu fälschen, als Kokain zu verkaufen", weiß die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

2012: "Pfffffffft... Wie der Mann zum Stier wird" (Welt)

Endlich etwas Neues! Das blaue Wunder könnte durch ein Sprühwunder ersetzt werden! Ein Nasenspray auf der Basis des Hormons Oxytocin wird in den Medien als Viagra-Nachfolger gehandelt. Und schon regt sich die alte Lust an der Lustpille wieder.

2013: "28 Firmen wollen Viagra nachmachen" (Stuttgarter Zeitung)

Mindestens 28 Hersteller haben bereits eine Zulassung für ein preiswertes Nachahmerpräparat erhalten. Zuletzt schluckten nach Medienberichten 37 Millionen Männer weltweit die rautenförmigen Pillen und bescherten dem Hersteller zwei Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2012. Ein Rekordmittel? Weit gefehlt. Das weltweit umsatzstärkste Präparat war im vergangenen Jahr mit fast neun Milliarden Dollar ein Mittel namens Viani. Das ist keine Mini-Ausgabe von Viagra, sondern ein Asthmamedikament.

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