Zwangsversteigerung:Oft der letzte Ausweg

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Arbeitslosigkeit oder Scheidung: Immer mehr Eigentümer können die Schulden nicht mehr tilgen und müssen die Immobilie zwangsversteigern lassen.

Stefan Weber

Der Traum vom Eigenheim endete für den Textilkaufmann Peter Z. in einem kleinen Hinterzimmer des Neusser Amtsgerichts. Weil er Zins- und Tilgungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte, hatte die kreditgebende Bank auf eine Zwangsversteigerung seiner Immobilie gedrängt.

Ein kurzes Bietgefecht zwischen drei Kaufinteressenten, dann erfolgte der Zuschlag an zwei junge Handwerker. Sie werden das renovierungsbedürftige Haus in den nächsten Wochen sanieren und weiterveräußern. Peter Z. hat dabei noch Glück gehabt. Mit dem Erlös aus der Versteigerung konnte er zumindest sein Darlehen bei der Bank ablösen.

Ähnlich wie dem Familienvater aus dem Rheinland geht es in diesen Monaten vielen Immobilienbesitzern. Der Verlust des Arbeitsplatzes und/oder familiäre Probleme sorgen dafür, dass die Finanzierung der eigenen vier Wände zusammenbricht.

Der Argetra-Verlag, der jeden Monat ein Verzeichnis mit den Zwangsversteigerungsterminen der mehr als 500 deutschen Amtsgerichte veröffentlicht, registriert für das erste Halbjahr 2005 einen Rekord:

Demnach sind von Januar bis Juni etwa 48.450 Grundstücke, Häuser, Wohnungen oder Gewerbeimmobilien zur Versteigerung aufgerufen worden. Das sind etwa 800 Objekte mehr als im gleichen Zeitraum 2004. Zwar ist die Zahl der tatsächlich unter den Hammer gekommenen Immobilien kleiner. Denn gewöhnlich werden manche Verfahren nach Festsetzung des Versteigerungstermins außergerichtlich geregelt.

Aber die Zahl der Termine signalisiert einen Trend: Immer mehr Immobilieneigentümer sind nicht in der Lage, den Schuldendienst aufzubringen.

Seit 1994 steigt die Zahl der Versteigerungstermine kontinuierlich an. Das Niveau hat sich in gut zehn Jahren mehr als vervierfacht. Allerdings sind die Steigerungsraten zuletzt geringer ausgefallen. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2004 registrierte Argetra nur ein Plus von 1,7 Prozent. Das ist kein Vergleich zu den Vorjahren, als die Zahlen mitunter zweistellig in die Höhe geschossen waren.

Entwarnung gibt Argetra-Geschäftsführer Winfried Aufterbeck gleichwohl nicht. Auch in den nächsten Monaten werden nach seiner Einschätzung mindestens ebenso viele Objekte unter den Hammer kommen wie 2004. "Wer seinen Job verliert und nicht rasch eine neue Beschäftigung findet, kann seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Da ist die Zwangsversteigerung oft der letzte Ausweg", meint Aufterbeck. Zudem sorge die hohe Zahl der Firmenpleiten dafür, dass für viele Gewerbeobjekte ein neuer Eigentümer gesucht wird.

Regionale Unterschiede

Allerdings zeigen sich regional sehr große Unterschiede. Maßstab ist hierbei nicht die absolute Zahl der Versteigerungstermine in jedem Bundesland. Sonst ergäbe sich aufgrund der unterschiedlichen Bevölkerungsdichte ein schiefes Bild.

Aussagekräftiger ist eine Gegenüberstellung der Termine jeweils bezogen auf 100.000 Einwohner. Dabei zeigt sich, dass die Situation in den neuen Bundesländern besonders bedrohlich ist.

In Sachsen kamen im ersten Halbjahr 171 Termine auf 100.000 Einwohner.

In Thüringen waren es 123 und in Sachsen-Anhalt 115.

Dagegen waren Versteigerungen in Bayern und Baden-Württemberg (je 31) eher selten.

Bundesweit hat Argetra einen Durchschnittswert von 59 Terminen errechnet.

In keiner anderen Stadt sind in den ersten sechs Monaten 2005 mehr Objekte zur Versteigerung aufgerufen worden als in Leipzig (2288), gefolgt von Dresden (1800), Berlin (1779) und Chemnitz (1398). In München waren es nur 310.

Die Fülle der notleidend gewordenen Objekte im Osten erklärt sich nur zum Teil aus der besonders ausgeprägten konjunkturellen Flaute und den hohen Arbeitslosenzahlen in dieser Region. Bedeutsam ist auch, dass die Wende-Euphorie und die umfangreiche steuerliche Förderung von Immobilien in den neuen Bundesländern einen Bauboom ausgelöst hat, der weit über den Bedarf hinaus ging. "Viele Objekte finden selbst mit erheblichen Preisabschlägen keinen neuen Eigentümer", stellt Aufterbeck fest.

Die Notlage der Immobilienbesitzer eröffnet Kaufinteressenten die Chance, preiswert Eigentum zu erwerben. Wenn die Gläubigerbank zustimmt, können sie beim ersten Versteigerungstermin bereits mit einem Gebot den Zuschlag erhalten, das nur 50 bis 70 Prozent des Verkehrswertes beträgt. Beim zweiten Aufruf kann ein Objekt sogar für weniger als die Hälfte des Verkehrswertes ersteigert werden. Ob es sich dabei um ein Schnäppchen handelt, erweist sich mitunter erst später. Denn Bieter haben keinen Anspruch auf vorherige Begutachtung der Immobilie.

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