Wetten:Der Buchmacher gewinnt nicht mehr

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Das Spiel mit dem Risiko: Wettbüros waren für die Briten eine Institution - doch die Wirtschaftskrise lähmt die Lust auf Glücksspiele.

A. Oldag

Kostümfarbe der Queen beim nächsten Empfang auf Schloss Windsor oder der Favorit der Big-Brother-Show - es gibt kaum etwas, auf das die Briten nicht wetten. Der neueste Tipp, der derzeit in Wettbüros zwischen London und Edinburgh gehandelt wird, dreht sich um die spannende Frage, ob Michael Jackson vielleicht doch noch lebt und sich irgendwo auf der Welt vor seinen Fans versteckt hält. So steht der Wettkurs derzeit bei 1000 zu 1 auf eine überraschende Auferstehung des Popstars. Das heißt, wer ein Pfund auf den angeblich noch lebenden König des Pops setzt, hofft auf eine Einnahme von 1000 Pfund. Ein Double darf es allerdings nicht sein. Der echte Michael Jackson muss durch einen DNA-Test nachgewiesen sein.

Der Wallach Kauto Star räumte einen Sieg nach dem anderen ab - doch nun (Foto: Foto: Getty)

Bei diesen abstrusen und für Festland-Europäer vielleicht auch pietätlosen Wetten bewahrheitet sich der alte Branchenspruch, dass der Gewinner stets der Buchmacher ist. Er hat den Vorteil, dass er nicht das richtige Ergebnis voraussagen muss. Dabei wird unterschieden zwischen Wetten mit festen und variablen Gewinnquoten. Die großen Buchmacherfirmen arbeiten mit ausgeklügelten PC-Programmen, um beim Handel mit dem Glück nicht in die roten Zahlen zu geraten. Doch auch spektakuläre Wetten wie jetzt um Michael Jackson können über ein Problem nicht hinwegtäuschen: Den Wettbüros macht vor allem die Wirtschaftskrise zu schaffen. Selbst eingefleischte Tippfans knausern.

Vorsteuergewinn massiv eingebrochen

Einer der größten Wettbüro-Anbieter in Großbritannien, William Hill, gab jetzt bekannt, dass der Vorsteuergewinn im ersten Halbjahr um 18 Prozent auf 91,5 Millionen Pfund (etwa 107 Millionen Euro) eingebrochen ist. Das börsennotierte Unternehmen, das 2250 Wettbüros auf der Insel betreibt, führt dies auch auf eine Reihe "ungünstig" verlaufener Sportereignisse zurück - eigentlich das Brot- und Buttergeschäft der britischen Buchmacher.

So sorgt beispielsweise der Dauergewinner im Pferderennsport, der in Frankreich aufgezogene Wallach Kauto Star, kaum noch für Überraschungen. Er stellt derzeit seine Konkurrenz in den Schatten, unter anderem in diesem Jahr beim berühmten "Gold Cup" von Cheltenham. Das Problem: Ein solches auf Sieg programmiertes Pferd kann die Phantasie der Wetter nicht mehr so recht beflügeln, zumal wenn Tipps für potentiell erfolgreiche Außenseiter Mangelware sind. Langeweile am Wettmarkt ist der Tod fürs Geschäft, so Experten. Insofern leidet die Wettbranche ähnlich wie eine flaue Börse. Die Geschäfte laufen für die Makler schlecht, wenn es kaum kursbewegende Nachrichten gibt.

Firmenchef Ralph Topping von William Hill sieht noch ein weiteres Problem für die Branche: So sei das Produkt Pferdewetten schlicht etwas altmodisch geworden, räumte er in einem Interview ein. Man könne schließlich kaum noch einem 21-Jährigen die Feinheiten des Sports erklären, warum beispielsweise das jährliche Championat der Dreijährigen im britischen Newmarket exakt über eine Distanz von einer Meile (1609 Meter) gehe und unter dem Titel "2000 Guineas" stattfände. Guineas sind alte britische Goldmünzen, über die sich der Gewinner erstmals im Jahr 1809 freuen konnte. Heute kassiert der Sieger des Klassikers im britischen Rennsport ein Preisgeld von 400.000 Pfund.

Neue Branche, neues Glück

So versucht die Branche das Wettgeschäft in anderen, populäreren Sportarten wie dem Fußball anzukurbeln. Vor allem jüngere Tipper sollen in die Wettbüros gelockt werden. Die Buchmacher klagen allerdings darüber, dass auch der Fußball derzeit nur selten wirklich Spannendes liefere und viele Spiele in ihren Ergebnissen vorhersehbar seien. In der englischen Premier League dominieren die vier großen Clubs Manchester United, Arsenal, Chelsea und Liverpool.

Kein Zufall also, dass die Buchermacherfirmen nun verstärkt überlegen, in Steueroasen umzuziehen. So sollen die schwindenden Margen aufgebessert werden. William Hill kündigte laut britischen Medienberichten bereits an, sein Online-Geschäft nach Gibraltar zu verlegen. Etwa zehn Millionen Pfund Abgaben an das britische Finanzamt könnten so jährlich eingespart werden, heißt es.

Konkurrent Ladbroke soll ähnliche Pläne haben. Ob ein Standort auf der Isle of Man oder auf Malta in Frage kommt, scheint noch unklar zu sein. Finanzminister Alistair Darling zeigt sich indes über die Umzugspläne wenig begeistert, zumal die Branche vor acht Jahren einem "Gentlemen agreement" zugestimmt hatte, ihr Online-Geschäft in Großbritannien zu halten. Aber darauf wollten die Buchmacher offenbar keine Wette abschließen.

© SZ vom 06.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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