Weniger Neubauten:Bayern droht Wohnungsnot

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Innenminister Günther Beckstein schlägt Alarm: In fünf bis zehn Jahren droht ein Engpass bei der Wohnraumversorgung. Die Zahl der Baugenehmigungen hat ein historisches Tief erreicht.

Manfred Hummel

Die Zahl der Baugenehmigungen ist in diesem Jahr auf ein historisches Tief gesunken. Beckstein sieht deshalb die Wohnraumversorgung im Freistaat in Gefahr. So ist die Zahl der Baugenehmigungen nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung in den ersten drei Quartalen 2005 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 17,6 Prozent gesunken.

Die Münchner Buschingstraße. Nicht nur in der Landeshauptstadt gilt: Zu wenig Wohnraum, zu wenig Neubauten und zu viele Single-Haushalte. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Für das gesamte Jahr 2005 rechnet Beckstein mit weniger als 50.000 Baugenehmigungen. Das sei die niedrigste Zahl seit Jahrzehnten. Wenn sich dieser Trend nicht bald umkehre, drohten wegen der stetig wachsenden Zahl der Privathaushalte erneut Engpässe bei Wohnungen. "Ich hoffe, dass die neue Bundesregierung das Klima für Investitionen in den Wohnungsbau wieder verbessern kann", sagte Beckstein.

Auch die Eigenheimzulage wird fehlen

Momentan ist genau das Gegenteil der Fall. Nicht nur Abschreibungsmöglichkeiten sollen wegfallen. Die Berliner Koalitionsrunde hat auch beschlossen, die Eigenheimzulage abzuschaffen. Wer in deren Genuss kommen will, muss bis Ende dieses Jahres eine Immobilie erworben oder einen Bauantrag gestellt haben. Immerhin erhält zum Beispiel eine Familie mit zwei Kindern im Zeitraum von acht Jahren 22.800 Euro.

Bis Jahresende erwartet Xaver Kroner vom Verband bayerischer Wohnbauunternehmen deshalb noch einen Ansturm auf Bauträger-Objekte, aber dann werde sich der ohnehin schon bestehende Mangel noch verschärfen. Der Rückgang ist insbesondere auf die starke Abnahme der Baugenehmigungen für Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern zurückzuführen, haben die Statistiker herausgefunden.

Anleger halten sich zurück

Die Zahl der genehmigten Einfamilienhäuser sank um 21,4 Prozent von 20.224 auf 15.886, die der Wohnungen in Zweifamilienhäusern um 46,4 Prozent von 6.116 auf 3.287. Ein Indiz dafür, dass sich private Anleger - trotz niedriger Zinsen für Baudarlehen - aus Sorge um den Arbeitsplatz zurückhalten.

Die ohnehin niedrigen Genehmigungszahlen im Geschosswohnungsbau sanken dagegen nicht weiter. Es wurden 12.803 Baufreigaben für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und damit um 2,3 Prozent mehr als in den ersten drei Monaten des Vorjahres erteilt.

Neuer Wohnraum gleicht die Verluste nicht aus

Laut Kroner wurde in den vergangenen Jahren nicht einmal Ersatz geschaffen für alte Wohnungen, die durch Abriss wegfallen. Wohnraum geht auch verloren, wenn kleine Wohnungen aus den 1950er Jahren bei Modernisierungen zu größeren Einheiten zusammengefasst werden. 65.000 bis 70.000 neue Miet-Wohnungen müssten jährlich entstehen, um den Verlust auszugleichen. Der demographische Trend zu einer Vielzahl von "Single"-Haushalten bindet weiteren Wohnraum.

Trotz des stagnierenden Bevölkerungswachstums verzeichnet Bayern weiter Zuzug, was die Situation verschärfe. In fünf bis zehn Jahren werde der Engpass spürbar sein.

Wie Kroner sieht auch Josef Wallner, Geschäftsführer des Verbandes der bayerischen Bauindustrie, viele Ursachen für den Rückgang. Eine sei das restriktive Mietrecht. Große Kapitalanleger wie Versicherungen hätten sich ganz aus dem Wohnungsmarkt zurückgezogen, weil die Rendite zu gering sei. Hohe Energiepreise treiben die Betriebskosten in die Höhe, ebenso Vorgaben zur Energieeinsparung und Mietverluste als Folge von Hartz IV. "Das alles bleibt am Vermieter hängen", sagt Kroner. Kein Wunder also, dass ihm die Lust am Investieren vergehe, zumal auch noch die steuerlichen Anreize wegfallen.

(SZ vom 18.11.2005)

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