US-Immobilienkrise:Die zornigen Propheten

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Mahnende Worte von Joseph Stiglitz, Robert Shiller und William F. Sharpe: Die amerikanische Immobilienkrise war vorhersehbar, sagen die drei Ökonomen.

Markus Zydra

Es tut gut, wenn komplexe Sachverhalte wie die Kreditkrise in einer Frage komprimiert werden. "Warum haben US-Banken Hauskredite an arme Bürger vergeben?", fragt Joseph Stiglitz. Der Wirtschaftsnobelpreisträger von 2001 lacht rau. "Banken sind doch nicht für solche Almosen bekannt", stänkert er weiter. "Das hätte doch alle Welt misstrauisch machen müssen", ruft Stiglitz. Viele im Publikum nicken: Ja, so einfach ist es! Doch dann steht in manchem Gesicht die Frage geschrieben: Warum war denn niemand misstrauisch? "Keiner wollte die Party verderben", antwortet Stiglitz ungefragt. "Außerdem wurden die Kredite sofort weiterverkauft."

Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften. (Foto: Foto: AFP)

Nun ist Stiglitz keiner der unangenehmen Besserwisser - ihm war das Geschäft mit den US-Häusern schon immer suspekt. Genauso erging es Yale-Professor Robert Shiller, der das Platzen der Internetblase im Jahr 2000 vorausahnte, und auch William F. Sharpe, dem Wirtschaftsnobelpreisträger von 1990.

Die drei Ökonomen sprachen beim "Institutional Money Kongress" in Frankfurt. Selten ballt sich soviel kritische US-Intelligenz zur selben Zeit am selben Ort. Hunderte Finanzmarktprofis lauschten den Ansprachen. Kernaussage: Schnell steigende Preise deuten auf eine Blase hin! Zugegeben, das klingt banal. Allerdings zeigt die Finanzkrise, wie gerne sich Profis solch banalen Einsichten entziehen. Viele machten mit bis zum Schluss, weil sie dachten, noch rechtzeitig abspringen zu können.

Kumulierte Dummheit

Immer wieder gibt es dieses Herdenverhalten. Vielleicht war das auch der Grund, dass die drei Finanz-Propheten in ihren Ansprachen zwischen Zorn und Ironie schwanken. "Warum stiegen denn die US-Häuserpreise?" fragte Robert Shiller. "Die Baukosten waren konstant, die Bevölkerung wuchs nicht, die Zinsen fielen kaum", zählt er auf. Dabei lacht er nach jedem Satzabschnitt und schüttelt dabei den Kopf. In diesem Moment scheint er die kumulierte Dummheit der Welt vor Augen zu haben, denn sein Kopfschütteln drückt Hilflosigkeit aus. Seit Jahren hatte er gewarnt, dass die amerikanische Immobilienblase platzt, und er machte sich keine Freunde.

"Die Preise stiegen, weil die Gier nach Reichtum ansteckte", sagte Shiller. Auch der Globalisierungskritiker Stiglitz wurde als Schwarzseher bezeichnet. Nun haben Investoren weltweit bereits rund 100 Milliarden Dollar abgeschrieben, und für die vierfache Summe steht das wohl noch aus. "Da haben einige Banken noch nicht ihre Hand gehoben", unkte Stiglitz. Als William E. Sharpe das Pult betritt, macht er allen eine Freude. "Ich werde auf mathematische Formel verzichten", verspricht er, was angesichts seines Themas eine Leistung ist. "Viele Anleger sammeln, ohne es zu wissen, Geldstücke vor einer Dampfwalze auf", sagte Sharpe vor dem Hintergrund der Finanzkrise.

Neue Finanzprodukte riskanter als Aktien und Anleihen

Neue Finanzprodukte wie Hedge-Fonds, Private Equity oder Reits (Immobilienaktien) würden größere Gefahren und andere Risiko-Zusammenhänge aufweisen als Aktien und Anleihen. Deshalb müsse die Risikokontrolle neu geregelt werden. Sharpe erhielt 1990 den Nobelpreis für die Entwicklung der sogenannten Sharpe-Ratio - eine Kennzahl dafür, welches Risiko der Anleger eingeht, um eine bestimmte Rendite zu erzielen.

Risikomodelle arbeiten auf Basis von mathematischen Wahrscheinlichkeiten. Historische Daten werden analysiert, etwa um zu prüfen, ob der Goldpreis und die Aktienmärkte gleichzeitig fallen oder steigen - ob sie korrelieren, wie der Fachmann sagt. Für ein gutes Portfolio ist es wichtig, möglichst wenig Korrelation der Anlagen zu haben. Auf Basis der Vergangenheitsdaten kann man eine Aussage darüber treffen, wie wahrscheinlich ein bestimmtes Marktszenario ist - beispielsweise eine Krise wie derzeit. "Doch die historischen Renditen sind keine gute Prognose-Grundlage für künftige Renditen", warnte Sharpe. "Wir müssen realistischer werden." Sharpe spricht aus, was vielen Experten Sorge macht. Die Risikokontrollsysteme vieler Banken haben die Gefahren unterschätzt. Die Wahrscheinlichkeitsrechnungen stimmen nicht mehr. Stiglitz: ,,Finanzkrisen, die eigentlich nur alle hundert Jahre passieren dürften, geschehen alle zehn Jahre."

© SZ vom 20.02.2008/ang - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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