Übermäßige Staatsschulden:Die Papiergeldkönige

Lesezeit: 3 min

Kein absurdes Szenario: Erst machen die Notenbanken Verbindlichkeiten zu Geld, dann entschulden sie sich über die Inflation. Doch das wäre traumatisch.

Catherine Hoffmann

Das Jubiläum ist ein Freudentag, aber was für einer, das ist in Vergessenheit geraten. Während wir heute bei Jubiläen an Geburtstage von Königen oder Kollegen denken, ist im Alten Testament etwas ganz anderes gemeint: der generelle Erlass aller Schulden und die Freilassung der Sklaven, im Rhythmus von 50 Jahren.

Noch steht die Dollarnote für einen Wert. Dieser sollte durch die Konjunkturprogramme der Regierung nicht unterhöhlt werden. (Foto: Foto: Reuters)

"Erklärt dieses 50. Jahr für heilig, und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus! Es gelte euch als Jubeljahr", heißt es im Buch Levitikus.

Solche Ideen mögen uns utopisch vorkommen. Wie kann eine Gesellschaft funktionieren, in der zwei Mal im Jahrhundert jegliche Schuld gestrichen wird?

Doch die Geschichte zeigt, dass ein allgemeiner Schuldenerlass immer wieder vorkam. Dabei muss man gar nicht bis in biblische Zeiten zurückgehen, es reicht das vergangene Jahrhundert.

Vertrauen in die Republik unterhöhlt

So zog der US-Historiker Gerald Feldman Parallelen zwischen dem "Jubeljahr" und der Hyperinflation im Deutschland der 20er Jahre, die in eine Währungsreform mündete. Damit waren auf einen Schlag sämtliche Staatsanleihen - die Schulden der Regierung - wertlos. Wer sie besaß, hatte keinen Grund zu jubeln. Die Hyperinflation von 1923 vernichtete die Sparguthaben der kleinen Leute und unterhöhlte das Vertrauen in die Republik.

Heute gibt es wahrscheinlich nicht wenige Menschen, die sich ein biblisches "Jubeljahr" wünschen, damit die Schuldenexzesse der vergangenen Jahre ausgelöscht werden.

Viele Finanzinstitute haben sich an faulen Schulden überfressen - und so die Kreditkrise verursacht, die Anleger so böse überraschte. Bankenpleiten, Rettungspakete, Konjunktureinbrüche, Kursabstürze an der Börse: Die meisten hätten sich das vor einem Jahr nicht vorstellen können.

Um Verluste zu vermeiden, kauften die Ängstlichen deutsche Bundesanleihen und amerikanische Schatzwechsel, nur sicher sollte das Geld sein. Historisch niedrige, ja negative Renditen wurden hingenommen, um dem Krisenkraken zu entfliehen.

Aber was wäre, wenn sich ausgerechnet Staatspapiere als die gefährlichste Investition herausstellten, die man machen kann?

Spendabler Staat

Grund für diese bange Frage gibt es. Die Politiker werden immer kühner, wenn es darum geht, Banken, Unternehmen, ja ganze Länder vor der Pleite zu bewahren. Aus Furcht vor einer tiefen Depression lassen sie nichts unversucht, um der schwerkranken Konjunktur Leben einzuhauchen. Ein immer größer werdender Teil der Wirtschaft ist in der Hand von Regierungen. Und weil Familien und Firmen immer knauseriger werden, zeigt sich der Staat spendabel.

Um das nötige Kapital für ihre Wohltaten aufzubringen, verkauft die US-Regierung Staatsanleihen. Noch werden sie begeistert aufgenommen. Schließlich sind die staatlichen Schuldscheine durch das ungeheure Bruttoinlandsprodukt des Landes gedeckt.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum es fatal wäre, wenn der Staat seine Schatzbriefe direkt an die Notenbank verkaufen würde.

Was aber geschieht, wenn das Vertrauen schwindet, dass diese Anleihen leicht zurückgezahlt werden können - inklusive einer hübschen Verzinsung? Wollen die US-Bürger ihrem Staat kein Geld mehr leihen und verlieren ausländische Kapitalgeber den Appetit auf US-Zinspapiere, brechen ihre Kurse ein.

Wenn die Regierung das nötige Kapital für ihre Konjunkturprogramme nicht mehr von den Anlegern bekommt, wird sie Geld drucken müssen - so wie in den 20er Jahren auch. Weil Politiker längst mit dem Rückgang der privaten Nachfrage nach amerikanischen Anleihen rechnen, sprechen sie heute schon davon, die Schatzbriefe direkt an die Notenbank zu verkaufen.

Angebot und Nachfrage gelten auch bei Papiergeld

Das wäre fatal, hieße es doch nichts anderes, als dass die Währungshüter die Schulden des Staates zu Geld machten, Dollar druckten und die Inflation beflügelten.

Unter normalen Umstände ist das für eine Notenbank tabu, denn damit bläht sie die Geldmenge auf - und untergräbt den Wert der Währung. Auch für das Papiergeld gelten die Regeln von Angebot und Nachfrage: Je mehr davon im Umlauf und je weniger es gefragt ist, desto tiefer fällt sein Wert.

Den Staat als Schuldner freut das. Mit der Geldentwertung schwinden seine Lasten. Gerät die Inflation erst einmal ins Laufen, könnten sich Staatsanleihen als verlustreiches Investment erweisen.

So mancher Ökonom wird jetzt empört den Kopf schütteln. Aber vielleicht fehlt es den Volkswirten ja an Vorstellungskraft. Die Geschichte ist voller Beispiele, wie sich Schuldner ihrer Gläubiger entledigen.

Staatspleiten die Regel, nicht die Ausnahme

Erinnert sei an das traurige Schicksal der Tempelritter. Durch Kreuzzüge hatten sie enormes Kapital gesammelt und als bedeutende Geldgeber europäischer Könige gut gelebt. Philipp IV. war hoch verschuldet bei ihnen - zu hoch. Mit Hilfe des Papstes vernichtete er die Templer und beschlagnahmte ihre Güter. Schon war er seine Schulden los.

Nun werden verschuldete Regierungen heute eine andere Lösung wählen. Es wäre aber ein Fehler zu glauben, dass Staaten nicht mehr versuchten, sich von ihrer Schuldenlast zu befreien, zur Not mit unlauteren Mitteln.

Der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff und seine Kollegin Carmen Reinhart haben die Weltgeschichte der Finanzkrisen untersucht und dabei 800 Jahre und mehr als 60 Länder angesehen. Es stellt sich heraus: Bankenkrisen, Zahlungsausfälle und Staatspleiten waren historisch die Regel, nicht die Ausnahme.

Jetzt haben sich wieder einmal Banken verzockt und Staaten übernommen. Die amerikanische Notenbank hat Tausende Milliarden Dollar zweifelhafter Kredite in ihren Büchern stehen, bald werden vielleicht US-Staatsanleihen folgen. Will sie ihre Bilanz ins Lot bringen, müssen die Bürger zittern. Eine Zentralbank kann sich entweder durch Inflation aus dem Schlamassel ziehen oder abwarten, bis der Steuerzahler sie saniert. Beide Lösungen sind äußerst traumatisch.

© SZ vom 03.01.2009/pak/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: