Telefonabzocke:Bei Anruf Betrug

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Drastischer Fall von Abzocke: Dubiose Gewinnspielfirmen zockten mit dreisten Methoden einen geistig Behinderten ab - der Mann verlor 40.000 Euro.

Marco Völklein

Bei einem Umzug kommt so manches zu Tage. Was allerdings Wolfgang K. beim Ausmisten der Wohnung seines behinderten Sohnes entdeckte, versetzte dem 79-Jährigen einen Schlag: Über mehrere Jahre hatten dubiose Gewinnspielfirmen seinem Sohn Geld vom Konto abgebucht.

Gefährliche Versuchung: Am Telefon locken Anbieter oft mit Sachgewinnen oder Geldpreisen. Meist versteckt sich dahinter allerdings der Versuch, arglose Verbraucher abzuzocken. (Foto: Foto: dpa)

Wegen eines frühkindlichen Gehirnschadens ist Uwe K. geistig eingeschränkt, zudem hat er eine starke Seh- und Sprechbehinderung. "Mit etwas Hilfestellung von mir kommt er aber im alltäglichen Leben einigermaßen zurecht", sagt sein Vater Wolfgang K.

Sein Sohn Uwe lebt in einer eigenen Wohnung, er arbeitet in der Poststelle einer öffentlichen Einrichtung. Aber auf die Tricks der Gewinnspielgauner fiel der 54-Jährige dann doch herein. Etwa 40.000 Euro zockten die Anbieter mit ihren dreisten Methoden über die Jahre ab.

Austauschbare Anbieter, identisches Vorgehen

Angefangen hatte alles, so hat es Vater Wolfgang mittlerweile herausgefunden, vor etwas mehr als drei Jahren. Callcenter riefen reihenweise bei Uwe K. an, fragten ihn, ob er denn nicht an einem neuen Gewinnspiel teilnehmen wolle. Ob "Europa-Chance", "Gewinn-Marathon" oder "Gewinner-Club 49" - die Namen der Anbieter sind austauschbar, ihr Vorgehen aber oft identisch.

Den Anrufern fiel es leicht, Uwe K. zu überreden; offenbar verstand er auch nicht so ganz, was die Mitarbeiter der Callcenter eigentlich von ihm wollten. Sie versprachen "tolle Sachgewinne" oder "hohe Geldpreise"; andere stellten in Aussicht, ihn ein Vierteljahr lang kostenlos mitspielen zu lassen.

Um die Gewinne auszahlen zu können oder die "lästigen Steuern bei Sachgewinnen" abbuchen zu können, fragten die Firmen noch die Kontoverbindungsdaten ab. Und Uwe K. gab sie arglos durch. Oder die Daten lagen den Anrufern bereits vor, und Uwe K. musste nur noch mit "Ja, stimmt" bestätigen. "Damit", sagt Wolfgang K., "ist die Falle zugeschnappt".

Ein schlichtes "Ja" reicht

Denn von diesem Zeitpunkt an waren Uwe K.s Daten, sein Name, seine Adresse, seine Kontoverbindung von den Callcenter-Betreibern erfasst. Und mit dem schlichten "Ja" am Telefon hatte Uwe K., ohne es zu realisieren, einen Vertrag mit den Anbietern abgeschlossen.

Das passiert auch vielen Nicht-Behinderten, weiß Carmen Gahmig von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Denn per Telefon können mündlich Verträge geschlossen werden - ohne dass schriftlich etwas vereinbart werden muss. "Wie bei einer Pizzabestellung", sagt Gahmig. Da muss auch kein Schriftstück unterzeichnet werden, damit der Pizzaservice das Essen liefert - und der Kunde verpflichtet ist, bei ordnungsgemäßer Lieferung am Ende zu bezahlen.

Dubiose Unternehmen nutzen diese Möglichkeit aus und schieben so ahnungslosen Verbrauchern immer wieder Verträge unter. Neben Gewinnspielanbietern setzen auch Telekommunikationsunternehmen und Firmen aus dem Zeitschriftenvertrieb auf diesen Trick.

Zwar hat der Gesetzgeber zuletzt die Vorschriften etwas verschärft, nach Angaben von Verbraucherschützern machen die Anbieter aber bisher nahezu ungebremst weiter.

Dass die Callcenter an Name, Telefonnummer, zum Teil auch an die Kontodaten von Uwe K. gelangten, hat mit dem löchrigen Datenschutz zu tun. Einmal am Haken der Callcenter-Agenten, gaben sie die Daten von Uwe K. immer wieder weiter.

Vergangenen Sommer sah sich die Regierung gezwungen, einen "Datenschutzgipfel" einzuberufen. Zuvor waren CDs mit Daten von Millionen Bürgern aus dunklen Kanälen aufgetaucht. Die Minister versprachen, den Datenhändlern Einhalt zu gebieten.

Politischer Zoff

Doch außer viel politischem Zoff ist wenig passiert. Vergangene Woche einigte sich die Koalition zwar auf einen Kompromiss. Doch kurz darauf meldeten Verbraucherpolitiker der SPD-Fraktion erneut Widerstand an. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) kritisiert, die Politik sei gegenüber den Interessen der Wirtschaft eingeknickt; der ursprüngliche Ansatz für einen besseren Schutz der Daten sei verwässert worden.

Fraglich ist nun, ob das Gesetz überhaupt noch kommt. Denn die Zeit drängt: Die letzte Chance, die neuen Datenschutzvorschriften noch in dieser Legislatur zu beschließen, haben die Parlamentarier in der kommenden Woche. Danach verabschieden sich die Politiker in die Ferien oder gleich in den Wahlkampf - bis zur Stimmabgabe im Herbst.

Während Berlin streitet, ist Wolfgang K. in München damit beschäftigt, das Geld zurückzuholen, das die Firmen seinem Sohn abgebucht haben. 6000 Euro konnte er bereits zurückbuchen lassen. Das Konto seines Sohnes löste er auf, damit nichts mehr abfließen kann.

Dreiste Reaktionen

An zahlreiche der 70 Firmen, die sich über die Jahre bei Uwe K. bedient haben, hat er Beschwerdebriefe geschickt. "Die Reaktionen sind unterschiedlich", erzählt K. Einige bedauern, die Behinderung sei am Telefon nicht erkennbar gewesen. Andere beharren darauf, dass der - untergeschobene - Vertrag erfüllt wird. Die meisten reagieren gar nicht.

Ganz dreist zeigte sich ein Unternehmen aus Potsdam. An das hatte sich K. ebenfalls mit der Bitte gewandt, die Firma solle doch die Beträge auf sein, also Wolfgang K.s Konto, zurücküberweisen - schließlich wurde ja das Konto des Sohnes aufgelöst.

Seine eigenen Kontodaten führte Wolfgang K. in dem Schreiben extra auf. Das war ein Fehler: Eine Rücküberweisung ging nämlich nicht ein. "Stattdessen", erzählt Wolfgang K., "haben die Gauner versucht, das Geld einfach von meinem Konto einzuziehen."

© SZ vom 27./28.06.2009/kaf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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