Streit um Ärztehonorare:Schmidt drängt auf Einigung

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Im Streit um die Ärztehonorare warnt die Gesundheitsministerin vor einem Abbruch der Schlichtungsrunde. Die Mediziner fordern indes 2,5 Milliarden Euro mehr von den Krankenkassen.

Guido Bohsem

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat im Streit über die höhere Honorierung von niedergelassenen Ärzten zu einem Kompromiss aufgerufen. Sie warnte insbesondere die Mediziner davor, die Verhandlungen abzubrechen. Die Ärzte dürften ihre ureigene Verantwortung nicht aus der Hand geben, mit den Kassen über die Entgelte zu verhandeln.

"Kassen und Ärzte müssen zu einem Ergebnis kommen", fordert Gesundheitsministerin Schmidt. (Foto: Foto: dpa)

"Kassen und Ärzte müssen zu einem Ergebnis kommen", sagte Schmidt am Dienstag. Auch die Vertreter der Kassen bekräftigten ihren Verhandlungswillen. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, betonte hingegen, die Ärzte müssten einen kräftigen Einkommenszuwachs erhalten. Die Mediziner hatten mit bundesweiten Streiks gedroht, falls ihre Forderungen nicht erfüllt würden.

Die KBV und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wollen an diesem Mittwoch erneut zu einer Schlichtungsrunde zusammenkommen. Die etwa 130.000 niedergelassenen Ärzte verlangen von den Kassen eine Honorarsteigerung von mindestens 2,5 Milliarden Euro. Das wäre ein Plus von etwa zehn Prozent. Ihre ursprüngliche Forderung lag zwei Milliarden Euro höher. Köhler hatte die letzte Verhandlungsrunde abgebrochen und das Angebot des als Schlichter eingesetzten Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem als zu niedrig bezeichnet. Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes hatte das Volumen des Kompromissvorschlages 2,1 Milliarden Euro betragen. Köhler sprach hingegen von 1,4 Milliarden Euro.

Kommen Ärzte und Kassen auch in dieser Runde nicht zu einem Ergebnis, muss Gesundheitsministerin Schmidt die Honorarsteigerung festlegen. Schmidt und auch Kanzlerin Angela Merkel hatten den Medizinern eine Steigerung von 2,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Falls auch das neue Schlichterangebot niedriger ausfallen sollte, könnte also für die Ärzte ein Ausstieg aus den Verhandlungen von Vorteil sein.

"Wir gehen an den Verhandlungstisch mit der klaren Erwartungshaltung, vom neutralen Schlichter ein deutlich verbessertes Angebot vorgelegt zu bekommen", sagte Köhler der Süddeutschen Zeitung. Jeder niedergelassene Arzt müsse einen spürbaren Ausgleich für die seit mehr als zehn Jahren anhaltende Unterfinanzierung erhalten. Die Honorare der Ärzte sind im Gesundheitssystem gedeckelt. Nach Aussagen der KBV behandeln die Mediziner inzwischen etwa ein Drittel ihrer Kassenpatienten, ohne dafür zusätzliches Geld zu bekommen.

Der Verhandlungsführer des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, forderte die Ärzte auf, weiter an den Gesprächen teilzunehmen. "Die Entscheidung über die Arzthonorare sollte am Verhandlungstisch fallen und nicht der Politik überlassen werden", sagte er. Es müsse das gemeinsame Ziel von Ärzten und Kassen sein, eine Lösung zu finden, in deren Mittelpunkt die gute Versorgung der Versicherten stehe.

Durch die Honorarsteigerungen werden auf die etwa 50 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Kassen und ihre Arbeitgeber höhere Kosten zukommen. Nach einer Faustformel steigt der Beitragssatz für jede Milliarde an zusätzlichen Ausgaben um 0,1 Prozentpunkte. Derzeit liegt der durchschnittliche Satz bei 14,9 Prozent des Bruttogehalts. 0,9 Punkte davon zahlen die Versicherten alleine, den Rest teilen sie sich mit den Arbeitgebern. Ein Honorarplus von 2,5 Milliarden Euro würde den Beitragssatz also auf durchschnittlich 15,15 Prozent steigern. Ministerin Schmidt verteidigte die zusätzlichen Ausgaben. Es sei völlig klar, dass eine bessere Honorierung der Mediziner Geld koste, sagte sie. "Die Versicherten und die kranken Menschen wollen, dass ihre Ärzte besser bezahlt werden."

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verdient ein niedergelassener Arzt im Durchschnitt pro Jahr etwa 120.000 Euro. Davon sind bereits alle Kosten für die Praxisausstattung, das Personal, die Miete, Strom, Heizung und Kreditzinsen abgezogen - Steuern, Krankenversicherung und Altersvorsorge jedoch nicht. In der Honorierung der Ärzte in Gemeinschaftspraxen gibt es erhebliche Unterschiede. So erhalten Radiologen mit 19.083 Euro im Monat überdurchschnittlich viel. Kinderärzte kommen auf 10.000 Euro und Hausärzte nur auf 8667 Euro. Die jüngsten verfügbaren Zahlen des Amtes stammen von 2003.

Die Verhandlungen zwischen Ärzten und Kassen sind eine Folge der im vergangenen Jahr beschlossenen Gesundheitsreform. Um die Abrechnung für die Mediziner transparenter zu machen, hatte die große Koalition vereinbart, dass diese künftig in Euro und Cent abrechnen und nicht mehr wie bislang nach Punkten. Ziel der Koalition ist es außerdem, die Honorierung der Ärzte zu vereinheitlichen. Das heißt, künftig soll beispielsweise ein Kinderarzt in Mecklenburg-Vorpommern annähernd so viel verdienen wie sein Fachkollege in Bayern. Bedingung dafür ist jedoch, dass die Mediziner in Bayern nicht weniger bekommen. Damit soll der drohende Ärztemangel im Osten behoben werden.

© SZ vom 27.08.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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