Streiflicht:Das Beet ist voll

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Der Deutschtürke Cengiz Keles bekommt keinen Schrebergarten. Denn der Verein "Gartenfreunde" nehme ab sofort keine Ausländer mehr auf, weil diese "nie an geselligen Anlässen teilnehmen".

Der Schrebergarten verdankt seinen Namen dem Arzt und Reformpädagogen Daniel Gottlob Schreber, dessen Steckenpferd die "gesunde Triebabfuhr" bei jungen Menschen war, weshalb er unbequeme mechanische Geräte zur Verhinderung der Selbstbefriedigung ersann.

Da die Jugendlichen sich anscheinend nicht davon abhalten ließen, an den Geräten vorbei ihre Triebe ungesund abzuführen, verwarf er diese Frühform der Apparatemedizin wieder und machte sich stattdessen für Spielplätze vor den Toren der Stadt stark. Schließlich hatten die Kinder in den urbanen Mietskasernen kaum Platz zum Toben.

Ob heutzutage die Menschen in urbanen Mietskasernen selbstbefriedigter durchs Leben gehen als in alleinstehenden Anwesen im Grünen, wissen wir nicht. Es wäre auch in hohem Maße unverantwortlich, von der Masturbiermarotte des Herrn Schreber auf das Triebverhalten auch nur eines deutschen Schrebergärtners zu schließen.

Dank einer beim Hamburger Trendbüro in Auftrag gegebenen Studie darf aber als gesichert gelten, dass Schrebergärten neuerdings deshalb bei jungen Leuten so beliebt sind, weil bei diesen "gemeinsames Abhängen in der Natur hoch im Kurs steht".

Ersetzt man den Ausdruck gemeinsames Abhängen durch geselliges Beisammensein, würden wahrscheinlich auch die meisten älteren, gänzlich trendfern dahinlebenden Schrebergartenbesitzer die Erkenntnis des Hamburger Büros unterschreiben. Ja vielleicht darf man das liebevolle Herumdoktern an Trieben und Knospen überhaupt als eine der glücklichsten Formen der Sublimierung bezeichnen.

Wie auch immer: Dem Deutschtürken Cengiz Keles wurde nun sowohl das gemeinsame als auch das einsame Abhängen in einem Schrebergarten verboten. Der Vorsitzende der Kleingartenanlage "Gartenfreude" in Atens bei Nordenham, Kreis Wesermarsch, beschied dem 28-jährigen Bäcker, der in Deutschland geboren wurde und aufwuchs, der Verein nehme ab sofort keine Ausländer mehr auf, weil diese "nie an geselligen Anlässen teilnehmen. Die wollen nur herkommen, grillen und eine Tasse Tee trinken. Ein paar kann man durchziehen, aber irgendwo ist Schluss!" Kurzum: Das Beet ist voll.

Türken? Nicht feiern? Ungesellig? Unseren kernigen Vorurteilen nach feiern Türken den ganzen Tag. Sie schächten Hammel im Hausflur, deren essbare Teile sie dann mit der Großfamilie unter dem Abspielen lauter Musik zu kokelschwarzem Krebsfleisch grillen.

Jetzt aber lernen wir: Der deutsche Schrebergartentürke steht stumm am Grill und trinkt Darjeeling-Tee. Cengiz Keles erwägt rechtliche Schritte. Vielleicht sollte er darauf verzichten und sich einen anderen Verein suchen. Sollen sich die Mitglieder der Gartenfreude doch ihre Gäste selbst besorgen.

© SZ vom 7.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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