Staaten in der Finanzkrise:Vertrauen - verzweifelt gesucht

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Mit aller Kraft suchen die Nationen Wege aus der Krise. Weltweit bemühen sich Regierungen um die Rettung ihrer Banken. Vor dem Treffen der G-7-Finanzminister appelliert Großbritanniens Premier: Nur gemeinsam ist der Weg zu schaffen.

Milliardenschwere Rettungspakte der US-Regierung und konzertierte Zinssenkungen der wichtigsten Notenbanken der Welt sind bisher wirkungslos an den Aktienmärkten verpufft. Die Kurse rasen umgebremst in die Tiefe. Scheinbar hilflos müssen die Regierungen großer Industriestaaten - allen voran der USA - zusehen, wie die Weltwirtschaft immer stärker in Bedrängnis gerät. Auf unterschiedliche Weise versuchen sie der Bedrohung Herr zu werden.

Deutschland: Verstaatlichung als letzte Lösung

Die Bundesregierung sieht in der internationalen Finanzkrise derzeit keinen Grund zur Verstaatlichung von Banken. "Es gibt im Augenblick in Deutschland keine aktuellen Überlegungen in diese Richtung", sagte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Torsten Albig, am Freitag in Berlin. Albig und Regierungssprecher Thomas Steg betonten, dass es in dieser Frage keinen Dissens zwischen Finanzministerium und Kanzleramt gebe. Die Bundesregierung sei sich in dieser Bewertung völlig einig, sagte Steg. In Island wurden zuletzt die großen Banken verstaatlicht. Auch in anderen Ländern wird über einen solchen Schritt nachgedacht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Donnerstagabend in Berlin auf die Frage nach der Möglichkeit einer Banken-Verstaatlichung in Deutschland erklärt, die europäischen Finanzminister hätten sich verpflichtet einzugreifen, wenn Finanzinstitute in Gefahr seien.

Deutschland habe sich in einem Fall für eine Bürgschaft entschieden. Weiter sagte die CDU-Vorsitzende: "Wir werden natürlich jetzt in Vorbereitung auf ein koordiniertes europäisches Vorgehen darauf schauen, dass wir keine Möglichkeit sozusagen völlig ausschließen können."

Steg betonte, Merkel habe sich damit nicht auf den Begriff der Verstaatlichung festgelegt. Albig sagte, eine Koordinierung staatlicher Maßnahmen auf internationaler Ebene sei sehr wichtig. Gleichzeitig müsse man sich aber auch die Zeit nehmen, Entwicklungen und die Wirkung von Maßnahmen abzuwarten. Noch sei offenbar kein Weg gefunden worden, der für eine Beruhigung an den Märkten sorgen würde. "Wir handeln dann, wenn wir handeln müssen", sagte Albig.

Merkel mahnte zu einer internationalen Zusammenarbeit, um die Finanzkrise zu bewältigen. Gegen einen europäischen Rettungsfonds sperrt sich die deutsche Regierung. Nötig seien jedoch "internationale Regeln", damit sich eine Finanzkrise wie derzeit nicht wiederhole, sagte Merkel am Freitag in Dresden auf einem CDU-Perspektivkongress.

Zugleich verteidigte sie angesichts der schwierigen Situation das Eingreifen des Staates. Wenn große Banken in Gefahr seien, müssten diese geschützt werden, sagte die Kanzlerin. Es gehe nicht darum, den Bankern zu dienen. Ziel der Aktivitäten sei es vielmehr, die Anlagen und Sparguthaben der Bevölkerung zu schützen. "Das ist die Maxime des Handelns", fügte Merkel hinzu.

Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ist derzeit auch nicht geplant, ein Konjunkturprogramm einzuleiten. Zunächst müsse die Prognose der Bundesregierung abgewartet werden, sagte Ministeriumssprecherin Beatrix Brodkorb. Erst wenn man sehen könne, wie es um die Konjunktur bestellt sei, könne man sich Gedanken über Maßnahmen machen. Minister Michael Glos (CSU) sei rund um die Uhr in "intensiven Gesprächen" mit Industrie und Verbänden. Glos sei keineswegs abgetaucht sondern "sehr, sehr aktiv".

Glos will am Montag mit Spitzenverbänden von Wirtschaft und Banken über die Folgen der Finanzkrise beraten. Brodkorb sagte, das Gespräch solle dazu dienen, an einem Tisch zusammen mit großen Konzernen, kleineren und mittelständischen Unternehmen die verschiedenen Situationen in den Wirtschaftszweigen zu analysieren. Dann müsse geprüft werden, ob Hilfe benötigt werde und wer sie brauche. Ziel sei es, Schnellschüsse zu vermeiden und mögliche Maßnahmen gemeinsam zu besprechen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Großbritanniens Premier Gordon Brown allen Staaten die Verstaatlichung von Banken empfiehlt.

Finanz-Ratschläge vom Briten-Premier

Der britische Premierminister Gordon Brown empfiehlt zur Beruhigung der Finanzmärkte auch anderen Staaten die Verstaatlichung ihrer Banken. In einem am Freitag in der Times veröffentlichten Artikel riet Brown den Regierungen rund um den Globus, Großbritanniens "wegweisendem" Beispiel zu folgen, Anteile an den größten Banken zu kaufen und ihnen Kredite zur Verfügung zu stellen. Für dieses Hilfspaket hatte London am Mittwoch insgesamt bis zu 500 Milliarden Pfund (rund 630 Milliarden Euro) zur Verfügung gestellt.

Brown schrieb in seinem am Freitag veröffentlichten Artikel, er habe es sich niemals träumen lassen, einmal die Banken des Landes teilzuverstaatlichen. "Aber in neuen Zeiten braucht man neue Ideen. " Die Lösungen von gestern taugten nicht für die Herausforderungen von heute und morgen. "Wir müssen abgenutzte Dogmen hinter uns lassen und neue Lösungen suchen." Jede Regierung müsse eine Politik gemäß der Lage im eigenen Lande machen, es müsse aber eine Zusammenarbeit "basierend auf dem britischen Vorstoß" geben.

Am Freitag kommen die Finanzminister der sieben führenden Industrienationen (G-7) in Washington zu Beratungen über die Finanzkrise zusammen. Sie treffen sich am Samstag auch mit US-Präsident George W. Bush und den Präsidenten des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Er hoffe, dass diese Treffen zu einem "Führungstreffen" führten, "bei dem wir die Prinzipien und die Methoden festlegen, um das Banken- und Finanzsystem rund um den Globus neu zu ordnen", sagte Brown.

Lesen Sie im dritten Teil, wie die US-Regierung mit einer milliardenschweren Garantie für Bankschulden Vertrauen schaffen möchte.

US-Regierung erwägt Schuldengarantie

Die US-Regierung erwägt einem Zeitungsbericht zufolge eine milliardenschwere Garantie für Bankschulden und zeitweise auch aller Bankeinlagen. Damit wollten die USA die Kreditklemme lockern und auch die massiven Verluste an den Aktienmärkten stoppen, berichtet das Wall Street Journal am Freitag. Die zwei Maßnahmen wären dem Bericht zufolge der bisher größte Staatseingriff in das US-Finanzsystem.

Bereits am Donnerstag hatte die US-Regierung erklärt, eine systematische Teilverstaatlichung von Banken durch den Kauf stimmrechtsloser Aktien zu prüfen. Wie Reuters erfuhr, arbeitet Finanzminister Henry Paulson mit Hochdruck an einem für Banken freiwilligen Programm, um bereits bis Monatsende erste Geldspritzen verabreichen zu können. Die Regierung wolle dabei stimmrechtslose Aktien der Institute erwerben, erklärte eine Person, die mit den Plänen Paulsons vertraut ist.

Viele US-Politiker sprechen sich für eine solche Lösung aus, da die Regierung im Falle einer Erholung an den Aktienmärkten später aus Beteiligungen einen Profit schlagen könnte. Mit Hilfe der Kapitalspritzen könnten die Banken wieder freizügiger Kredite vergeben und damit den Wirtschaftskreislauf ankurbeln.

Zusätzlich plant die Regierung mit dem Ende vergangener Woche beschlossenen Rettungspaket über 700 Milliarden Dollar, den Banken faule Kredite abzukaufen. Eine direkte Beteiligung könnte jedoch voraussichtlich deutlich schneller wirken. Ziel einer Teilverstaatlichung wäre vor allem die Stärkung des Vertrauens in das Bankensystem.

Die USA würden damit dem Beispiel Großbritanniens folgen. Die dortige Regierung kündigte am Mittwoch an, den Banken umgerechnet 65 Milliarden Euro als Kapitalspritze zur Verfügung zu stellen. Sie würde mit dem Geld Anteile an den Banken erwerben und so deren Kapitalbasis stärken - faktisch eine Teilverstaatlichung der Geldhäuser.

Die US-Regierung will schon bald Details zu dem 700-Milliarden-Dollar schweren Rettungspaket bekannt geben, auf das sich Regierung und Kongress nach langem Ringen geeinigt hatten.

Der Vorsitzende des Wirtschaftsrates im US-Präsidialamt, Edward Lazear, hatte am Donnerstag dem Nachrichtensender CNN gesagt, es sei wichtig, das Finanzsystem mit weiterem Geld zu versorgen und ihm damit zu helfen, die Einbrüche am Aktienmarkt zu bewältigen. Die Regierung werde dies bald tun. "Wir werden nicht viel Zeit brauchen, um das zu tun. Die Märkte werden sehr kurzfristig gestärkt werden", betonte er. Hoffnungen richten sich nun auf das G7-Finanzminister-Treffen am Freitag. Wenn jedoch diese Runde keine Lösung für die weltweiten Probleme finden sollte, ist Japan zur Einberufung eines Sondergipfels der G8 (der G7 und Russlands) bereit, sagte Japans Regierungschef Taro Aso. Japan hält derzeit den Vorsitz in dem Gremium.

Lesen Sie weiter, wie die Niederlande und Spanien ihre Banken retten wollen.

Spanien kauft Schulden auf

Spanien will währenddessen den Banken des Landes zur Stützung der heimischen Finanzbranche besser besicherte Schulden für bis zu 50 Milliarden Euro abkaufen. Im vierten Quartal 2008 werde der Staat Kredite mit höherer Bonität für maximal 30 Milliarden Euro übernehmen, teilte die Regierung in Madrid am Freitag mit. Weitere 20 Milliarden Euro stünden dazu 2009 bereit. Dies sei eine zeitlich begrenzte Maßnahme, um die Liquidität der Banken zu verbessern und habe nichts zu tun mit einem Rettungspaket. Vielmehr solle dadurch der Kreditmarkt wieder angekurbelt werden.

Das Kabinett stimmte zudem der angekündigten Anhebung der staatlichen Einlagegarantie auf 100.000 Euro von bislang 20.000 Euro zu.

Bei ihrer bislang umfangreichsten Rettungsaktion für die angeschlagene Finanzwirtschaft stellt die Regierung der Niederlande 20 Milliarden Euro für Notkredite bereit. Die Vereinigung der niederländischen Bank (NVB) lobte das erneute staatliche Eingreifen als "deutliches Signal, das Vertrauen schafft". Zugleich mit der Hilfsaktion für die Banken und Versicherungskonzerne gab Finanzminister Wouter Bos am späten Donnerstagabend Garantien für niederländische Kunden der zusammengebrochenen isländischen Online- Bank Icesave bis zu jeweils 100.000 Euro bekannt.

© sueddeutsche.de/dpa-AFX/Reuters/dpa/AP/AFP/jkr/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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