Spekulationsblasen:Was vom Ölwunder übrig bleibt

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Der Boom der Rohstoffe ist erst einmal entzaubert. Nach einem steilen Anstieg sind die Preise zuletzt stark gefallen. Ist die Blase schon geplatzt?

Catherine Hoffmann

Geld in Öl zu stecken, kann sehr riskant sein. Es ist gerade mal einen Monat her, da erzählten Berater in den Bankfilialen und die Strategen der Investmenthäuser, die Rohstoffpreise könnten eigentlich nur steigen. Anleger sollten nicht zaudern, auf diesen Trend zu setzen. Doch der Boom endete jäh. Ein Fass Öl (159 Liter), das am 11. Juli noch 147 Dollar kostete, ist inzwischen für 113 Dollar zu haben.

Die Ölpreisrally scheint zu Ende. Doch kaum ein Experte glaubt, dass die Notierungen schon ausgereizt sind. (Foto: Foto: AFP)

Beängstigende Erfahrung für Privatanleger

Für Profis mag der rasche Stimmungswechsel keine große Überraschung sein, denn Rohstoffpreise schwankten schon immer extrem. Für Privatanleger sind die riesigen Ausschläge aber wohl eine beängstigende Erfahrung. So manchen erinnert die Achterbahnfahrt am Ölmarkt an den Neuer-Markt-Hype Ende des Jahrtausends.

Parallelen gibt es in der Tat: Legt man beispielsweise den Kursverlauf des Ölpreises seit 2001 über die Kurve von New-Economy-Star Cisco, eine Aktie, die von 1993 bis 2000 einen steilen Aufschwung erlebte, sieht man keinen Unterschied: zwei Linien, die steil nach oben schießen.

Meist endeten die Geschichten böse

Ob Internetblase, der Eisenbahnboom im 19. Jahrhundert oder jetzt die Kapriolen am Ölmarkt - die Übertreibungen wurden stets mit einer überzeugenden Story begründet: mit neuen Technologien, die das Leben der Menschen grundlegend verändern sollten, so wie einst die industrielle Revolution. Solche Geschichten fordern den Spieltrieb der Anleger heraus. Meist enden die Geschichten böse. Die Hightech-Aktie Cisco bot im Jahr 2001 nach einem katastrophalen Kursabsturz nur noch einen traurigen Anblick.

Jüngster "Megatrend": Rohstoffe

Der jüngste "Megatrend", dem alle nachjagen, sind die Rohstoffe, allen voran das Öl. Die Idee dahinter ist überzeugend: Einem äußerst knappen Angebot steht eine rasant wachsende Nachfrage gegenüber, vor allem aus den energiehungrigen aufstrebenden Volkswirtschaften wie China. Deshalb könne Öl nur eines: noch teurer werden. Seit 2002 steigt der Preis von Jahr zu Jahr, raketengleich gen Himmel schoss er aber erst seit Anfang 2007. Die Banken überschlugen sich mit Zertifikaten und Fonds zu ihrem neuentdeckten Investmentthema.

Rund die Hälfte der mehr als 1000 hierzulande gehandelten Rohstoffpapiere wurde erst 2008 herausgebracht, als Öl, Kupfer und Mais schon riesige Preissprünge hinter sich hatten. So war es auch während der Internetblase, als kurz vor ihrem Platzen im Jahr 2000 noch unzählige neue Internet- und Technologiefonds unters Volk gebracht wurden. Vielen Ökonomen gilt das massenhafte Erscheinen von Anlagevehikeln für Privatanleger mittlerweile als sicheres Zeichen für eine Blase, die kurz vor dem Platzen steht. Was den Ölpreis angeht, scheiden sich allerdings die Geister, ob er die Folge spekulativer Übertreibungen ist oder Ergebnis rationaler Überlegungen.

Einer, der schon früh vor einer Ölpreisblase gewarnt hat, ist Eugen Weinberg. Der Rohstoffexperte der Commerzbank findet es nicht verwunderlich, dass der Preis jetzt so stark eingebrochen ist: "So wenig wie der steile Anstieg fundamental unterstützt war, so wenig überraschend ist der Preisverfall." An Gründen für den Abschwung mangelt es nicht: Die Konjunktur kühlt sich ab, nicht nur in den USA und Europa.

Ölpreisprognosen zwischen 80 und 200 Dollar

Auch der Ölgroßkunde China könnte Mühe haben, sein zweistelliges Wirtschaftswachstum zu halten. Das hohe Wachstum der chinesischen Importe hat sich in jüngster Zeit verlangsamt, das dürfte auch die Ölnachfrage dämpfen. In den USA und Europa lässt der Öldurst jetzt schon spürbar nach. Jochen Hitzfeld, Rohstoffanalyst der Hypo-Vereinsbank, schätzt, dass die Nachfrage der beiden großen Industrieregionen im Jahr 2009 täglich um eine Million Fass niedriger sein wird als 2007 - bei einer Gesamtnachfrage von aktuell 20 Millionen Fass.

Auch der zuletzt erstarkte Dollar drückt auf den Ölpreis - und die Tatsache, dass vielen Anlegern Aktien und Anleihen wieder als interessante Alternativen erscheinen; sie schichten um und ziehen Investorengeld aus Rohstoffen ab. Auch auf der Angebotsseite ist Bewegung. Die Förderung von Öl stagniert derzeit zwar auf dem Niveau des Jahres 2005. In den nächsten zwei Jahren dürften aber vor allem die Saudis ihre Kapazitäten ausweiten. "Dadurch wird das Angebot von einem auf vier Millionen Barrel steigen", erwartet Hitzfeld.

"Gerät die gesamte Weltwirtschaft in Schwierigkeiten, könnte der Ölpreis auf 80 Dollar zurückfallen", glaubt Weinberg. Mit seiner Prognose liegt er am unteren Rand dessen, was Analysten dieser Tage so vorhersagen. Gegenwärtig sind Ölpreisprognosen von 80 bis 200 Dollar auf dem Markt. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass die Rohstoffexperten auf die schlechte Stimmung am Ölmarkt bald mit niedrigeren Prognosen reagieren.

Wie groß der Pessimismus gegenüber dem schwarzen Gold ist, zeigt das müde Zucken, mit dem am Ölmarkt auf den Konflikt in Georgien reagiert wurde. Meldungen über Kämpfe in dem wichtigen Öltransitland haben den Preis nur für kurze Zeit um ein paar Cent nach oben getrieben. Dabei verläuft durch Georgien die transkaukasische Pipeline (BTC), die Rohöl aus Aserbaidschan und Kasachstan ans türkische Mittelmeer und damit nach Westeuropa transportiert.

Ölförderung bleibt teuer

Der frühere US-Notenbankchef Alan Greenspan freut sich über die "gute Spekulation", die dafür gesorgt habe, den Ölpreis von seinem Gipfel herunterzuholen. Solange die Konjunktur schwach sei, solle niemand auf einen schnellen Preisanstieg hoffen, sagte Greenspan der Financial Times. Wenn der Abschwung aber vorüber sei, "kann Öl wieder auf 150 Dollar oder höher klettern". Allerdings dürfte der Anstieg mühsamer und langsamer verlaufen als 2007. Notierungen unter 80 Dollar kann sich auch der "Magier der Märkte" nicht vorstellen.

Denn auch die schwache Konjunktur ändert nichts daran, dass es immer schwieriger und teurer wird, Öl zu fördern. Viele Opec-Nichtmitglieder haben längst ihr Fördermaximum erreicht. Und die Schwellenländer sind mit ihrer wirtschaftlichen Aufholjagd noch lange nicht am Ziel. Vielleicht ist die Blase am Ölmarkt also doch noch nicht geplatzt, vielleicht hat sie nur ein wenig Luft entlassen - wie übrigens schon einmal im Jahr 2006. "Ölpreise um die 100 Dollar sind ein Kaufniveau", glaubt Hitzfeld. Und auch Weinberg würde "zwischen 80 und 100 Dollar" wieder zugreifen.

Vergleicht man die Gewinne, die Anleger in diesem Jahrzehnt mit Öl machen konnten, fällt auf: Die Wertsteigerung ist mit rund 340 Prozent zwar eindrucksvoll, die großen Investmentblasen der vergangenen vier Dekaden brachten aber im Durchschnitt einen Vermögenszuwachs von 770 Prozent. Wer den maximalen Gewinn herausholen will, braucht eben Geduld - und starke Nerven.

© SZ vom 13.08.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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