Skandal ausgelöst:Höchster Pulitzerpreis für "Wall Street Journal"

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Rückdatierte Optionen für Manager haben in den USA zu einem landesweiten Skandal geführt. Für die Berichterstattung über die Praxis hat nun das Wall Street Journal den höchsten Pulitzer-Preis 2007 bekommen.

Das Preiskomitee der Columbia-Universität in New York sprach dem zum Dow-Jones-Konzern gehörenden Blatt am Montag für seinen "Dienst an der Öffentlichkeit" die Goldmedaille zu, die nur in dieser Kategorie vergeben wird.

Die Zeitung gewann zudem den Preis in der Kategorie "Internationale Berichte" für eine Artikelserie über die Auswirkungen der industriellen Entwicklung in China.

Sie ist damit die einzige Zeitung, die in diesem Jahr zwei Auszeichnungen erhielt. Die mit jeweils 10.000 Dollar (rund 7400 Euro) dotierten Preise zählen zu den höchsten Ehrungen für amerikanische Schriftsteller und Journalisten.

Landesweite Untersuchung

Bei der mit der Goldmedaille ausgezeichneten Berichterstattung des Wall Street Journal ging es um rückdatierte Aktienoptionen in Millionenhöhe, die US-Manager sich selbst ausgestellt hatten. Die Recherchen des Blattes hatten zu einer landesweiten Untersuchung bei mehr als 130 Unternehmen geführt, zahlreiche Spitzenmanager wurden entlassen.

In der Begründung der Jury zur Vergabe der Goldmedaille hieß es, das Wall Street Journal habe mit seiner Berichterstattung zu einer umfassenden Veränderung in der Unternehmenslandschaft Amerikas beigetragen.

Besonders prominent dabei war der Fall der kalifornischen Datenspeicherfirma Brocade Communications Systems.

Deren einstiger Unternehmenschef Gregory Reyes und die frühere Personalleiterin Stephanie Jensen stehen derzeit vor Gericht. Es drohen empfindliche Gefängnisstrafen. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Beschuldigten vor, durch das Rückdatieren von Optionen Mitarbeiter beim Kauf von Aktien zu einem günstigeren als dem aktuellen Kurs begünstigt zu haben.

Es drohen 20 Jahre Gefängnis

Den beiden Ex-Managern wird in diesem Zusammenhang Wertpapierbetrug und Insiderhandel vorgeworfen. Ihnen drohen bis zu 20 Jahre Gefängnis und Geldstrafen von bis zu fünf Millionen Dollar.

Aktienoptionen sind in den USA weit verbreitet und keineswegs illegal. Sie geben einem Empfänger das Recht, zu einem festgelegten Kurs später Anteilsscheine des betreffenden Unternehmens zu erwerben. Üblicherweise entspricht der zukünftige Bezugspreis dem Aktienkurs am Tag der Gewährung der Option. Steigen die Kurse später, macht der Optionsbesitzer entsprechende Gewinne. Dies soll ein Anreiz insbesondere für Manager sein, sich für ihr Unternehmen zu engagieren und den "Shareholder-Value" zu steigern.

Problematisch ist allerdings die Rückdatierung von Aktienoptionen. Werden die Optionen für einen Tag in der Vergangenheit ausgestellt, an dem der Aktienkurs eines Unternehmens besonders niedrig war, erhalten die Empfänger sofortige Papiergewinne.

In Kenntnis des Siegers

Experten vergleichen dies mit einer Wette bei einem Pferderennen, das bereits abgelaufen ist, aber auf das man dennoch in Kenntnis des Siegers setzen kann. Diese Praxis verstößt nach Auffassung der SEC gegen Insiderregeln, weil sie dem normalen Anleger nicht zugänglich ist.

Mit der Berichterstattung über das rasante Wirtschaftswachstum in China und dessen negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umweltschutz griff das Wall Street Journal zudem ein Problem auf, das in der westlichen Welt zunehmend wahrgenommen wird. So hat etwa der gigantische Drei-Schluchten-Staudamm am Jangtse neben ökologischen Problemen auch Menschenrechtsverletzungen nach sich gezogen: Viele Menschen wurden brutal umgesiedelt ohne dafür wie versprochen entschädigt worden zu sein.

Die Los Angeles Times wurde in der Kategorie "Erklärender Journalismus" für ihre Berichte über die Gefährdung der Weltmeere geehrt.

Der Preis für herausragende aktuelle Berichterstattung ging an die Redaktion der Zeitung The Oregonian in Portland, die behutsam und sensibel das Schicksal einer in den Bergen von Oregon vermissten Familie schilderte.

Die im vergangenen Jahr mit drei Preisen ausgezeichnete New York Times, ein Flaggschiff des liberalen US-Journalismus, wurde dieses Jahr für ihr einfühlsames Porträt eines in die USA eingewanderten islamischen Religionsführers geehrt.

Umstrittenes Recht

Dem Boston Globe sprach die Jury den Preis für einen Bericht über das umstrittene Recht von US-Präsident George W. Bush zu, Bestimmungen von neuen Gesetzen durch eine Zusatzerklärung zu umgehen.

Die New York Daily News erhielt den Preis für ihre engagierten Leitartikel über die Gesundheitsgefahren bei den Aufräumarbeiten nach den Terroranschlägen vom 11. September.

Weitere Auszeichnungen für herausragenden Journalismus gingen an The Birmingham News (Investigativer Journalismus), The Miami Herald (Lokaljournalismus), The Atlanta Journal-Constitution (Kommentar) und die Los Angeles Weekly (Restaurant-Kritik).

Nachrichtenagentur AP punktet bei Fotos

Die New Yorker Zeitung Newsday erhielt den Karikaturpreis. Für ihre Fotos wurden die US-Nachrichtenagentur AP (Aktuelles Bild) und die Zeitung The Sacramento Bee (Feature) geehrt.

Der Pulitzerpreis wird insgesamt in 21 Kategorien vergeben, neben dem Journalismus auch für Kunst und Kultur. Die Auszeichnung ist nach ihrem Stifter, dem Journalisten und Verleger Joseph Pulitzer (1847- 1911), benannt.

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