Rolle der Banken in der Finanzkrise:Unverantwortliche Finanz-Jongleure

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Um ein vergleichbares Desaster wie die Finanzkrise für die Zukunft zu verhindern, ist ein Punkt entscheidend: die Frage der Verantwortung. Die Krise muss die Banken endlich dazu bringen, nicht nur auf den schnellen Profit zu setzen.

Daniela Kuhr

Das Ganze ähnelt dem Abgang einer Lawine. Erst gerät ein winziges Stück Schnee ins Rutschen. Das ist noch kein Grund zur Sorge, schließlich stoppt es in den meisten Fällen gleich wieder.

Strengere Aufsichtsbehörden, schärfere Kontrollen - alles gute Vorschläge zur Verhinderung einer zukünftigen Finanzkrise. (Foto: Foto: dpa)

Doch der Schnee rutscht weiter und weiter, die Masse wird größer und größer, bis sie alles mit sich reißt. Wenn es erst mal so weit ist, lässt sich die Sache nicht mehr aufhalten. Alles, was man tun kann, ist abwarten, dass die Lawine das Tal erreicht und dort von selbst zum Stillstand kommt. So scheint es derzeit auch mit der Finanzkrise zu sein.

Als im vergangenen Frühjahr die ersten Probleme auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt bekannt wurden, nahm das hier kaum jemand wahr, geschweige denn ernst. Inzwischen weiß jeder: Die Krise fing zwar ganz klein damit an, dass in Amerika die ersten Hausbesitzer ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen konnten.

Doch weil Finanzinstitute global handeln, machten die Probleme vor Europa nicht halt. Als Folge der Kreditkrise hält der Internationale Währungsfonds (IWF) inzwischen weltweit Verluste von fast einer Billion Dollar für möglich. Der Fonds, Regierungsvertreter und die Finanzwirtschaft veröffentlichen in diesen Tagen Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, dass sich solch ein Desaster nicht wiederholt. Die meisten Vorschläge sind gut.

So schadet es sicher nicht, wenn Aufsichtsbehörden international besser zusammenarbeiten und die Banken strenger kontrollieren. Zudem ist es richtig, dass die Experten die Rolle von Ratingagenturen kritisch prüfen wollen. Denn erst helfen die Agenturen den Banken dabei, neue Finanzprodukte zu entwickeln, und anschließend verteilen sie für genau diese Finanzprodukte Noten - eine gefährliche Doppelrolle.

Viele Anleger vertrauen nämlich auf die Einschätzung der Ratingagenturen, weil sie selbst das Risiko einer Geldanlage nicht überblicken. Daher ist es wichtig, dass die Benotungen unabhängig erteilt werden. So gut wie alle der vorgeschlagenen Maßnahmen haben etwas für sich.

Sie werden sicher dazu beitragen, solche Auswüchse, wie sie derzeit auftreten, zu erschweren. Um eine vergleichbare Krise für die Zukunft aber wirklich zu verhindern, ist ein anderer Punkt entscheidend: die Frage der Verantwortung.

Viele Banken haben in der Vergangenheit leichtfertig Kredite vergeben in dem Wissen, dass sie das Ausfallrisiko nicht selbst tragen müssen. Sie hatten nie vor, die Kredite in ihren Büchern zu halten, sondern sie stattdessen an einen Investor weiterzureichen.

Dabei ist dem Käufer oft gar nicht genau klar, was er da erwirbt. Es interessiert ihn auch nicht, da er ohnehin seinerseits das Kreditpaket umformen und als Anleihe wieder veräußern will. Durch dieses mehrfache Zerlegen und Weiterreichen weiß am Ende niemand mehr, wie hoch das Risiko tatsächlich ist - daher ist auch niemand schuld, wenn es eintritt. Das ist der große Fehler in diesem intransparenten System: Niemand ist verantwortlich für die Folgen.

Natürlich ist der Finanzmarkt darauf angewiesen, dass Risiken verteilt werden - nur so lassen sie sich minimieren. Aber das darf nicht dazu führen, dass am Ende keiner mehr die Gefahren überblickt und die Folgen ausblendet. Ein Vorschlag von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zielt letztlich in eine ähnliche Richtung.

So sollen die Banken ihre Vergütungsanreize so gestalten, dass die Mitarbeiter nicht mehr für schnelle Erfolge belohnt, sondern zu langfristigem Handeln animiert werden. Auf diese Weise müssten sie bei ihren Entscheidungen schon aus eigenem Interesse stärker die Folgen abschätzen, die nach Jahren eintreten können. Das ist der richtige Weg.

Die Akteure an den Finanzmärkten müssen sich wieder verantwortlich fühlen für das, was sie tun. Dann werden sie auch nur solche Risiken eingehen, die sie überschauen können. Und das ist die wohl wichtigste Voraussetzung, um die nächste Lawine zu verhindern.

© SZ vom 10.04.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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