Raus aus der Stadt:Natürlich ist es schön

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Grüne Wiesen, keine Hochhäuser, kaum Verkehr. Aber in der Idylle wird auch hart gearbeitet, so dass der Ex-Städter immer mit Gülle und Traktor rechnen muss.

Von Sabina Griffith

Viele träumen davon und so mancher macht ihn irgendwann auch wahr, seinen Traum vom Leben auf dem Land. Sonja Aldejohann etwa hat es getan. Im vergangenen Jahr ließ die Hamburgerin die Lichter der Großstadt hinter sich und zog gemeinsam mit Mann und Tochter nach Bayern, aufs Land. Genauer gesagt nach Frauenrain, wo sie das so genannte Austragshaus eines alten Bauernhofs im idyllischen Fünfseenland nahe Penzberg anmieteten.

(Foto: Foto: dpa)

Und idyllischer kann es tatsächlich kaum irgendwo sein: Grüne Wiesen, so weit das Auge reicht. Bienen umschwirren die ersten zarten Blüten, keine Hochhäuser und kein Straßenlärm trüben hier die Sinne, gerade mal sechs Höfe befinden sich in Sichtweite. Das Paradies scheint perfekt. Wenn nur dieser Gestank nicht wäre.

In diesen ersten warmen Frühlingstagen, da die Odelgruben überquellen mit den dampfenden Verdauungsresten von Olga, Lilli und ihren paarhufigen Artgenossinnen, hauen die Landwirte wie gewohnt die Gülle auf die Felder. Ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Rücksicht auf die Nachbarn, denen da schon mal der Atem stockt. "Ja", sagt Sonja Aldejohann, "das mit dem Gestank ist schon heftig. Aber das ist ja Gott sei Dank nicht immer so. Das hört ja auch wieder auf."

Weite Wege in Kauf nehmen

Den Entschluss, aufs Land zu ziehen, hat sich das junge Paar reiflich überlegt. Auf langen Spaziergängen haben sie abgewogen: Was wäre wenn? Ja, auf's Land wollten sie ziehen. Schon allein wegen der kleinen Franziska. Doch wollten sie wirklich so weit weg leben von der nächsten Stadt? Würde es ihr nicht doch zu einsam sein, draußen auf dem Hof? Wo selbst der Weg zum nächsten Bäcker zu Fuß kaum zumutbar ist? Und das alles mit nur einem Auto für zwei Personen?

Viel Platz für alle

Ähnliche Überlegungen hat auch Christina Glöcker angestellt, bevor sie ebenfalls mit Mann und dem sechs Monate alten Sohn Lorenz im Oktober 2001 raus aus München, auf einen 200 Jahre alten, schon lange nicht mehr bewirtschafteten Bauernhof nahe Bruckmühl zog. Hier hatten sie, wovon Stadtmenschen im Sommer träumen: viel Platz, einen großen Obst- und Gemüsegarten, die schönsten Wander- und Radlwege direkt vor der Haustür. Mit etwas Fleiß und Geschick würde aus dem einfach ausgestatteten Bauernhaus sicher ein Schmuckstück werden.

Was Christina Glöcker allerdings nicht hatte, war die Möglichkeit, Kind und Beruf zu verbinden. Als ausgebildete Germanistin hatte sich die 26-Jährige eigentlich erhofft, erst einmal eine Weile arbeiten zu können. In der Stadt wäre es sicher kein Problem gewesen, etwas Passendes zu finden, sagt die junge Mutter. "Aber hier draußen auf dem Land gibt es solche Angebote nicht." Dennoch habe sie den Schritt bis heute nicht bereut. Ein Schritt, der übrigens nicht wie üblich mit einem Mietvertrag besiegelt wurde, sondern per Handschlag. Auf dem Land ticken die Uhren halt manchmal noch etwas anders.

Nach langen Fußmärschen kamen auch Sonja Aldejohann und ihr Mann zu der, in ihren Worten, "konsequenten Entscheidung": "Wir haben uns gesagt, wir machen das jetzt. Wir ziehen aufs Land."

Mit ein Beweggrund für Sonja Aldejohann und ihren Mann, den Schritt zu wagen, war sicher auch der im Verhältnis niedrige Mietpreis von rund sieben Euro pro Quadratmeter, Garage inklusive. Und das, obwohl Frauenrain im Einzugsgebiet von Penzberg liegt, das nicht gerade zu den günstigen Pflastern zählt.

Melken im Gleichtakt

Das traumhaft gelegene, zudem frisch renovierte und mit Zentralheizung ausgestattete Haus sei günstiger gewesen als alles, "was wir sonst so in der Zeitung gesehen haben", erzählt Sonja Aldejohann. Was sie sich damit erklärt, dass man als Mieter eines Bauernhofes mitunter eben auch genannte Nachteile in Kauf zu nehmen habe. Die Melkmaschine des Nachbarn, die morgens und abends jeweils eine Stunde im Gleichtakt pumpt, sei der Vollständigkeit halber noch angefügt.

Damit derartige mögliche Streitpunkte gleich von Anfang an ausgeräumt werden, hat der vis-à-vis wohnende Vermieter von Sonja Aldejohann und Volkmar Tenschat eine entsprechende Klausel in den Mietvertrag aufgenommen, wonach landwirtschaftliche Geruchs- und Geräuschbelastungen ausdrücklich akzeptiert werden müssen.

Hat der Mann schlechte Erfahrungen gemacht? "Nein, das nicht", sagt Landwirt Stefan Buchner. Seine Menschenkenntnis habe ihn bisher vor derartigen Auseinandersetzungen bewahrt. "Wenn einer schon beim ersten Besichtigungstermin angesichts des Misthaufens vor der Tür die Nase rümpft, ist der Ärger doch schon programmiert. Dann ist es für alle Beteiligten besser, sie lassen es bleiben."

Übrigens bewegt sich Stefan Buchner, was seine Mietforderung betrifft, bewusst am unteren Ende des Mietspiegels. "Denn wissen'S", sagt er bedächtig, "wenn man als Vermieter viel verlangt, dann wird im Gegenzug auch viel von einem erwartet. Lieber mache ich da finanzielle Abstriche und hab dafür g'scheite Leut im Haus."

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