Profit durch falsche Nachrichten:Geschäfte mit der Lüge

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Findige Spekulanten streuen in diesen Tagen falsche Gerüchte, schädigen damit andere Aktionäre und profitieren von diesen unwahren Nachrichten.

Alexander Hagelüken/Andreas Oldag

Um mit dem Kapitalismus abzurechnen, wird Bertolt Brecht in der "Dreigroschenoper" ganz grundsätzlich: "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" lässt er eine Figur fragen und macht so aus Unternehmern ganz gewöhnliche Kriminelle.

(Foto: Foto: AP)

In der Weltwirtschaftskrise von 1929 an fand Brecht damit großen Anklang. Für die aktuelle Finanzkrise müsste der Altmeister wohl eine neue Formulierung finden: Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Denunziation einer Bank? Findige Spekulanten streuen in diesen Tagen falsche Gerüchte, schädigen damit andere Aktionäre und verdienen sich selbst eine goldene Nase.

Mitte der Woche lancierte ein Unbekannter an der Londoner Börse, die Großbank HBOS habe finanzielle Probleme. Binnen einer Stunde brach der Kurs um 20 Prozent ein, die Papiere der Anteilseigner verloren die kaum fassbare Summe von 3,8 Milliarden Euro an Wert.

Der bisher anonyme Verbreiter des Gerüchts hatte über Finanzinstrumente auf ein Fallen des Kurses gesetzt. Er soll so 130 Millionen Euro kassiert haben, genug für ein Leben im Superluxus. Als sich das Gerücht als falsch herausstellte, hatte er sein Geschäft schon getätigt.

Mutmaßungen über die Gewinnaussichten einzelner Firmen gibt es an den Börsen ständig. Derzeit aber lösen sie besonders starke Wirkungen aus, weil wegen der Finanzkrise viele Anleger nervös sind und zahlreiche Banken ja tatsächlich hohe Verluste melden. Deshalb ist Betrug derzeit besonders attraktiv.

"Jede schlechte Nachricht wird aufgebauscht", sagt der Londoner Aktienanalyst James Hughes. HBOS ist kein Einzelfall für betrügerische Manipulation. "Es gab in den vergangenen Tagen an der Londoner Börse eine Serie komplett unbegründeter Gerüchte über britische Finanzinstitute, von denen manche von Spekulationen auf Kursverluste begleitet waren", berichtet Sally Dewar, Vorstandsmitglied der Finanzaufsicht.

Wie jetzt bekannt wurde, untersucht auch die US-Aufsicht Fälle. Die Aktie der Brokerfirma MF stürzte diese Woche um 65 Prozent ab, weil es geheißen hatte, der Milliardär Joseph Lewis müsse als Großaktionär viele Anteile verkaufen. Schönheitsfehler: Lewis besitzt gar keine MF-Papiere. Die Aufsicht prüft auch Vorgänge um die Investmentbank Bear Stearns, die die Regierung nach Gerüchten und Kursverfall durch Milliarden-Garantien auf Kosten der Steuerzahler vor der Pleite retten musste.

Das Streuen falscher Nachrichten ist ziemlich einfach an den Börsen, an denen ja stets auf die Zukunft gewettet wird. Natürlich sind Geschäfte mit der Lüge illegal. Doch es fällt der Finanzaufsicht schwer, die Verbreiter böswilliger Mutmaßungen zu fassen. Im Fall HBOS gaben sich Spekulanten wohl als Journalisten aus. Der Boom von E-Mails und Internetseiten hat die Solidität von Informationen untergraben und damit die Chancen für Betrug deutlich erhöht. Gerüchte werden im Netz viel schneller verbreitet als früher in anderen Medien.

Die Börsenaufsicht kann alle Wertpapierkäufe einsehen. Wer in großem Stil auf fallende Kurse (Baisse) spekuliert, fällt auf. Doch erstens setzen mehrere Investoren auf Baisse. Und zweitens müsste man jemandem nachweisen, dass er Gerüchte streute. Manipulationen wie bei HBOS sind daher auch in Deutschland möglich, verraten Kenner. Tolle Nachrichten für Aktionäre, die zur Zeit schon genug Ärger haben. Der Antikapitalist Brecht würde sich bestätigt fühlen.

© SZ vom 22.03.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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