Private Krankenversicherung:Eine für Alle

Lesezeit: 3 min

Gedankenspiele zur Zukunft der Krankenversicherung: Allianz-Vorstand Rumm will ein neues System etablieren - offenbar nicht ganz ohne Eigennutz.

Th. Fromm und N. Hardenberg

Die Allianz drängt auf einen Umbau des Gesundheitssystems. "Ich bin der Meinung, dass langfristig ein kapitalgedecktes System mit einer Vielfalt an Versicherungsangeboten und einem Grundschutz als verpflichtendem Kern für alle Bundesbürger das bessere Modell wäre", sagte Ulrich Rumm, bei der Allianz Vorstandsvorsitzender Private Krankenversicherung, der Süddeutschen Zeitung. "Wir haben ein ähnliches Modell für ein effizienteres Gesundheitswesen schon im Jahre 2002 vorgestellt. Ich halte dessen Grundaussagen auch heute noch für richtig", sagte Rumm.

Arzt im Gang einer Notaufnahme: Die Allianz will die Krankenversicherung reformieren. (Foto: Foto: AP)

Die Forderungen des Managers erinnern an ein Arbeitspapier der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), das vor zwei Monaten an die Öffentlichkeit gelangte. Der brisante Inhalt des Papiers: Die Einführung einer Einheitsversicherung mit Einheitsprämien für alle Bürger, die die bisherige Trennung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung aufheben würde. Das Papier sorgte in Wirtschaft und Politik für Spekulationen - unter anderem wurden der Allianz und anderen Versicherern vorgeworfen, die private Krankenvollversicherung durch die Hintertür abschaffen zu wollen.

Vor allem Anbieter wie der Marktführer Debeka befürchten, bei einer solchen Einheitsversicherung zum reinen Dienstleister für Zusatztarife degradiert zu werden. Rumm lehnte einen Kommentar zu diesem Papier ab, machte aber auch klar: "Unser Ziel ist es nicht, die private Krankenversicherung abzuschaffen, sondern langfristig zu stärken."

Der Druck steigt

Wettbewerber werfen der Allianz und anderen großen Anbietern vor, mit ihren Reformvorstellungen vor allem ihre eigenen strategischen Probleme lösen zu wollen, denn das Geschäftsmodell der Großen gilt wegen des hohen Bestandes an älteren Versicherten als nicht mehr zukunftsträchtig. Dazu Rumm: "In unserem Modell aus dem Jahr 2002 hätten nach Ablauf der Umstellungsphase alle einen private kapitalgedeckte Krankenversicherung gehabt. Das heißt, das Geschäftsfeld wäre für die kleinen Versicherer genauso gegeben wie für die großen. Da käme es überhaupt nicht zu einer Verschiebung von Wettbewerb. Wer das behauptet, hat unsere Modellvorstellung von damals nicht gelesen." Dass die Allianz entsprechende Vorschläge mache, um in der Krankenversicherung zu überleben, sei "absoluter Quatsch".

Die Allianz sei ein finanzstarker Krankenversicherer. Allerdings habe sich "der Bestand von Beamten und Angestellten hin zu mehr Selbstständigen verschoben", so Rumm. Die Kinder von Selbständigen seien seltener privat versichert und wenn doch, würden sie auch seltener nach Ende der Ausbildung in der Privatversicherung bleiben.

Nach Einschätzung des Allianz-Vorstands wird der Reformdruck in den kommenden Jahren weiter steigen. Je nach politischer Konstellation halte er es für denkbar, dass die Politik die private Vollversicherung ausbaue oder sogar ganz abschaffe. "Ein solches Szenario könnte kommen", sagte er. "Wenn eine rot-rot-grüne Regierung kommt, haben wir das Thema Bürgerversicherung wieder auf dem Tisch. Bei schwarz-gelb würden die Themen Gesundheitsprämie und Kapitaldeckung in den Vordergrund rücken - damit wären Sie von unserem Modell gar nicht mehr so weit weg."

Mehr Flexibilität

Die Allianz will sich solchen Gedankenspielen nicht verschließen, sondern sie mit vorantreiben. Rumm hofft dabei, die Politik überzeugen zu können. "Wenn man sich die demografische und medizinische Entwicklung anschaut, wird klar, dass wir insgesamt viel mehr und nicht weniger Kapitaldeckung und damit auch mehr und nicht weniger private Krankenversicherungen brauchen." Die politischen Signale hätten zuletzt allerdings in eine andere Richtung gewiesen. "Die Gesundheitsreform hat das Geschäft der privaten Krankenversicherung erschwert", beklagte Rumm.

Der Manager kritisierte insbesondere den Basistarif, den von 2009 an alle privaten Krankenversicherungen anbieten müssen und der dem Angebot der gesetzlichen Krankenkassen ähneln wird. Dieser von der Politik vorgegebene Tarif, in den die privaten Versicherer jeden Kunden unabhängig von seinem persönlichen Gesundheitsrisiko aufnehmen müssen, werde sich nicht selbst tragen. Vielmehr müssten die bisherigen Kunden der PKV den Tarif mitfinanzieren. "Damit greift der Gesetzgeber in bestehende Verträge ein", kritisierte Rumm. "Da habe ich dann schon ein bisschen ein Problem mit meinem Glauben an den Staat." Die Allianz hat im Verbund mit anderen Versicherern beim Bundesverfassungsgericht gegen den Tarif geklagt.

Weniger Sorge bereitet der Allianz offenbar die von 2009 an geltenden Wechselmöglichkeiten in der privaten Krankenversicherung. Ein halbes Jahr lang dürfen dann alle Menschen, die die PKV wechseln, einen Teil ihrer Altersrückstellungen mitnehmen - ein Novum in der Geschichte der PKV. Bislang war es wegen der angesparten Rücklagen gerade ab einem bestimmten Alter für Kunden de facto unmöglich ihre Versicherung zu wechseln. Rumm rechnet dennoch nicht mit großen Wanderbewegungen. Zu unattraktiv seien die Bedingungen, die unter anderem vorsehen, dass die Wechsler in der Neuversicherung zunächst eine Zeitlang im Basistarif ausharren müssen, bevor sie sich normal versichern dürfen. Die Allianz werde deshalb nicht für den Wechsel in den Basistarif werben und auch keine Provisionen dafür zahlen. "Mir fehlt da die Verkaufsstory", sagte Rumm.

© SZ vom 09.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: