Ölmarkt:Gute und schlechte Spekulation

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Die USA wollen die Zockerei eindämmen - doch die hat eine wichtige Funktion. Sie zeigt den Preis von morgen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Simone Boehringer

Die weltweite Nachfrage nach Rohöl hat in der Wirtschaftskrise spürbar nachgelassen. Dennoch hat der Preis für ein Fass (159 Liter) des schwarzen Rohstoffs seit dem Tiefstand im Februar zeitweise um mehr als die Hälfte angezogen. Die amerikanische Regulierungsbehörde für Rohstoffe, CFTC, hat deshalb jüngst angekündigt, die Spekulation eindämmen zu wollen. Die Süddeutsche Zeitung erklärt, welche Folgen das hat, welche Rolle Spekulation beim Öl spielt und wie Verbraucher davon betroffen sind.

Es ist wie ein Spiel, nur mit riesigen Summen: Öl-Spekulanten wetten täglich auf den Preis von morgen. (Foto: Foto: dpa)

Warum ist der Ölpreis trotz lahmender Konjunktur gestiegen?

Wie an jeder Börse spiegelt auch der Rohstoffmarkt in erster Linie die Erwartungen für die Zukunft wieder. In den vergangenen Monaten haben viele Experten mit einer Erholung der Konjunktur bis Ende diesen Jahres gerechnet.

Entsprechend zog der Ölpreis an, nachdem er zuvor in den Augen der meisten Experten übertrieben stark gefallen war. Tatsächlich hatte sich der Ölpreis von 150 Dollar je Fass auf zeitweise weniger als 35 Dollar mehr als gedrittelt. Die reale Ölnachfrage ist seit Beginn der Krise nur um rund drei Prozent zurückgegangen.

Warum wollen die amerikanischen Regulierungsbehörden eingreifen?

Die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) will verhindern, dass wenige Marktteilnehmer mit riesigen Mengen den Ölpreis in die Höhe schießen lassen können. Anlass zu der Sorge bot Ende letzter Woche ein einzelner Händler, der den Ölpreis mit entsprechenden Terminkontrakten um zwei Dollar nach oben trieb. Anders als etwa bei Aktien oder Immobilien spielen im Handel mit Rohstoffen die Terminmärkte die entscheidende Rolle.

Dort werden Wetten auf die künftige Preisentwicklung geschlossen. Das Volumen dieser Future-Geschäfte übersteigt aber bei weitem die Basis. So werden täglich weltweit etwa 80 Millionen Fass Rohöl gefördert. Das Handelsvolumen der am wichtigen US-Markt tonangebenden Sorte WTI allein erreicht ein Vielfaches.

Ist der Vorstoß der CFTC am Ölmarkt außergewöhnlich?

Nein, die CFTC will nach derzeitiger Planung nur bestehende Obergrenzen für den Handel mit Ölkontrakten senken und die Transparenz über die Marktteilnehmer erhöhen, weil manche jetzt angeblich über Tarnfirmen an anderen Börsen ihre Limits überschreiten.

Schon seither gilt für Ölhändler an der New York Mercantile Exchange, dass sie per saldo maximal 10.000 Wettkontrakte halten dürfen, die den Preis in eine Richtung treiben. Das heißt zum Beispiel 30.000 Papiere, die auf einen steigenden und 20.000, die auf einen fallenden Ölpreis lauten. Auch im Handel mit Agrarrohstoffen hat die CFTC Limits verhängt.

Gibt es "böse" Spekulation, die so bekämpft werden kann?

Das kommt auf die Sichtweise an. Aus Sicht der Verbraucher ist bei den meisten Rohstoffen ein konstantes Preisniveau ideal oder zumindest eine kontinuierliche Preisentwicklung, auf die man sich einstellen kann. Alle Wetten, die Preise treiben, werden daher skeptisch beäugt. Ähnliches gilt auch für Unternehmen, die für ihre Produktion auf Rohstoffe angewiesen sind.

"Wollen sich dieselben Firmen allerdings gegen eine unerwartete Preisentwicklung absichern, sind sie froh, wenn es einen Marktplatz gibt, auf dem ihnen jemand das Risiko abnimmt", erklärt Eugen Weinberg, Leiter der Rohstoffanalyse bei der Commerzbank. Dazu gehört etwa eine Fluggesellschaft, die sich heute das Recht kauft, in sechs Monaten ihren Treibstoff zum jetzigen Preis zu bekommen, weil sie mit steigenden Notierungen rechnet. Oder ein Ölförderer, der seine Lieferung für das nächste Jahr schon heute auf Termin verkauft, weil er sinkende Preise erwartet.

Wer spekuliert eigentlich?

Die Börsenaufsicht unterscheidet zwei Kategorien an den Terminmärkten: Unternehmen wie Rohstoffkonzerne und Industrieunternehmen, die sich eben gegen unerwünschte Kursentwicklungen absichern. Und Finanzdienstleister wie Investmentbanken oder Hedgefonds, die primär des Profits wegen auf steigende oder fallende Kurse setzen, ohne damit eine Produktion oder Lieferung absichern zu müssen.

Commerzbank-Experte Weinberg hält diese Auswahl für problematisch, "weil etwa Banken von der Börsenaufsicht oft automatisch als Spekulanten eingeordnet werden, ohne zu hinterfragen, ob sie Termingeschäfte für den Eigenhandel oder für Kunden tätigen".

Machen Privatanleger da auch mit?

Nur wenige Privatanleger handeln mit Kontrakten an Terminbörsen, weil dazu viel Kapitaleinsatz und sehr gute Vorkenntnisse nötig sind. Indirekt sind Sparer aber zum Beispiel über den Kauf von Zertifikaten oder börsengehandelten Rohstofffonds (ETF) für die Kursbewegungen an den Terminbörsen mitverantwortlich. "Für jedes Zertifikat, das ein Kunde kauft, erwerben wir den entsprechenden Future am Markt", sagt Funda Tarhan von ABN Amro, einem der größten Zertifikate-Anbieter.

Wäre es auch möglich, ohne Terminbörsen auszukommen?

Dann müssten sich Produzenten und Lieferanten wieder in Verhandlungen untereinander über die Preise bei Öl und anderen Rohstoffen einigen, so wie sie es bis in die 70er Jahre getan haben.

Die Märkte wären vermutlich kurzfristig weniger schwankungsanfällig, "die Preisgestaltung allerdings auch viel weniger transparent", meint Weinberg. Frank Schallenberger von der Landesbank Baden-Württemberg warnt: "Wenn es soweit kommt, dass die Absicherungsmöglichkeiten der Firmen eingeschränkt sind, werden einige pleite gehen."

© SZ vom 10.07.2009/kfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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