Morgan Stanley:Kronprinzessin a. D.

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Viel riskiert und alles verloren: Zoe Cruz muss ihren Posten als Vizepräsidentin der Investmentbank Morgan Stanley abgeben.

Tobias Dorfer

Ohne Mut zum Risiko erreicht man wenig in der Finanzbranche. Zoe Cruz hat diese Aussage während ihrer Zeit bei der Investmentbank Morgan Stanley immer mit Vehemenz vertreten. Nicht genügend Risiko einzugehen, sei das allergrößte Risiko, sagte sie einmal.

Auch wenn es um die eigene Karriere ging, hat die 52-Jährige mit der Kurzhaarfrisur häufig hoch gepokert - und meistens gewonnen. Als der unpopuläre Firmenchef Philip Purcell im Jahr 2005 heftig kritisiert wurde, stand sie an seiner Seite.

Dafür belohnte Purcell sie mit dem Posten der Vizepräsidentin. Nur wenige Monate später musste Cruz wieder pokern. Nachdem Purcell doch abtrat, fehlte ihr der Rückhalt. Doch der neue Firmenchef John Mack, der schon in den 90er Jahren als ihr Mentor galt, hielt zu der selbstbewussten Bankerin, und Cruz behielt ihren Posten.

Bis zu diesem Donnerstag. Nachdem Morgan Stanley vor drei Wochen im Zusammenhang mit der US-Hypothekenkrise 3,7 Milliarden Dollar abschreiben musste, war Cruz nicht mehr zu halten. Diesmal hatte sie bei ihren Geschäften an den Kapitalmärkten zu viel riskiert. Es ist das überraschende Ende einer Frau, die lange als Kronprinzessin von Morgan-Stanley-Chef Mack galt.

Obwohl ihr Bereich die aktuellen Milliardenabschreibungen zu verantworten hatte, stand wochenlang nicht Cruz auf der Abschussliste, sondern Mack selbst. Die New York Times hatte sogar kurz nach Bekanntgabe der schlechten Nachricht spekuliert, Cruz sei die heißeste Kandidatin für Macks Nachfolge.

Dieser Traum ist nun vorerst ausgeträumt für die Frau, die in der New Yorker Finanzwelt aufgrund ihrer Durchsetzungskraft "Cruz Missile" genannt wird.

Co-Chefin des Devisengeschäfts

Im Jahr 1982 begann die studierte Literaturwissenschaftlerin und Harvard-Absolventin als Devisenhändlerin bei der Investmentbank Morgan Stanley. Es war der Startschuss für eine Karriere, wie sie Frauen in der Finanzwelt sonst selten machen.

Cruz bewies sich als Co-Chefin des Devisengeschäfts und leitete ab dem Jahr 2000 den Geschäftsbereich für festverzinsliche Wertpapiere. Im Jahr 2005 erwirtschaftete Cruz mit dem Handelsgeschäft fast 40 Prozent der Gesamteinnahmen des Konzerns.

Davon profitierte sie auch selbst. Mit einem Jahresgehalt von zuletzt etwa 30 Millionen Dollar war die Handelsspezialistin im vergangenen Jahr die wohl bestbezahlte Managerin. Das Magazin Forbes, das jedes Jahr die mächtigsten Frauen der Welt kürt, wählte sie 2006 auf Platz zehn seiner Liste - noch vor Talk-Königin Oprah Winfrey und der New Yorker Senatorin Hillary Clinton.

Mit ihrer resoluten und selbstbewussten Art machte sich Cruz allerdings auch Feinde. Im Jahr 2005 setzte sie die Entlassung von 1000 der damals etwa 10000 Makler durch. Im gleichen Jahr weigerte sich der Starbanker Vikram Pandit, mit Cruz zusammenzuarbeiten. Das Ergebnis des Streits: Pandit schlug das Angebot von Morgan Stanley aus - "Cruz Missile" hatte wieder zugeschlagen.

Die Karriere stand für die Powerfrau immer im Vordergrund. In der von Männern dominierten Welt des Investmentbanking blieb sie eher eine Einzelgängerin. Auch ihr Privatleben ordnete sie rigoros dem Beruf unter.

Cruz, die mit dem Banker Ernesto Cruz von der Großbank CSFB verheiratet ist und mit ihm drei Kinder hat, gestand einmal, ihr Sozialleben pendle "um den Nullpunkt herum". In der nächsten Zeit kann sie einiges davon wieder nachholen.

© SZ vom 1./2.12.2007/bpr/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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