Morgan-Stanley-Banker Notheis:"Die Jahre der Bonanza sind vorbei"

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Das Image der Investmentbanken ist lädiert. Dennoch wird der Kapitalmarkt wichtiger, glaubt Dirk Notheis, Deutschlandchef von Morgan Stanley.

M. Hesse

Dirk Notheis, 40, ist seit Februar Deutschland-Chef von Morgan Stanley, einer der fünf größten Investmentbanken der Welt. Seit 1987 ist die amerikanische Bank in Deutschland präsent. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung erklärt Notheis, welche Fehler die Investmentbanken gemacht haben, warum man sie trotzdem noch braucht und wie deutsche Unternehmen in der Krise dastehen.

Der Deutschlandchef von Morgan Stanley, Dirk Notheis: "Investmentbanken sind als erste durch den Sturm gegangen." (Foto: Foto: oh)

SZ: Herr Notheis, Morgan Stanley und andere Banken zahlen Staatshilfen zurück, viele Institute haben zuletzt wieder Gewinne erwirtschaftet. Ist die Krise für die Investmentbanken ausgestanden?

Notheis: Nein, aber wir haben sicherlich den Gipfel gesehen. Wir befinden uns in einer Übergangsphase und sind dabei, uns auf die neue Welt einzustellen.

SZ: Wie wird sich die Welt der Investmentbanken neu sortieren?

Notheis: Investmentbanken sind als erste durch den Sturm gegangen und deshalb schon in einem fortgeschritteneren Stadium der Konsolidierung. Das gilt nicht für andere Gruppen, wie etwa hierzulande die Landesbanken.

SZ: Wer sind die Gewinner und Verlierer der Krise in Ihrer Branche?

Notheis: Am Ende werden sich globale Investmentbanken mit dem vollen Produktangebot einerseits und regionale Nischenanbieter andererseits als wetterfest erweisen. Probleme werden, wie in anderen Branchen, diejenigen haben, die sich irgendwo zwischen diesen beiden Polen bewegen.

SZ: Wo sehen Sie in diesem Szenario Morgan Stanley?

Notheis: Für uns als global agierende Investmentbank mit einer starken Marktposition in nahezu allen Geschäftsbereichen sehe ich eine positive Zukunft.

SZ: Haben Morgan Stanley und andere, die Staatshilfen in Anspruch nehmen mussten, nicht Nachteile im Vergleich zu Wettbewerbern, die das nicht mussten?

Notheis: Nein. Wir sind dabei, die Staatshilfe zurückzuzahlen. Und es kommt weniger darauf an, wer wann von wem Kapital bekommen hat. Wichtig ist vielmehr, wer das intelligenteste, anpassungsfähigste Geschäftsmodell hat und attraktiv für die besten Talente ist. Da sehe ich Morgan Stanley in einer sehr komfortablen Position.

SZ: Aber der Staat kann es erschweren, Talente zu halten und zu gewinnen, wenn er Einfluss nimmt und beispielsweise Gehälter begrenzt.

Notheis: Wenn der Staatseinfluss überbordend wäre, könnte das die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen. Aber für uns ist die Staatsbeteiligung fast schon Geschichte. Wir haben am Kapitalmarkt in den vergangenen Monaten zweimal sehr erfolgreich Kapital aufgenommen.

SZ: Zu hohe Bonuszahlungen waren eine Ursache der Krise. Besteht nicht die Gefahr, dass Investmentbanken in dem Bemühen, die besten Kräfte zu halten, in die alten Fehler verfallen?

Notheis: Die Vergütungen sind nur eine Facette des Problems, die gerne populistisch überhöht wird. Wir und andere sind dabei, die Anreizstrukturen so anzupassen, dass sie den Erfahrungen der vergangenen Monate gerecht werden. Das System ist lernfähig.

SZ: Was heißt das?

Notheis: Die Anreizsysteme müssen so gestaltet sein, dass sie den Zwecken der Bank aber auch der Integrität der Branche dienen. So haben wir zum Beispiel bereits die Gewichtung der jährlichen Bar-Boni in den Vergütungspaketen reduziert. Wir setzen zudem stärker auf Grundgehälter, Belegschaftsaktien und zurückgestellte Barzahlungen, die zurückbezahlt werden müssen, wenn der Mitarbeiter ein Verhalten an den Tag legt, das der langfristigen Solidität der Firma abträglich ist.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie das Geschäftsmodell der Zukunft für eine Investmentbank aussehen muss

Wie muss das Geschäftsmodell der Zukunft für eine Investmentbank aussehen?

Notheis: Morgan Stanley hat sich mit dem Joint Venture mit Smith Barney zu einem der größten privaten Vermögensverwalter entwickelt. Damit gewinnen wir Einlagen und machen uns in der Finanzierung unabhängiger von Kapitalmarktschwankungen.

SZ: Ganze Bereiche des Investmentbanking brechen weg. Welche Rolle kann der Eigenhandel künftig spielen, der hohe Verluste verursacht hat?

Notheis: Wir und andere haben die Risiken in unserer Bilanz enorm reduziert. Für spekulative Geschäfte auf eigene Rechnung ist in Zukunft weit weniger Raum. Die Jahre der Bonanza, in der Banken wie Hedgefonds agiert haben, sind definitiv vorbei.

SZ: Was muss sich noch ändern?

Notheis: Wer in dem neuen regulatorischen Umfeld am schnellsten die richtigen Produkte und Lösungen für die Kunden an den Markt bringt, der wird erfolgreich sein. Die amöbenhafte Anpassungsfähigkeit wird zur zentralen Anforderung an gutes Management.

SZ: Man könnte sagen, noch größerer Opportunismus.

Notheis: Das hat nichts mit Opportunismus zu tun, sondern mit der Fähigkeit, flexibel zu managen und den Bedarf an Lösungen in der neuen Welt zu erkennen.

SZ: Lassen sich künftig noch Renditen von 25 Prozent und mehr erzielen?

Notheis: Wir können die Erwartungshaltung der alten nicht einfach in die neue Welt projizieren. Aber wie hoch realistische Renditen künftig sind, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen.

SZ: Das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A) ist seit Jahresbeginn um fast die Hälfte eingebrochen. Wird es jemals wieder das Niveau der vergangenen Jahre erreichen?

Notheis: M&A bleibt die Königsdisziplin unserer Branche. 2009 wäre es aber schon ein Erfolg, wenn wir das Vorjahresniveau erreichten. Mittel- und langfristig sehe ich dagegen große Aktivität. Die Globalisierung als eine der wesentlichen Triebkräfte für Fusionen und Übernahmen ist trotz der Krise nicht weniger relevant.

SZ: Zeigen Beispiele wie Schaeffler und Porsche nicht, dass es unsinnig ist, Zukäufe um jeden Preis anzustreben? Könnte sich in den Unternehmen nicht grundsätzlich eine größere Skepsis gegenüber Fusionen und Übernahmen entwickeln?

Notheis: Das Problem war in diesen Fällen ja nicht der strategische Sinn der Übernahmen, sondern die hohe Verschuldung, die dafür aufgenommen wurde. Aber so extrem über Schulden finanzierte Übernahmen werden wir für eine lange Zeit nicht mehr sehen.

Lesen Sie auf der dritten Seite, warum die Investmentbanken nach Auffassung von Dirk Notheis immer noch dringend gebraucht werden.

SZ: An diesen überzogenen Kaufpreisen und Schuldenfinanzierungen waren die Banken doch mitschuldig.

Notheis: Jeder Verkäufer hätte ja auch billiger verkaufen können. Unsere Aufgabe ist es, Fusionen und Übernahmen möglichst effizient und zum maximalen Nutzen unseres Auftraggebers zu gestalten.

SZ: Und jetzt verdienen Sie daran, dass sie dort bei der Restrukturierung helfen, wo auch durch Übernahmen Probleme entstanden sind. Ist das nicht zynisch?

Notheis: Keineswegs, zynisch ist die falsche Kategorie. Wir müssen unseren Kunden für die jeweils aktuellen Probleme Lösungen anbieten. Dazu gehört es zum Beispiel, den Firmen über den Kapitalmarkt Mittel zu beschaffen, um sie unabhängiger von kreditgebenden Banken zu machen. Wir verschaffen Sauerstoff, wenn der Kreditmarkt so wie aktuell nur noch eingeschränkt zur Verfügung steht. Eine solche Leistung ist volkswirtschaftlich hoch integer.

SZ: Werden Investmentbanken angesichts der Klemme an den Kreditmärkten als Vermittler von Kapital eine wachsende Rolle spielen?

Notheis: Absolut. Die Krise hat gezeigt, dass der Kreditmarkt für die Finanzierung einer globalen Wirtschaft alleine nicht ausreicht. Es wird in Zukunft nicht mit weniger sondern nur mit mehr Kapitalmarkt gehen.

SZ: Aber die breite Streuung und Atomisierung von Risiken war doch eine Mitursache für die Krise.

Notheis: Die Weitergabe und Streuung von Risiken ist auch in Zukunft notwendig. Das Problem war, dass Strukturen entstanden sind, deren Komplexität Ratingagenturen, Banken und Investoren überfordert hat. Aber wenn wir den Fehler machen, die Risikostreuung über den Markt als Konzept zu diffamieren, strangulieren wir die Finanzierungsmöglichkeiten unserer Unternehmen.

SZ: In anderen Ländern haben viele Unternehmen sich in der Krise Kapital über den Markt geholt. Bei deutschen Firmen gab es dagegen kaum Kapitalerhöhungen. Stehen sie besser da oder reagieren sie falsch auf die Krise?

Notheis: Erstens wird die Welle von Kapitalerhöhungen in Deutschland noch einsetzen, spätestens im Herbst. Zweitens ist es richtig, dass deutsche Großunternehmen - nicht unbedingt der breite Mittelstand - im internationalen Vergleich relativ gut mit Kapital ausgestattet sind.

SZ: Arcandor, Schaeffler, Opel und andere hinterlassen nicht den Eindruck, als stünden deutsche Firmen in der Krise gut da.

Notheis: Wir sind Exportweltmeister und deshalb von der Krise der globalen Nachfragemärkte als erste betroffen. Aber die Innovationskraft, die Managementqualität und die Finanzstruktur deutscher Unternehmen ist im internationalen Vergleich nach wie vor überlegen, so dass wir aus der Krise am Ende relativ gestärkt hervorgehen werden.

SZ: Was wollen Sie als Morgan Stanley-Chef in Deutschland erreichen?

Notheis: Trotz der amerikanischen Wurzeln fühlen wir uns als Inländer und freuen uns, dass unsere Kunden dies auch so sehen. Im Kern wollen wir weiter Marktanteile gewinnen und das spüren wir aktuell in nahezu allen Bereichen. Aber leichter wird es nicht. Investmentbanking war schon immer die kompetitivste Branche und das wird sie auch bleiben.

© SZ vom 13./14.6.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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