Milliarden-Zocker Kerviel:Überschuss-Abbau auf französisch

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Es grenzt ans Absurde: Wertpapierhändler Kerviel habe mit seinen Geschäften mehr Geld eingenommen als ihm zugeordnet gewesen sei. Darum habe er versucht, mit vorsätzlichen Verlusten seinen Überschuss abzubauen, so das Mangement heute.

Die französische Finanzpolizei hat am Sonntag den zweiten Tag in Folge den Börsenhändler vernommen, der für Verluste in Höhe von fast fünf Milliarden Euro bei der Bank Société Générale verantwortlich sein soll.

Staatsanwalt Jean-Michel Aldebert teilte mit, der 31-jährige Jérôme Kerviel habe sich am Samstag den Behörden gestellt und verhalte sich kooperativ. "Er ist dazu bereit, sich zu erklären", sagte Aldebert. Gleichwohl wurde das Polizei-Gewahrsam, in dem sich Kerviel seit Samstag befindet, um weitere 24 Stunden verlängert, teilte die Staatsanwaltschaft mit. In Justizkreisen hieß es, Kerviel werde Montag einem Richter vorgeführt.

Kerviel war seit Bekanntwerden des Betrugsfalls am Donnerstag nicht in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen. Es gab schon Gerüchte, dass er außer Landes geflohen sei. Sein Anwalt hatte dem aber widersprochen. Ein Rätsel ist weiter das Motiv des Bankers. Nach Angaben der SG hat er sich durch seine betrügerischen Geschäfte vermutlich nicht persönlich bereichert.

Die Aufdeckung des Skandals hatte ein Beben ausgelöst und die Frage aufgeworfen, ob der Broker tatsächlich völlig eigenständig gehandelt hatte. Einige Analysten vermuteten außerdem, die SG habe den Zwischenfall mit ihrem Handeln noch verschlimmert. "Das ist absurd", sagte Bank-Chef Daniel Bouton in einem Zeitungsinterview.

Jeder könne sich ausrechnen, inwieweit die französische Bank an den Entwicklungen der internationalen Finanzmärkte in den vergangenen Tagen beteiligt gewesen sei.

Staatspräsident Nicholas Sarkozy verurteilte hochriskante Spekulationsgeschäfte und forderte Gegenmaßnahmen: "Wenn wir innerhalb Stunden Gewinne machen können, können wir auch riesige Verluste haben", sagte er bei einem Besuch in Indien. "Wir müssen dieses System, in dem es drunter und drüber geht, stoppen." Es sei an der Zeit, etwas "gesunden Menschenverstand in all diese Systeme zu injizieren".

Bouton sagte, Kerviels hochriskante Geschäfte seien am 18. Januar entdeckt worden. Am 20. Januar sei das Management über das gesamte Ausmaß des Problems informiert worden. Als einen Tag später die Finanzmärkte in Asien und Europa kollabiert seien, "hatte das einen katastrophalen Effekt", wurde der Bank-Chef weiter zitiert.

Kerviel soll vor allem eine gigantische Wette auf den deutschen Börsenindex DAX aufgebaut haben, wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" unter Berufung auf Händlerkreise berichtete.

Nach internen Schätzungen soll der Broker demnach vor wenigen Wochen rund 140.000 sogenannte DAX-Futures gekauft haben. Das sind Terminkontrakte, die an der deutsch-schweizerischen Börse Eurex gehandelt werden. Der DAX habe bis zum 18. Januar 600 Punkte verloren und Kerviel damit vermutlich rund zwei Milliarden Euro, zitierte das Blatt Spekulationen von Insidern.

Zu diesem Zeitpunkt könnten der Verlust und die Überschreitung des Handelslimits der deutschen Niederlassung des Finanzdienstleisters Newedge aufgefallen sein, schrieb der "Spiegel" weiter. Die Firma wickelt für die Bank Eurex-Geschäfte ab. Angeblich erhielten die Pariser Bankenchefs Alarmsignale aus Deutschland. Panisch hätten sie alle Positionen liquidiert und die Verluste durch dieses Missmanagement noch ausgebaut, zitierte das Magazin einen Händler.

Bouton erklärte, Kerviel habe seine Vollmachten überschritten und mit seinen Geschäften mehr Geld eingenommen als ihm zugeordnet gewesen sei. Von Anfang Januar habe er daher versucht, mit vorsätzlichen Verlusten seinen Überschuss abzubauen - was bis zum 21. Januar gutgegangen sei. Der größte Kurseinbruch seit dem 11. September 2001 habe dann aber "aus dieser traurigen Angelegenheit eine griechische Tragödie" gemacht.

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