Mietschulden:Kein Geld - trotzdem Wasser und Strom!

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Auch wenn der Mieter seine Miete nicht zahlt, darf der Vermieter nur unter ganz bestimmten Umständen die Zufuhr von Wärme, Wasser und Strom stoppen.

Andrea Nasemann

Plötzlich war alles dunkel in der Wohnung. Die Spülmaschine lief nicht mehr, ebenso wenig wie der Trockner. Um einen gewöhnlichen Stromausfall handelte es sich aber nicht. Vielmehr hatte der Eigentümer die Sicherung herausgedreht, weil die Bewohner mit der Miete in Rückstand waren. Die Mieter bauten die Sicherung einfach wieder ein.

Nachdem erneut keine Miete eingegangen war, kündigte der Vermieter fristlos. Und es kam wieder zum Stromausfall. Dieses Mal half nur noch die Notbeleuchtung im Kerzenschein: Die Mieter konnten die Stromzufuhr nicht mehr wiederherstellen, da das Schloss zu dem Raum mit den Sicherungskästen ausgetauscht worden war.

Die Mieter wehrten sich und erwirkten eine einstweilige Verfügung: Der Widerspruch des Vermieters wurde abgeschmettert, und das Landgericht München I bestätigte eine Entscheidung des Amtsgerichts München vom 13. September 2005 (415 C 23505/05): Solange die Mieter noch in der gekündigten Wohnung lebten, dürfe der Vermieter sie nicht von Versorgungsleistungen wie der Stromzufuhr ausschließen (Beschluss vom 24. November 2005, 15 T 19143/05).

So lautet nur eine von zahlreichen aktuellen Entscheidungen zu der Frage, ob der Vermieter seinem Mieter Strom, Gas oder Wasser abdrehen darf, wenn dieser mit der Miet- oder Betriebskostenzahlung in Verzug geraten ist. "Wer zur Selbsthilfe greift, um den Druck auf den Mieter zu erhöhen, damit dieser schneller auszieht, geht ein hohes Risiko ein", warnt Rudolf Stürzer, Vorsitzender von Haus und Grund München.

Vor allem im Wohnraummietrecht fehlt es bisher an einer obergerichtlichen Entscheidung, befindet sich der Vermieter in einer rechtlichen Grauzone. Denn Vermieter müssen im Rahmen ihrer Verpflichtung, dem Mieter den Gebrauch der Wohnung zu gewähren, auch für die vereinbarten Nebenleistungen, zum Beispiel Heizung und Wasser, sorgen. Dafür muss der Mieter Betriebskostenvorauszahlungen leisten.

Eine Unterbrechung der Gas-, Strom- oder Wasserversorgung kommt nur unter engen Voraussetzungen in Betracht, etwa dann, wenn das Mietverhältnis unstreitig beendet ist und der Vermieter Energie oder Wasser als Vorleistung zur Verfügung stellt. Der Vermieter ist dann Vertragspartner des Energielieferanten und muss an diesen die Verbrauchskosten bezahlen, unabhängig davon, ob er die Kosten vom Mieter erstattet erhält.

Bejaht wurde die Energiesperre auch bei einem gewerblichen Mietverhältnis. Dieses war wirksam beendet worden, der Mieter mit den Miet- und Betriebskostenvorauszahlungen in Verzug. Das Kammergericht Berlin entschied, der Vermieter schulde dem Mieter den Gebrauch der Mietsache nur während der Dauer des Mietverhältnisses. Es bleibe dem Mieter die Möglichkeit, die Mietrückstände zu bezahlen, um so wieder mit Wasser versorgt zu werden.

Außerdem würde dasselbe Ergebnis eintreten, wenn der Vermieter seine Zahlungen an die Wasserwerke einstellen würde, da dann diese nach deren Vertragsbestimmungen die Wasserzufuhr absperren könnten (Urteil vom 8. Juli 2004, 12 W 21/04).

Das Amtsgericht Bergheim hatte sogar für das Wohnraummietrecht so entschieden: Es bestehe ein Zurückbehaltungsrecht des Vermieters hinsichtlich der Versorgung mit Strom, Wasser und Heizung, wenn das Mietverhältnis wegen Zahlungsrückständen wirksam gekündigt worden sei. Die Notlage der Mieter und ihrer Kinder sei nicht vom Vermieter zu tragen. Vielmehr müssten sich die Betroffenen im Fall von Zahlungsproblemen an öffentliche Stellen wenden (15. Dezember 2003, 27 C 744/03).

Unzulässig ist die Energiesperre immer dann, wenn der Mieter einen eigenständigen Vertrag mit dem Lieferanten hat. "Dies trifft auf viele Münchner Altbauwohnungen zu", sagt Stürzer. Diese hätten häufig keine zentrale Heizungsanlage, jede Wohnung habe ihren eigenen Gas- und Stromzähler. Deshalb lehnte das Landgericht München I in dem eingangs erwähnten Fall auch die Unterbrechung der Stromzufuhr ab. Es liege eine verbotene Eigenmacht des Vermieters vor, da der Mieter einen eigenständigen Vertrag mit den Stadtwerken habe und der Vermieter daher nicht in Vorleistung treten müsse.

Wenn der Vermieter pleite ist

Immer öfter müssen sich Insolvenz- und Zwangsverwalter, Mietjuristen, Staatsanwaltschaften und Strafgerichte mit einer anderen Variante beschäftigen: Gas-, Wasser- und Stromsperren wegen Vermieterschulden. So sollte im Dezember den Mietern von 62 Wohnungen in Berlin der Gashahn zugedreht werden. Der Vermieter hatte zwar Heizkostenvorauszahlungen kassiert, das Geld aber nicht an die Versorgungsbetriebe weitergeleitet. Die drohten mitten im Winter mit Gassperre. Das Bezirksamt sprang in letzter Sekunde ein und zahlte.

Mieter, denen eine Liefersperre ins Haus steht, sollten umgehend rechtlichen Rat einholen. "Sie haben nicht nur das Recht auf bis zu hundertprozentige Mietminderung, sondern auch auf fristlose Kündigung des Vertrags", sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Mieter sollten zur Abwendung der Liefersperre laufende Betriebkostenvorauszahlungen einbehalten und direkt an die Versorgungsunternehmen zahlen.

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