Messestadt Riem:Das Leben auf der Baustelle ist schön

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Den gängigen Vorurteilen zum Trotz scheinen sich doch ein paar Messestädter für ihre neue Heimat erwärmen zu können.

Von Julia Hagemann

Es war jedes Jahr zur Wies'n-Zeit das gleiche: laut, dreckig und man bekam keinen Parkplatz", erzählt Zorica Jovanovic, ehemalige Bewohnerin der Schwanthalerstraße. Die ruhige Lage der Messestadt Riem am östlichen Stadtrand von München, etwa acht Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, die vielen Grünflächen und der Platz für die Kinder zum Spielen haben sie gereizt. Seit eineinhalb Jahren bewohnt sie nun gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern eine 90 Quadratmeter große Wohnung in der Messestadt.

Hier fühlt sie sich wesentlich wohler als in der Schwanthalerstraße. Vor allem die schönen Spazier- und Radwege sowie der große Spielplatz gleich hinter dem Haus gefallen ihr und ihrem vierjährigen Sohn. Dafür nahm sie es gerne in Kauf, die erste Zeit auf einer Großbaustelle leben zu müssen. So schlimm war das aber gar nicht. Zwar war es immer mal wieder laut und dreckig, doch "eigentlich haben wir gar nicht so viel von der Bauerei mitbekommen", sagt sie.

Grün und gut angebunden

Die Nähe zum Park und vor allem die gute öffentliche Verkehrsanbindung haben auch Andreas Kahler von der Messestadt überzeugt. Dem ehemaligen Au-Bewohner ist seine alte Wohnung zu klein geworden, ein größeres Objekt wäre dort jedoch zu teuer gewesen. Zur Auswahl standen für ihn Pasing, Waldtrudering und eben die Messestadt. Seit Herbst 2002 bewohnt er hier mit seiner Familie ein 125 Quadratmeter großes Stadthaus. Eingezogen ist Andreas Kahler dort "ohne große Erwartungen". Schließlich war bei seinem Einzug noch alles kahl, "wie die Umgebung später aussehen sollte, war kaum zu erahnen".

Auch Margaret Gaßl-Placzek kaufte ihre Wohnung direkt vom Plan und hatte nur vage Vorstellungen von ihrem zukünftigen Wohnort. Beim Einzug im Dezember 2002 war sie zunächst skeptisch, "wie eng man hier aufeinander lebt". Inzwischen sind jedoch "sehr nette Nachbarn" eingezogen, so dass ihr die Nähe nichts mehr ausmacht.

Die Nachbarn kommen

Mittlerweile füllt sich die Messestadt zunehmend, "man merkt, dass der Stadtteil lebt", sagt Christian Maly-Motta, Geschäftsführer Guter Wohnungsbau. Die Bar Ikarus entwickelt sich zum abendlichen Treffpunkt und die inzwischen fertig gestellten Häuser sind zum größten Teil bewohnt. Gerade "die durch das München-Modell geförderten Mietwohnungen" sind heiß begehrt, "die frei finanzierten Wohnungen gehen dagegen nicht ganz so gut", ist Franz Kretner, Leiter der Abteilung Bauvorhaben bei der Gewofag, aufgefallen.

Was der Messestadt bisher noch fehlt, sind Einkaufsmöglichkeiten: zur Zeit gibt es dort nur einige kleine Läden. Deshalb fährt Margaret Gaßl-Placzek zum "Einkaufen im Supermarkt, zur Bank und zur Post nach Trudering". Dennoch fühlt sie sich "richtig wohl" in der Messestadt. Von hier hat sie es nicht weit zu ihrem Arbeitsplatz in Haar, außerdem genießt die Naturliebhaberin den Landschaftspark. Mit einer Größe von 200 Hektar entsteht hier nach dem Englischen Garten und dem Nymphenburger Park der drittgrößte Münchner Park.

Wiesen, Hügel, Bäume, See

Neben einem kräftigen Gerüst aus Gehölzpflanzungen wurden hier bereits 10.000 Bäume gepflanzt. Dazwischen sollen im Herbst 2004 naturnahe Wiesen, ein Badesee und zwei Rodelhügel integriert werden. Im Landschaftspark wird am 28.April 2005 die Bundesgartenschau eröffnet. Auf die freut sich Margaret Gaßl-Placzek ganz besonders. Denn von der Blumenschau und Gartenkunst wird "hoffentlich einiges übrig bleiben", woran sich die Messestadt-Bewohner noch lange erfreuen können.

Groß-Einkauf ab März 2004

In absehbarer Zeit wird auch das Einkaufsproblem gelöst sein: Am 10. März 2004 werden voraussichtlich die Riem-Arcaden eröffnet. Auf etwa 30.000 Quadratmetern finden sich hier 160 Geschäfte wie große Modeketten, Friseure und Parfümerien. Auch für Lebensmittel wird gesorgt sein: Die Bandbreite reicht vom normalen Supermarkt über die Markthalle mit integrierter Saftbar sowie Mittelmeerspezialitäten bis hin zum Asia-Laden. Wer lieber essen geht, hat die Wahl zwischen traditionell bayerisch mit Biergarten, mexikanisch mit Cocktails, italienisch - oder doch lieber die Sushi-Bar? Dazu kommen Fitness- und Freizeiteinrichtungen wie beispielsweise ein Multiplexkino.

Ein Viertel mit wenig Verkehr

Vielfalt ist auch in der Wohnform geboten: Die Genossenschaft "Guter Wohnungsbau" errichtet 33 ökologische Wohnungen, mit einer Grundwasserpumpe statt einer herkömmlichen Heizanlage, die "Wogeno" baute bereits 30 "autoreduzierte" Wohnungen. Deren Bewohner verringern den privaten Autoverkehr. Dadurch ist das Wohngebiet vom Durchgangsverkehr und oberirdisch parkenden Autos frei. Darüber freut sich auch Zorica Jovanovic: "Hier muss ich wegen der Autos keine Angst haben, wenn der Kleine draußen spielt."

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