Liechtenstein-Prozess:Kassensturz mit harmlosen Folgen

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Der erste Prozess in der Liechtenstein-Steueraffäre war ein Schauspiel. Aufgeführt wurde das Stück "Der Deal".

Hans Leyendecker

Sieht so die Gier aus? Kommt sie wirklich so unauffällig daher? Der Kaufmann Dr. Elmar Bernhard Sch. aus Bad Homburg, Jahrgang 1941, ist ein Typ, den man leicht verwechseln kann. Kurze, graue Haare, runde Brille, mittelgroß. Nur das Philtrum, die Oberlippenrinne, schaut so aus, als habe er früher einen Schnauzbart habt. Aber wäre das ein Indiz? Herr Jedermann hat dem Staat immerhin 7,6 Millionen Euro Steuern vorenthalten.

Am Freitagmorgen war er gegen 9.16 Uhr mit dem ICE 616 in Bochum eingetroffen. Der Zug hatte sieben Minuten Verspätung. Doktor Sch. erledigte sein Pensum fix. Mit seinem Frankfurter Verteidiger Holger Matt war er schnurstracks die Huestraße hinuntergegangen, immer geradeaus, bis zum Landgericht. Der Anwalt schleppte zwei dicke Taschen, der Kaufmann trug ein schwarzes Täschchen mit seinen Initialen EBS.

Keine Zeugen, keine Sachverständige

Um 10.05 Uhr begann im Saal 240 C die Verhandlung. Knapp drei Stunden später war alles vorbei. Die 6. Strafkammer des Landgerichts Bochum verurteilte EBS wegen Steuerhinterziehung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Außerdem muss er 7,5 Millionen Euro Geldauflage zahlen. Der Fiskus bekommt 7,6 Millionen Nachzahlung plus Zinseszins. Gut sechs Millionen Euro hat Sch. schon überwiesen.

Manchmal formuliert man leichthin, dass ein Strafverfahren über die Bühne gehe. Dieses Bild beschreibt das Verfahren mit dem Aktenzeichen 6 KLs 350 Js 1/08 ziemlich genau. Der erste Prozess in der Liechtenstein-Steueraffäre, in die etwa 770 Gutbetuchte der Republik verwickelt sind, war ein Schauspiel. Aufgeführt wurde das Stück "Der Deal".

Falls die Staatsanwaltschaft ein Pilotverfahren für die weiteren zu erwartenden Prozesse - unter anderem gegen den Ex-Postchef Klaus Zumwinkel - gesucht haben sollte, war das Verfahren gegen Doktor Sch. aus Sicht der Ermittler eine gute Wahl. Ein Prozess aus der Retorte. Ohne Zeugen, ohne Sachverständige, die in die Quere hätten kommen können.

Staatsanwalt Christian Schoß, 31, der mit der Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen, 53, die Anklage vertritt, las den Anklagesatz so schnell vor, als wolle er auch diese Pflichtübung rasch erledigen. Tempo, Tempo. Die Zuhörer, die hinter mehr als mannshohen Trennscheiben hockten und sich mühten, dem atemlosen Schauspiel zu folgen, verstanden nur, dass Kaufmann Sch. 1985 bei der Fürstenbank LGT-Gruppe eine erste und im Jahr 2000 eine zweite Stiftung gegründet habe. Das Stiftungsvermögen habe 2002 rund 11,2 Millionen Euro betragen.

Warum die LGT-Gruppe? Für die Erörterung solcher Details gab es entweder keinen Grund oder es fehlte an Zeit. Erst in Zerobonds und später in schwarzen Fonds sei das Geld in Liechtenstein angelegt worden. Zerobonds sind Anleihen, bei denen der Zinsertrag erst im Rückzahlungskurs enthalten ist. Schwarze Fonds, sind im Inland nicht registriert, bei ihnen werden Gewinne nicht steuerlich ausgewiesen, und der Anleger bleibt für den Fiskus anonym. Ob solche ausländischen Fonds im Inland besteuert werden können, ist allerdings umstritten.

Eigentlich beginnen solche Einlassungen mit der Formel "Dem Angeklagten wird zur Last gelegt". Die Last ist so schwer nicht. Was die Einlassung des Verteidigers Holger Matt deutlich macht. Denn sein Mandant sei geständig, reuig, der Anklagevorwurf sei zutreffend. Das war's. Es folgten die Erklärungen zur Person, die praktischerweise wieder der Anwalt vortrug.

Doktor Sch., der auf der Anklagebank die Presseleute im Rücken hatte und sich dann auch noch so setzte, dass die Medienvertreter sein Gesicht nicht sehen konnten, stammt demnach aus kleinen Familienverhältnissen, hat Jura und Betriebswirtschaften studiert und im Ausland, vor allem in den USA, gearbeitet. Dann ist er Immobilienkaufmann geworden, hat einige Firmen besessen. Seitdem er die "Pensionsgrenze" (Matt) erreicht hat, arbeitet er nicht mehr. Er hat relativ spät geheiratet, 1979. Er hat zwei Söhne, die ihre Ausbildung fast beendet haben. Noch Fragen?

Der Vorsitzende der Kammer, Gerd Riechert, der seltsamerweise Wert darauf legte, die Kammer habe "in keiner Weise" auf eine Verständigung gedrängt, "von der Kammerseite gibt es keinen Anlass zum Deal", sagte nach 23 Minuten Verhandlung, ihm falle nicht ein, "was man noch erörtern sollte". Fünf Minuten Pause.

"Es ist gut so, dass diese Unterlagen publik wurden"

Dann plauschte der Richter kurz über Immobiliengeschäfte, verwies darauf, dass der Angeklagte auf einigen Märkten mehr Geld verdient habe, als er, der Richter, in seinem ganzen Leben verdienen werde, und es habe sich um legales Geld gehandelt.

Warum geht man eigentlich nach Liechtenstein? Diesmal redete Doktor Sch. Er sei so beraten worden. Anschließend startete Staatsanwältin Lichtinghagen ihr Plädoyer. Zunächst verwies sie darauf, dass die vom Bundesnachrichtendienst besorgten Unterlagen aus Liechtenstein verwertbar seien. "Es ist gut so, dass diese Unterlagen publik wurden."

Der Angeklagte sei offenbar gierig gewesen und habe das, was er dem Staat an Steuern zahlte, selbst festlegen wollen. "Mehr oder minder" sei es Volkssport, dass Begüterte ihr Geld nach Liechtenstein oder in die Schweiz schafften. Leute, "die auf der Sonnenseite des Lebens" stünden, würden das Gemeinwohl geringschätzen. Sie seien "Sozialschädlinge" und würden mit der Erbschaft ihre Kinder in den Steuersumpf ziehen. Liechtenstein schütze Kriminelle und gebe nicht einmal Auskunft über Bankunterlagen. Doktor Sch. sei zugute zu halten, dass er intensiv mit den Fahndern zusammengearbeitet habe, um seinen Fall aufzuklären.

Dann verkündet Richter Riechert das Urteil. "Dass es Mist war, was er gemacht hat, hat er wohl eingesehen", sagte er. 7,6 Millionen Euro sind ein ganz schön großer Misthaufen, aber beruhigend ist, dass auch so viel Mist weg kann.

© SZ vom 19.07.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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