Leben in NY:Im Club der Milliardäre

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In New York kosten drei durchschnittliche Zimmer eine Million Dollar: Vom Leben in der Immobilienblase und von Superreichen, die sich gegenseitig unter die Arme greifen.

Von Andrian Kreye

Wohnungssuche ist in New York eine eher häufige und vor allem ernüchternde Angelegenheit. Häufig, weil Mieterschutzgesetze nur für Wohnungen bis zu 2000 Dollar Monatsmiete gelten, weswegen es zu diesem Preis in den bürgerlichen Vierteln von Manhattan und Brooklyn schon seit Jahren keine bewohnbaren Mietobjekte mehr gibt.

New York - Manhattan: Das Empirer State Building in Morgendämmerung. (Foto: Foto: AP)

Ernüchternd, weil einem dabei als Normalverdiener in Zeiten der sich unaufhaltsam aufblähenden Immobilienblase die makroökonomische Wertlosigkeit der eigenen Existenz vor Augen geführt wird.

Mit jedem Umzug wird man ein Stück weiter an die Peripherie gedrängt, wobei man sich schon bald wie einer der Schwimmer fühlt, von denen man jeden Sommer in der Lokalpresse liest, weil sie an den New Yorker Stränden in eine jener Kreuzströmungen geraten, die sie unaufhaltsam in den Atlantik hinaustragen, wo sie dann spurlos in den Wellen versinken.

Nun gäbe es einen ganz einfachen Weg aus der Knechtschaft des Mieterdaseins - den Immobilienkauf. Doch da reicht schon ein Blick in die Schaufenster der Makler. Eine durchschnittliche Dreizimmerwohnung kostet in Manhattan derzeit rund eine Million Dollar. Dafür bekommt man in Deutschland laut Anzeigen für Luxusimmobilien in der Zeitschrift Cicero schon ein kleines Seeschlösschen.

Auch eines jener Reihenhäuser aus Klinker, die hier Brownstones heißen, kostet zwischen einer und eineinhalb Millionen Dollar - in den Kleinbürgervierteln von Brooklyn oder im Schwarzenviertel Harlem wohlgemerkt, wo man solche Objekte vor fünf, sechs Jahren noch für fünfzigtausend Dollar erstehen konnte. Drüben an der Brooklyn Promenade, jenem legendären Uferweg mit Blick auf die Skyline, ging eines der schmalen dreistöckigen Häuser gerade für 20 Millionen Dollar auf den Markt.

Solche Geschichten werden bei Dinnerparties und Kneipenabenden inzwischen mit der gleichen Mischung aus Lüsternheit und Bewunderung erzählt, wie anderswo der neueste Klatsch aus Hollywood, nur dass hier die neuesten Apartmentgebäude die Filmschauspieler als Superstars abgelöst haben.

Erst vor kurzem haben Richard Meiers Glastürme am West Side Highway einen neuen Rekord gebrochen. Mehr als eine Million Dollar wurde dort für ein Studio-Apartment bezahlt, wie man hier die Einzimmerwohnungen mit Kochnische nennt, die man sonst eher in Studentenwohnheimen findet. Auf der anderen Seite der Insel hat das Architekturbüro von Santiago Calatrava gerade die Baugenehmigung für die bisher kühnste Wohnanlage der Stadt bekommen - zehn Würfel aus Glas und Stahl, die freischwebend an einem Gerüst über dem East River hängen werden. Jede dieser Wohnungen wird 35 Millionen Dollar kosten.

New York steht damit an der Spitze eines amerikanischen Immobilienbooms, der bei den Investoren und Spekulanten inzwischen zu ähnlich hysterischen Zuständen führt, wie die Dotcom-Aktien der neunziger Jahre. Zu den amerikanischen Investoren gesellt sich inzwischen auch vermehrt der Eurotrash, wie man die Erben und Neureichen aus der Alten Welt hier beschimpft.

Die drängen auf den New Yorker Immobilienmarkt, weil sie erstens davon profitieren, dass unter dem Deckmantel der Reformprogramme die Einkommensschere in den EU-Ländern immer weiter auseinander geht, und zweitens der Dollar in den letzten drei Jahren um mehr als fünfzig Prozent gefallen ist. Das aber ist reine Spekulation und so wird es selbst auf dem traditionell stabilen Immobilienmarkt gefährlich.

Experten befürchten, dass eine solche Immobilienblase nicht nur platzen, sondern sogar die gesamte Wirtschaft mit in den Abgrund reißen kann. Nur New York wird verschont bleiben, denn hier lebt vermehrt ein Menschenschlag, der die Immobilienpreise auch in Krisenzeiten oben hält.

Leslie Mandel, die mit ihrer Marktforschungsagentur Rich List Company die Zielgruppe der Reichen und Superreichen erfasst, zählt im Großraum New York derzeit 1931 Milliardäre. Die haben in Michael Bloomberg einen der ihren als Bürgermeister im Rathaus sitzen. Und der hat ein Herz für seinesgleichen. Die Könige des Immobilienmarktes wie Donald Trump und Larry Silverstein denken allerdings längst in Dimensionen, die über so banale Details wie Grundstückspreise längst erhaben sind. Da geht es gleich um ganze Stadtteile.

So hat Bürgermeister Bloomberg beispielsweise die städtische Nahverkehrsgesellschaft Manhattan Transit Authority dazu gebracht, ein beträchtliches Stück Land am Ufer des Hudson River für einen Bruchteil des Wertes an seinen Freund Robert Wood Johnson zu verkaufen, der die Football-Mannschaft New York Jets besitzt.

Der wird auf diesem Land nun ein Stadion für seine Mannschaft bauen, für das ihm Michael Bloomberg auch noch 600 Millionen Dollar staatliche und städtische Fördergelder besorgt hat. Und weil sich die Proteste mehren, wird dem Stadion schnell noch ein Guggenheim Museum angegliedert. Als Zuckerl für die Bürger.

Ähnlich großzügig wurde der Immobilienhai Bruce Ratner behandelt, der sich vorgenommen hat, gleich das gesamte Zentrum des Bezirkes Brooklyn mit profitträchtigen Apartmentkomplexen vollzubauen. In einem brillanten Schachzug hat er als Mittelpunkt seines monumentalen Projektes den Bau einer Basketball-Halle geplant, die Frank Gehry entwerfen will. Mangels einer Mannschaft hat er letztes Jahr die New Jersey Nets gekauft, die er von East Rutherford nach Brooklyn umsiedeln wird.

Weil auf dem geplanten Areal allerdings auch ein Rangierbahnhof und vor allem ein ganzer Block private Eigentumswohnungen stehen, hat Bürgermeister Bloomberg seinem Freund Ratner per Regierungsentscheidung einen Fall so genannter "Eminent Domain" zugesprochen. Das ist eine Art staatlicher Eigenbedarf, mit dem eine Regierung Privateigentümer gegen eine geringe Entschädigungszahlung enteignen kann, um öffentliche Projekte wie Autobahnen oder Eisenbahnlinien zu bauen.

Insgesamt vier Sportstadien sind in New York derzeit in Planung. Fernziel sind die Olympischen Spiele 2012, die Bloomberg als international finanzierte Geldmaschine für seine Stadt betrachtet. Nun werden Großprojekte von zweifelhaftem gemeinnützigem Wert, wie Sportstadien und Flughäfen, von Stadtvätern und ihren Freunden in aller Welt genutzt, um Macht und Reichtum zu erlangen.

Die städtische Förderung zügellosen Reichtums hat allerdings für jeden einzelnen Bürger ganz massive Auswirkungen; das kann man vor allem in New York beobachten, denn das Leben in der Nachbarschaft so vieler Milliardäre ist selbstverständlich nicht ganz billig. Die Tax Foundation in Washington hat für den mittelständischen Lebensstandard eines Zweipersonenhaushalt in New York City für das Jahr 2003 ein Jahreseinkommen von knapp 160.000 Dollar errechnet - mehr als doppelt so viel wie der landesweite Durchschnitt.

Nachdem die New Yorker Immobilienpreise allein während der ersten drei Monate des Jahres 2005 um 26 Prozent gestiegen sind, kann man diese Zahlen sowieso nur noch als Richtwert heranziehen. Das hat auch die Definition von Reichtum verändert. Als Millionär gilt in New York längst niemand mehr, der über ein sieben- bis achtstelliges Privatvermögen verfügt. Nein, wer hier noch zum Geldadel zählen will, der muss diese Summe schon pro Jahr verdienen.

Die europäische Unsitte des Sozialneides ist den New Yorkern dabei prinzipiell fremd. Die Nähe zu so viel Geld wird keineswegs als Ungerechtigkeit empfunden. Im Gegenteil - je mehr Geld im Umlauf ist, desto eher bekommt man etwas davon ab. Da muss man gar nicht von den Millionen an der Wall Street träumen.

In welcher Stadt kann ein Kellner, Portier oder Chauffeur sonst 120.000 Dollar pro Jahr verdienen? Wo sonst auf der Welt gibt es Schuhputzer und Tellerwäscher, die bis zu 60.000 Dollar im Jahr kassieren? Es ist ja auch nicht so, dass New Yorks Superreiche ihr Geld nicht teilen. Das Spendenaufkommen der Stadt wird auf zweistellige Milliardensummen geschätzt. Allein die Spenden im Wahlkampf des letzten Jahres beliefen sich auf eine Summe, die so hoch war wie die Wahlspenden sämtlicher amerikanischer Bundesstaaten außer Kalifornien und Florida zusammen.

Ein Ende des Booms ist in New York nicht abzusehen. Nichts hat diese Stadt bisher unterkriegen können. Keine Weltwirtschaftskrisen, keine autokratischen Bürgermeister, und wie der 11. September bewies, auch keine verheerenden Katastrophen. Bis eine neue Stadt kommt und New York den Rang abläuft, wird es wohl immer den Rang als Nabel und Kreuzung der Welt haben, den es sich so prahlerisch selbst verliehen hat.

(SZ vom 24.5.2005)

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