Kunst als Investment:"Verlieben Sie sich in das Werk"

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Die wenigsten Käufer von Kunstwerken sind auf rasche Rendite aus, sondern schätzen die gefühlsmäßige Dividende - zu Recht.

Elisabeth Dostert

Viele kamen nur, um Nadja zu sehen. Eine Schönheit: blaue Augen, großer Mund, dunkles Haar, unerreichbar für die meisten Besucher. In der jüngsten Versteigerung des Münchner Auktionshauses Ketterer wurde das auf 1,2 bis 1,8 Millionen Euro taxierte Gemälde des Expressionisten Emil Nolde für mehr als zwei Millionen Euro verkauft.

Die höchsten Auktionspreise 2007. (Foto: Tabelle: Süddeutsche Zeitung)

Der Kunstmarkt boomt. Allein im vergangenen Jahr legte der Global Index des französischen Informationsdienstes Artprice um mehr als 25 Prozent zu und er nähert sich eilig dem Niveau des Rekordjahres 1990.

Das Marktbarometer beruht auf den Ergebnissen von knapp 3000 Auktionshäusern für Kunst. Allein im vergangenen Jahr fiel der Hammer gut 800 Mal bei Preisen von mehr als einer Million Dollar. Und 2007 haben bereits 16 Werke für zweistellige Millionenbeträge den Besitzer gewechselt (Tabelle).

Korrelation mit den Aktienmärkten

Der Aufschwung der bildenden Künste korreliert eng mit jenem der Aktienmärkte. Wie sie ist auch die Kunst längst ein globaler Markt. Das Internet heizt mit einer Fülle von Informationen das Geschäft noch an. Einzelne, schwindelerregende Auktionsergebnisse suggerieren das schnelle Geld am Kunstmarkt.

Dem ist aber mitnichten so. 80 Prozent aller Arbeiten wechseln auf den Auktionen zu Preisen von weniger als 10.000 Euro den Eigentümer, sagt Karl Schweizer.

Der 52-Jährige leitet die Abteilung Art Banking des Bankkonzerns UBS und betreut vermögende Kunden bei ihrer Suche nach guter Kunst. Das Volumen des Kunstmarktes schätzt Schweizer auf 30 bis 35 Milliarden Dollar: ,,Wir stecken schon in einer Blase, die aber so rasch nicht platzen wird. Die Auktionspreise zeigen nach oben.''

Werke der Klassischen Moderne besonders gefragt

Besonders gefragt auf den Versteigerungen sind Werke der Klassischen Moderne, zu der Künstler wie Paul Klee und Pablo Picasso gehören, und Nachkriegskunst, für die Maler wie Gerhard Richter, Victor Vasarely und Roy Lichtenstein stehen.

,,Da gibt es immer weniger gutes Material, das noch zu haben ist'', sagt Schweizer. Denn auch ein berühmter Künstlername garantiert nicht zwangsläufig Qualität. ,,Es gibt gewaltig gute Namen, die enormen Schrott produziert haben", erläutert der Banker: ,,Einer wie Picasso hat mehr als 6000 Werke produziert. Viele Arbeiten, Zeichnungen oder Bilder wurden zum Teil sehr zügig erstellt. Die können nicht alle gut sein.''

Auktionator Robert Ketterer sieht das etwas anders. Für das Gros der Sammler zähle der Name mehr als die Qualität; sie werde in Zukunft nicht die große Rolle spielen. Auch Ketterer rechnet mit weiter steigenden Preisen. ,,Ich würde mich nicht wundern, wenn in ein paar Jahren für einen Picasso auch 300 oder 400 Millionen Euro gezahlt würden'', sagt er. ,,Es zählt die Marke. Picasso ist bekannter als Jesus.''

Immer mehr reiche Menschen

Noch steigt die Nachfrage nach guter Kunst stärker als das Angebot - ,,weil es immer mehr reiche Menschen gibt, die substantielle Beträge in Kunst investieren wollen'', sagt Schweizer.

UBS schätzt die Zahl der Millionäre auf weltweit neun Millionen, Tendenz steigend. Die wachsende Klientel stürmt Galerien, Akademien, Auktionen, Händler, Kunstmessen und Internetplattformen.

,,Die teils überzogenen Preise schlagen allerdings vielen Sammlern auf den Magen'', erklärt der UBS-Mann. Die Mehrzahl von ihnen, davon ist Schweizer überzeugt, schielt nicht auf hohe Renditen und Wertsteigerungen. ,,Die denken gar nicht daran, die Arbeiten rasch wieder zu verkaufen. Als reine Kapitalanlage taugt Kunst ohnehin nicht, weil sie erhebliche Risiken birgt'', weiß Schweizer.

Die Volatilität sei größer als in anderen Anlageklassen, etwa Aktien oder Anleihen. Die Kosten für Transport, Lagerung, Versicherung, Konservierung und Verwaltung schmälern die Rendite. Kunst wirft keine Zinsen ab.

Rein rechnerisch müssen beim Renditenvergleich mit anderen Kapitalanlagen die entgangenen Dividenden und Zinsen berücksichtigt werden. Schweizer nennt ein weiteres Risiko: ,,Der Kunstmarkt ist illiquide.''

Markt kann sich schnell drehen

Nicht selten erfüllen sich die Preisvorstellungen der Verkäufer nicht, und der Markt kann sich schnell drehen. Schweizer hat das schon zweimal erlebt. In Börsenflauten haben auf dem Kunstmarkt wieder die Käufer das Sagen.

Trotz aller Risiken ermuntert Schweizer zum Sammeln, denn ,,Kunst hat eine andere Dimension als klassische Finanzanlagen''. Während beispielsweise Analysten für Aktien auf Basis von Unternehmensdaten und profundem eigenen Research eine solide Prognose stellen können, sei dies für Kunst nicht möglich.

Da Kunstwerke auf Basis von Daten und Fakten, die in der Vergangenheit liegen, beurteilt werden, kann man allein durch die Retrospektive keine seriöse Prognose ableiten. Denn die Kunst unterliege oftmals Trends, Moden und Gefühlen. ,,Der Sammler kauft nicht, um durch einen schnellen Wiederverkauf hohe Renditen zu erzielen, sondern er genießt die emotionale Dividende des täglichen Bewunderns'', sagt Schweizer.

"Man muss kein Millionär sein"

,,Man muss kein Millionär sein'', sagt er. Sammler sollten aber nur das Geld in Kunst investieren, das in naher und ferner Zukunft nicht gebraucht wird'', rät der Banker, um nicht aus Not Arbeiten unter dem Einstiegswert wieder verkaufen zu müssen.

Ohnehin ist die Wertentwicklung höchst ungewiss und wechselhaft. ,,Weil der Markt von hoher Emotionalität geprägt ist'', sagt Ketterer. ,,Es kann sein, dass Nadja schon eine Stunde später noch mehr Geld gebracht hätte.''

Schweizer nennt drei Kriterien, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, kein Verlustgeschäft zu machen.

- Gefühl: ,,Verlieben Sie sich in das Werk und heiraten Sie es", empfiehlt der Banker.

- Innovation: Die Arbeit muss interessant sein. Als Maß für die Qualität eines Werkes gilt in der Kunstgeschichte die Innovationskraft eines Künstlers. Nachahmer sind irrelevant. Um Neues von schon Dagewesenem zu unterscheiden, muss sich der Sammler einen Überblick über die Kunstgeschichte verschaffen. Das heißt: viel lesen und das Auge schulen in Museen, Galerien, auf Messen.

- Nachhaltigkeit: ,,Die meiste Kunst übersteht nicht den Test der Zeit'', sagt Schweizer.

Gar nichts hält er von Kunstfonds. ,,So wie sie derzeit strukturiert sind, wird der Anleger damit kein Glück haben, sondern nur die Fondsmanager.''

Zu den Kosten, die private Sammler schon verkraften müssen, werden dem Anteilskäufer noch die Kosten für Fondsverwaltung und den späteren Verkauf über Auktionen oder Händler, die durchaus 20 bis 50 Prozent des Preises ausmachen können, aufgebürdet. Das schmälert die Renditeaussichten erheblich.

© SZ vom 23.06.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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